Am 3. Oktober startet die Verfilmung eines der bedeutendsten Werke der deutschen Nachkriegsliteratur. Regisseur Christan Schwochow hat den 1968 erschienenen Roman "Deutschstunde" von Siegfried Lenz neu verfilmt, und stellt somit erneut die Frage nach dem Widerspruch zwischen Pflichterfüllung und Verantwortung.
Am Anfang steht ein Deutsch-Aufsatz über die "Freuden der Pflicht", und ein daran scheiternder Junge namens Siggi Jepsen. Es ist Anfang der 50er Jahre, und Siggi sitzt in einer Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche. Als er ein leeres Blatt Papier abgibt, steckt der Leher ihn zur Strafe mit Stift und Papier in die Arrestzelle. Siggi beginnt zu schreiben.
Es folgt die Geschichte einer Jugend, die insbesondere unter dem Zeichen der "Pflicht" stand. Denn Siggi ist der Sohn des Dorfpolizisten Jens Ole Jepsen, den die Nationalsozialisten 1943 damit beauftragten, dem Expressionisten - und ehemaligen Jugendfreund des Beamten Jepsen - Max Ludwig Nansen ein Malverbot zu überbringen. Der Maler hofft noch, sein altbekannter Freund würde nicht so kleinlich sein, den Befehl vielleicht sogar missachten. Doch Jens Ole zweifelt nicht, und geht den Anweisungen der Nazis rigoros nach. Sohn Siggi bekommt vom Vater den Auftrag, den Maler zu bespitzeln und zu überwachen. Es beginnt ein Gewissenskonflikt. Denn Das Atelier des Malers Nansen ist für den Jungen zu einem zweiten Zuhause geworden. Doch Pflicht ist Pflicht.
Ulrich Noethen und Tobias Moretti in den Hauptrollen
Mit einem phantastischen Cast erweckt der Regisseur Christan Schwochow den Streit Zwischen blindem Gehorsam und selbstbestimmtem Handeln erneut zum Leben. Ulrich Noethen übernimmt dabei die Rolle des Polizisten Jepsen, Tobias Moretti die des Malers Nansen.
Im Kampf um die Symphatie des Jungen Siggis, entfalten sich schließlich die unterschiedlichen Weltanschauungen. Der vom Vater verlangte "blinde gehorsam" stößt bei dem Jungen auf Widerstand und Siggi versucht sich aus der Misäre zu befreien. Die sich hier regenden Kräfte, sind die Kräfte der Individualität, der Selbstbestimmung und der Emanzipation. Schwochow unterlegt den zermürbenden Zweikampf zwischen freier Kunst und rigoroser Staatsgewalt mit weiten Naturbildern, die sich den engen, muffigen Räumen entgegenstellen.
Ein Bezug zum Maler Emil Nolde, der Lenz als Vorlage für den im Roman auftauchenden Maler diente, gibt es in der Verfilmung nicht. Seit Jahren werden um diese Nachempfindung kritische Stimmen laut, da Nolde Antisemit und überzeugter Nationalsozialist war. Im Roman wird der Maler hingegen als Opfer der Nazis gezeigt, was das Bild Noldes wesentlich mitprägte und verfälschte.
Christan Schwochow legt den Finger stattdessen stärker auf die Personenkonstellationen und zeigt, wohin autoritäre Erziehung (Volkserziehung) und ein überbordendes Pflichbewusstsein führen können. Das "Deutschstunde" - ganz gleich ob Roman oder Film - gegenwärtig eine hohe Relevanz hat, ist wohl kaum zu übersehen.
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