Buchrezension – Die Buchspringer Vorsicht, Buchspringer unterwegs! Mit Schir Khan auf der Jagd nach dem Ideendieb

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Ein Buch über die fesselnde Welt der Phantasie, das zugleich in die Weltliteratur einführt. Foto: Loewe Verlag

Ein Blick in die Raubtieraugen des Tigers Schir Khan, ein Treffen mit dem kleinen Prinzen mitten in der Wüste oder ein kleiner Plausch mit Goethes ewig leidendem Werther – all das ist Alltag für die fünfzehnjährige Amy in Mechthild Gläsers Jugendroman „Die Buchspringer“.

Amys Leben ändert sich abrupt, als ihre Mutter beschließt, auf die abgelegene schottische Insel „Stormsay“ zu reisen. Im dortigen Familienstammsitz lernt die Fünfzehnjährige ihre Großmutter kennen und wird in ein altes Familiengeheimnis eingeweiht. In einer geheimen Bibliothek, die in einen Hügel unter einer uralten Kultstätte eingegraben ist, erfährt die Schülerin aus Deutschland von der Kunst des Buchspringens, denn ihre Familie hat diese höchst exklusive Gabe. Auch zwei andere Teenager, die Geschwister Betsy und Will, nehmen an dem speziellen Ausbildungsprogramm teil, dass Mönche zwischen den zahlreichen Büchern in der unterirdischen Bibliothek anbieten.

Bekanntschaft mit Goethe und Shakespeare

Amy ist zunächst komplett skeptisch, doch als sie sich mit einem Buch auf dem Gesicht unter das alte Steintor der Kultstätte auf dem Hügel legt (und sich dabei komplett blöd vorkommt!), wird sie mit rasender Geschwindigkeit in das Buch hineingesogen und landet mitten im Dschungel. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, taucht nun auch noch ein Tiger vor ihr auf und: quatscht sie an! Zum Glück führt Amys erster Ausflug als Buchspringerin in ein Kinderbuch: Ihre Mutter hat darauf bestanden, dass das fünfzehnjährige Töchterchen mit dem „Dschungelbuch“ anfängt. Amy lernt schnell, ihr besonderes Talent zu nutzen: Sie übt, sich während der Ausflüge im Roman, in Windeseile durch die Seiten durchzublättern und vom Rand des Buches aus in eine andere Geschichte zu hüpfen. So zählen schnell die drei scheußlichen alten Hexen aus Macbeth und Goethes klagender Werther zu ihren neuen Urlaubsbekanntschaften.

Ein Dieb auf der Suche nach Weltliteratur

Doch so begeistert die junge Deutsche von ihrem schottischen Urlaub anfangs auch ist, bald bemerkt sie merkwürdige Ereignisse im adligen Familiensitz und auch in der Buchwelt. Ihre ehrwürdige Großmutter und ihre an Liebeskummer leidende Mutter schleichen nachts heimlich und auf völlig verschiedenen Pfaden durch Herrenhaus und Moor. Der junge Will weigert sich, weiter in Geschichten zu springen und am Inselstrand wird eine Leiche in altertümlicher Kleidung angespült: Meisterdetektiv Sherlock Holmes, der eigentlich in einen der Romane von Sir Arthur Conan Doyle auf immer und ewig seine Hauptrolle spielen sollte. Auch in der Buchwelt ist auf einmal der Teufel los: Ein Dieb ist unterwegs, der Ideen aus den besten Werken der Weltliteratur entwendet. So verschwindet das Kaninchen bei „Alice im Wunderland“, sodass die Romanfigur Alice nun vergeblich auf ihren Lotsen ins weltberühmte Land der Wunder wartet. Das Buch schrumpft. Beim „Kleinen Prinzen“ wird die sinngebende wunderschöne Blume verschleppt, bei Aladin die Schatzkiste geplündert. Amy und Will erkennen, dass es der Dieb auf die grundlegenden Ideen, die Rudimente der Geschichten, abgesehen hat. Gemeinsam machen sich die beiden Buchspringer auf die Jagd nach dem dreisten Bücherdieb und dem Mörder von Sherlock Holmes. Dabei erhalten sie literarische Hilfe: Tiger Schir Khan und diverse Feen sind mit von der Partie, selbst Goethes Werther entdeckt den Ritter in sich und unterstützt vor allem Amy. Doch der Ideenjäger ist dem gemischten Detektivteam immer einen Schritt voraus, die Buchwelt stürzt zunehmend ins Chaos. Als Amy bei einem Anschlag im Sommernachtstraum (dort wurde der Sommer geklaut! Rien ne va plus!) fast ums Leben kommt, wird den jungen Buchspringern klar, dass sie nicht nur für die Literatur kämpfen müssen, sondern auch um ihr eigenes Leben. Sie stellen sich der Herausforderung und geraten in einen Strudel voller abenteuerlicher Ereignisse, der sich schneller und schneller dreht.

Fazit

Ein einmaliges Buch über die Welt der Phantasie, das den Leser auf Augenhöhe mit den verschiedensten literarischen Gestalten stellt. Die in der ich-Erzählform geschriebene Story zieht den Leser von der ersten Seite an mit auf eine Reise ins Ungewisse und lässt ihn alle turbulenten Erlebnisse und phantastischen Reisen hautnah miterleben. Mechthild Gläser sorgt durch die Sprünge in die verschiedensten Werke der Weltliteratur für laufend wechselnde Erfahrungen: Wüsten, Dschungel und alte deutsche Städte können im Minutentakt angesteuert werden. Genial ist die Idee, die Romanfiguren von ihren Geschichten zu lösen und sie den Lesern als eigenständige Persönlichkeiten zu präsentieren. Mechthild Gläsers Roman „Die Buchspringer“ macht neugierig auf die Klassiker der Literaturgeschichte, die Autorin verweist daher mit einer Leseliste am Ende des Romans auf die erwähnten Werke, um die Leser selber zum Buchspringen zu motivieren! Fazit: Ein Buch wie ein Sog: Es zieht jeden Leser mit in die Weiten der riesigen Buchwelt!

Über die Autorin

Die 1986 in Essen geborene Mechthild Gläser ist berühmt für ihre Fantasy-Romane. Sie wurde bekannt durch ihre Eisenheim-Dilogie („Stadt aus Trug und Schatten“, Band 1 und „Nacht aus Rauch und Nebel, Band 2) sowie für ihren Roman „Die Buchspringer“. Mechthild Gläser lebt im Ruhrgebiet. Momentan steht ihr Jugendroman „Emma und das vergessene Buch“ auf den Bestsellerlisten -wir haben es im Lesering kürzlich vorgestellt.

Mechthild Gläser – Die Buchspringer, erschienen 2015 im Loewe Verlag, 384 Seiten, empfohlen für Jugendliche ab 12 Jahren, 9,95 Euro (als Taschenbuch)

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