Die Weihnachtszeit rückt näher, die Kaufhäuser füllen sich, Menschen sind auf der Jagt nach dem passenden Geschenk. Auch Bücher stehen nach wie vor hoch im Kurs. Wie wäre es damit, den spannungsreichen Krimi dieses Jahr durch ein wenig Revolte zu ersetzen?
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Die obligatorischen, vorweihnachtszeitlichen Geschenktipps überschwemmen ein weiteres Mal die Literatur- und Buchblogs. Ein nettes Büchlein für einen kuscheligen Winterabend ist schließlich immer eine gute Idee, klingt nett, fühlt sich heimelich an. Wie wärs aber damit, etwas weniger kuschelig und stärker herausfordernd zu schenken? Wir haben eine knappe Liste zusammengetragen, die sowohl aufregende als auch aufschlussreiche Bücher beinhaltet.
Albert Camus - "Der Mythos des Sisyphos"
Camus Essay erschien 1942 und hat eine ganze Generation nachhaltig geprägt. Von der eindringlichen und grundphilosophischen Frage danach, ob das Leben es überhaupt wert ist, gelebt zu werden, ausgehend, entwickelt Camus seinen Begriff der Absurdität. Enden tut diese Denkanstrengung in der Revolte, dessen Konzept der Philosoph in seiner späteren Essaysammlung "Der Mensch in der Revolte" verfeinert. Camus schreibt verständlich und berührend, schreibt für eine Generation, nicht für eine destillierte Elite. Seine Bücher inspirieren bis heut, und wirken hin wieder wie Balsam. Will man die philosophischen Überlegungen Camus erzählerisch ergänzen, kann auch der Roman "Der Fremde" weiterhelfen.
Didier Eribon - "Rückkehr nach Reims"
Der 2016 auf Deutsch erschienene autobiografische Bestseller Eribons, ist Gesellschaftsanalyse und Identitätssuche zugleich. Eribon stellt in seinem Buch einen Zusammenhang zwischen seiner homosexuellen Entfaltung und den kulturellen Umständen seines Herkunftsmilieus, der nordfranzösischen Provins und der dort angesiedelten Arbeiterschaft, her. Ansätze und Denkergebnisse von Philosophen wie Michel Focault, Pierre Bourdieu und Jean-Paul Sarte greift der Autor in seiner Schrift auf und entwickelte sie, mit Blick auf gegenwärtige, politische Bewegungen, weiter.
Henry David Thoreau - "Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat"
Wesentlich früher angesiedelt (erstmals abgedruckt 1849), fordert auch Henry David Thoreau zur Bildung einer eigenständigen, politischen und moralischen Position auf. Die kurze Schrift umfasst keine 40 Seiten. Thoreau fordert, sich dem positiven Recht des Staates nur dann zu beugen, wenn es mit der persönlichen, moralischen Wertung übereinstimmt. Schlag-Sätze wie: „Wenn aber das Gesetz so beschaffen ist, dass es notwendigerweise aus dir den Arm des Unrechts an einem anderen macht, dann, sage ich, brich das Gesetz." sind mit Sicherheit eine wunderbare Bereicherung unter dem Weihnachtsbaum.
Geoffroy de Lagasnerie - "Denken in einer schlechten Welt"
2018 bei Matthes & Seitz erschienen, ist "Denken in einer schlechten Welt" als eine Aufforderung zum Selber-Denken in den gegenwärtigen - nicht ganz so bequemen - Zeiten zu lesen. Der Autor, Geoffroy de Lagasnerie, beschäftigt sich hier vor allem mit Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Universitäten, und die Art und Weise der Wissensproduktion. In Zeiten, in denen Rechtspopulisten Wahlen gewinnen, Homophobie und religiöser Fanatasmis auf dem Vormarsch sind, ist es auch notwendig, sich aus der intellektuellen Komfortzone herauszubewegen.
Annie Ernaux - "Der Platz"
Und noch eine französische Autorin, noch eine sowohl autobiografische, als auch politische Geschichte. Als "Der Platz" 1983 erschien, markierte das Buch einen Einschnitt in der französischen Literatur. Die Art und Weise der hier dargelegten Selbstbetrachtung, ist auch in den Büchern Eribons, oder in "Wer hat meinen Vater umgebracht" des Autors Eduard Louis wiederzufinden. Mit Blick auf die Biografie ihres verstorbenen Vaters, analysiert Ernaux die sie früh prägenden Umstände, erzählt eine Geschichte des Aufstiegs und die damit einhergehende, ständige Angst davor, wieder abzurutschen.
Ocean Vuong - "Auf Erden sind wir kurz grandios"
Das jüngste Buch unserer Liste. Und zugleich das wohl erzählerischste. Ocean Vuong wird als neues Wunderkind der Literatur gefeiert und zeigt mit "Auf Erden sind wir kurz grandios" auf, wie es zu dieser Zuschreibung kommt. Ebenfalls autobiografisch und im hohen Maße lyrisch, schreibt Vuong einen an seine analphabetische Mutter adressierten Brief. Er erzählt von Sprachbarrieren, von der Geschichte eines Außenseiters, von seiner ersten Liebe zu einem amerikanischen Jungen. Die Sprache dieses jungen Autors ist eine hochpoetische, die nicht nur fesselt, sondern auch zum Denken anregt.
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