Romeo muss sterben Romeo muss sterben - 5. Kapitel

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Romana wusste nicht wie viele Stunden oder gar Tage vergangen waren nach dem Besuch der jungen Capulet. Nur wage kann sie sich an ihren Zusammenbruch erinnern. Alles andere lag im Nebel. Immer noch geschwächt von den vergossenen Tränen und den erdrückenden Gefühlen fand sie sich in ihrem großen Bett wieder. Sie glaubte nicht das sie es mit eigener Kraft ins Bett geschafft hatte, viel mehr nahm sie an das ihr wieder ihre geliebte Amme geholfen hatte. Sie hatte Romana wieder vor dem zornigen Auge des Vaters und seiner Wut beschützt. Sie verschaffte dem geschwächtem Kind etwas Ruhe, nach dem hysterischen Anfall ihres Vaters. Auch wenn das auf lange Sicht betrachtet nur vergebene Müh' war. Er würde sie niemals akzeptieren, sie lieben oder überhaupt als Tochter ansehen. Denn diese war im Alter von zarten 3 Jahren mit der Mutter verstorben. Für ihn gab es nur Romeo.

Ihre Amme aber saß wieder liebevoll lächelnd am Fußende des Bettes ihres Schützlings und wachte über sie. Wie ihr Schutzengel oder ihre gute Fee. Nur sie sorgte sich so um Romana. Nur sie wusste wie es in dem armen Kind aussah. Ihr blieb nicht verborgen wie schwer es Romana Tag für Tag fiel den Sohn zu spielen nur um ihren Vater zufrieden zu stellen. Sie wusste auch sofort Bescheid wie es um ihren Zögling stand. Als sich das Mädchen nach dem Ball so zurück zog. Als sie sich so lange weigerte wieder in die Kleidung des Knaben zu schlüpfen. Oft schon hatte sie die Zweifels ihres Schützlings bemerkt. Wie sie sich stundenlang abwertend im großen Spiegel betrachtete. Doch bisher waren die Bedenken nie so groß, dass sie den Burschen derart verachtete. Noch nie hatte die Amme ihr Mädchen so schlimm weinen sehen wie nach dem Besuch des jungen Fräuleins. Bis zu diesem Tag gab es keinen derartigen Zusammenbruch des Kindes. Aber in diesem Augenblick wusste sie es ganz genau. Da war sich sicher war mit ihrer Romana geschehen war. Sie hatte ihr Herz an die schöne Juliet verloren. Sie erweckte in dem jungen Mädchen ganz neue Gefühle. Einzigartige Gefühle, so zart wie die Knospe einer Blume. Die Liebe zog in ihr kleines Herz. Diese Gewissheit besaß die Amme nun. Sie konnte es an der Nasenspitze von Romana ablesen. Sie war schwer verliebt in die junge Adelstochter. Nur so ein starkes Gefühl wie dieses kann aus Romana und Romeo solche erbitterten Konkurrenten machen. Kämpften sie doch beide um das Herz der reizenden Juliet. Doch es war ein unfairer Kampf den sie nicht gewinnen konnte. Denn Romeo war der Einzige der eine wirkliche Chance besaß. Nur er konnte ihr wahrhaftig den Hof machen, während Romana dabei zu sehen musste. Schließlich wusste ihre Herzdame noch immer nichts von der Existenz des Mädchens hinter der Knabenmaske.

Sie erlag dem unwiderstehlichem Charme des jungen Montague. Romana hatte es in den blauen Augen gesehen als die beiden sich das allererste Mal begegnet waren. Juliet erwählte ihn für den Tanz auf ihrer Geburtstagsfeier und schenkte ihm damit unwiderruflich ihr Herz. Sie würde sich niemals für Romana entscheiden nicht mal wenn sie die Wahl gehabt hätte. Sie hatte ihre Wahl getroffen. Sie wollte Romeo, das stand eindeutig fest. Ihm gehörte nun wirklich alles was Romana je wollte und besessen hatte. Ihm gehörte ihr Lebenund ihre Liebe. Sie war wieder der stille Geist mit leeren Händen. Zuschauer ihres Lebens. Weggesperrt in einem Körper der ihr schon lange nicht mehr gehörte. Eine gewalttätige Übernahme, inszeniert vom eigenen Vater. Unbeachtet von ihm, ungeliebt und ungenügend. Auf Ewig dazu verdammt Jemand anderes zu sein. Ein Knabe. Ein Sohn. Romeo.

Das bestätigte auch der Liebesbrief den er von Juliet erhalten hatte. Ihre Handschrift war eben so schön und elegant wie sie selbst. Aber die Worte die sie an den jungen Montague richtete ließen Romanas gebrochenes Herz noch stärker bluten. Schwor das Capulet Mädchen doch ihrem Nebenbuhler in diesen Zeilen ihre bedingungslose Liebe. Ihm! Schwarz auf weiß hielt das verletzte Mädchen nun den endgültigen Beweis in ihren zitternden Händen. Juliet hatte Romeo tatsächlich ihre Liebe geschenkt und ihm somit all das gegeben, was sie sich erhoffte, wonach sie sich sehnte und so sehr gewünscht hatte. Zu viel für die zarte und zersprungene Seele. Mehr konnte dieses gebrochene Geschöpf nicht aushalten. Sie war an ihre Grenzen gekommen und sah das Ende so nah. Dieses Schauspiel musste nun ein für alle Mal aufhören. Und so beschloss sie als Romana und nicht Romeo, Juliet in einem Brief zu antworten:

Liebste, wir fanden einander, verborgen hinter Masken. Sahst mich an, doch erblicktest jemand anderen. Blinde blaie Augen, erkannten nur den roten Vorhang. Zarte Lippen, ein gehauchter Kuss. Spührte ein Anderer und doch, entfachte es mein Feuer. Ich würde dir jeden Stern schenken, aber deine Liebe gehört der Sonne. In Gedanken bau ich Schlösser, für dich und mich, eine gemeinsame Zukunft, Liebste. Doch auf Erden dieser Realität, wird´s ein anderer in Erfüllung bringen. Denn du schwörtst auf die Liebe, aber dein Herz gehört nicht mir. Werde ich doch immer nur, in seinem Schatten wandeln. Auf ewig verborgen, getrennt von deinem Licht.

~ R.

In einem anderen Brief nahm sie schweren Herzens Abschied von ihrer geliebten Amme. Dankte ihr, dass sie ihr solch eine liebevolle Ziehmutter war. Sie beschützte und stets an ihrer Sache. Und sie bat um Vergebung. Sie schrieb sich alles von der Seele und ging. Ein letztes Mal nahm sie die Sachen ihres Konkurrenten und trug dieses viel zu vertraute Gewand. Sie hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und verhüllte so die verweinten Augen. In diesem Aufzug überreichte sie einem Dienstmädchen der Capulets den Brief für ihre Liebste ohne erkannt zu werden. Die letzten Worte für das Mädchen ihres Herzens. Der Weg hinauf zu den Klippen der Stadt kam Romana so unglaublich lang und schwer vor. Die Schritte fielen ihr schwer. Doch ihre Entschlossenheit wurde mit jedem weiteren unerschütterlich. Von diesem drastischen Vorhaben würde sie keiner mehr abbringen können. Zu sehr blutete ihre junge Seele. Zu gebrochen war das kleine Herz als das es auch nur noch einen weiteren Tag hätte schlagen können. Geschweige denn die Kraft aufbringen je wieder Romeo zu sein. Der Vater hatte zu viel von ihr verlangt. Dem viel zu jungen Mädchen ihr ganzes Leben lang so viel aufgebürdet. Ihm gab Romana eine große Mitschuld an dieser Tragödie. Nur wegen ihm traf Juliet auf Romeo. Auf den perfekten Sohn. Es war seine Schuld das sich ihre Liebste ihn den falschen Knaben verliebte. Doch das würde jetzt an diesen Klippen ein Ende nehmen. Die Zeit war gekommen.

Da stand sie nun, am Rand des Abgrunds und unweit vom Himmel. Zu ihren Füßen brachen stetig Wellen gegen die scharfen Felsen. Ihre Mutter hatte das Meer geliebt, das wusste sie aus den Erzählungen ihrer Amme. Hier oben war Romana ihr so unfassbar nah wie noch nie zuvor. Sie glaubte fast ihre Stimme in der Gischt zu hören. Als würde der Wind ihren Namen zu dem gebrochenen Mädchen tragen. Liebevoll säuselnd wie ein Gute Nacht Lied. Poseidons Sturm vereinnahmte die verlorene Seele auf den Klippen. Seine salzige Brise fuhr durch ihre kurzen Locken, wie Mutter es einst bei ihr tat. Vor einer so quälend langen Zeit. Hier oben war sie mit sich im Reinen. Romana hatte ihren Entschluss gefasst. Sie würde keinen weiteren Tag ein stummer Zuschauer sein. Nie wieder einem anderen erlauben über sie zu bestimmen, über sie zu richten oder ihr Leben zu stehlen. Nie wieder würde sie es zu lassen das dieser Knabe eins wurde mit der Frau die sie liebte! Und auch wenn sie wusste das ihr Vorhaben der Amme das Herz brechen würde, konnte sie nicht weiter machen. Ihr Vater würde sie nicht frei lassen. Zu lange musste sie seinem Sohn weichen und nun war es an der Zeit, dass er sich von ihm verabschiedete. So wie er es damals bei seiner Frau und Tochter getan hatte. Das würde sein unwiderrufliches Ende sein.



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