Marie-Christine Strohbichler: Eine andere Sorte.

Vorlesen

Mir ist soo kalt.

Vergeblich, finde keinen Halt.

Seit einer ganzen Ewigkeit -

weißt du, wann endlich ist Sommerzeit?

Kann nicht klar denken, bin innen voll leer.

Kann und will nimmer mehr.


Bin tief und noch tiefer im schlechten Boden vergraben,

wird schon keinen Einfluss haben.

Träume von reifen Zitronen voller Geschmack,

konnten nie wachsen, hätte nie die Kraft dazu gehabt.


Will doch nur voller duftender Blüten prahlen,

wie all die andern -

aber ich bin eine andre Sorte.

Ist wohl normal.

Tag für Tag – ich hab es erkannt

Bin ja uninteressant.


Die Sonne scheint, oh wie toll.

Doch ich steh im Schatten, hab die Schnauze voll.

Keiner mag meine Art,

ich dir nur eins verrat:

bin eine der schwierigen.

Will mich gewaltvoll biegen

von euch wegfliegen.


Selbst habe ich keinen Schimmer von meiner Identität -

noch nie schönen Umgang erlebt.

ohne Gefühl, ohne Wärme, einfach leer.

So ziemlich, ja ziemlich sehr.

Blut fließt keines mehr,

Bin endgültig verloren -

meine Lebensader, die ist eingefroren,

Nur noch der Stängel steht -

Funktionieren ist alles, was zählt.


Winterlich kalt und dämmerlich.

Wo der Sommer bleibt ist wunderlich.

Träum ich?

Ist das meine Realität?

Bin ich nur verwirrt?

Ja klar liegts an mir,

aber schon ists zu spät.


Gegenüber der Tannenbaum steht,

So schön groß, grün und mit allen Nadeln geschmückt

Da frage ich mich – liegts an mir? Bin ich verrückt?

Seine Pracht wird bestaunt,

Immer gut, gut gelaunt.


Aber mein Kopf hängt,

wird mir zu schwer, die Zeit drängt.

Mich, mich lässt man gern im Stich -

doch den Tannenbaum pflegt und hegt man dicht.


Es muss an mir liegen, Ich bin das Problem.

Nur meine Schwäche wird gesehen.

Die andern, die Bäume, die Tannen, die Blumen,

so bunt und strahlend,

Die, die im Sonnenlicht prahlend.

Haben keine Ängste und Sorgen.

Und Ich, keinen Plan für Morgen.

Die Tanne hat gefunden ihren Platz, ihre Bestimmung -

tausend schöne Tage gehabt, alle in Erinnerung.

Und ich kämpf ums Überleben,

mir, wird keine Liebe gegeben.


Wurzeln sind leer,

trocken und keine Nährstoffe mehr.

Kalt und wieder kalt, erfroren und vergiftet -

ich frage mich, wie lange mein Stängel noch stillsteht.


Nun stehe ich schon ein Weilchen hier -

und niemand fragt – wie gehts wohl dir?

Gedeihen kann ich nicht aber warum denn das?

Die Antwort hab ich schon parat, es liegt an mir -

du mein Kind stehst dir selbst im Weg hier.

Steh gerade und mach was Besseres aus dir!


Zitronen trage ich nicht,

liegt doch nicht am fehlenden Sonnenlicht.

Mach draus Limonade,

Reiß dich jetzt zusammen,

du willst schließlich nicht vergammeln.


Mein Kopf er ist schwer,

länger ertrage ich das nimmer mehr.

Meine Blätter sind braun, bröseln bei jeder Berührung.

Ich bin leer und knapp vor der Erfrierung.


Will alleine Kämpfen und mich ausgraben.

Doch wie bescheuert,

wie kann ich das wagen.

Die Erde voller Gift,

wie schade, dass niemand auf mich trifft.

Mich ausgräbt, mich pflegt und düngt,

sodass ich wieder auftauen könnt‘


Meine Früchte, die Zitronen werden wohl nie reif,

bin nicht fähig, bin nutzlos, bin kein Edelweiß.

Begehrt von allen, das wär ich gern,

doch lieber blieb ich unversehrt

Und glücklich im inneren Kern.


Die Wurzeln tief im schlechten Boden

die Luft so stickig und kalt,

will einfach sein zufrieden mit dem Leben bald.

Alles, was jemals jemand sieht -

sind meine Früchte und mein Glied

Grün, Gelb, Frisch und Lebendig

Bin ich lang nicht mehr -

hab keine Hoffnung, bin wohl hier verkehrt.


Nein denk nach es liegt an dir selbst -

trainier dich, werd‘ endlich „reif“.

Bist eine andre Sorte.

Keine Ahnung, wann du das begreifst.


Die Energie die mir fehlt,

das Gift in mir -

das mich täglich quält.

Aber sag mir, woran liegts?

Sag mir warum, hast es mir nie erzählt.

Alle prahlen, glänzen wie Gold

haben ganz starke Wurzeln,

voller Wärme, Liebe, immer gewollt.


Muss mir immer anhören wie unfähig ich bin,

ja bist eine andre Sorte, nimms endlich hin.

Will doch nur meiner eigenen Blüten Pracht sehen -

will sprießen, duften und nimmer mehr hier stehen.


Träumen tu ich -

Tag für Tag, Nacht für Nacht,

dass einer kommt,

mich ausgräbt aus dem Schacht,

mir zeigt den Horizont.

Limonade macht aus meinen Zitronen

und mich kann belohnen.


Ja ich weiß,

bin noch unreif.

Steh mir selbst im Weg,

muss lernen wie man dies erträgt.

Hab keine andre Wahl,

bin schließlich eine andre Sorte.


Sie stecken fest, meine Wurzeln,

so zart und kaum auszugraben.

Nein darf nicht klagen.

Werde keine Zuversicht haben.


Will kämpfen alleine,

doch der Kopf wird schwer.

Hilf mir du – verstehst es bisschen mehr

Doch die andern scheinen nichts zu kapieren

Haben keine Ahnung von Dir und Mir.


So schön wie es wär,

unsichtbar zu sein -

bin nur noch leer.

Will weiter kämpfen und geradestehen,

jeder wird mich übersehen


Kann mich keiner nachvollziehen,

von denen, die meinen zu glauben,

dass ich funktioniere und selber der Dreck bin,

der mich vergiftet schlechthin.


Für jeden vergeht der Tag, die Sonne scheint.

Doch für mich bleibt alles eingefroren,

und das Leben scheint so sinnlos zu sein.

Gib mir doch bisschen Verständnis,

bin eine andre Sorte -

gib mir doch liebevolle Worte.

Möchte nur weg von hier

Die giftige Umwelt seid leider Gottes ihr.


Die Wurzeln lassen sich nicht unbeschädigt ausgraben -

dafür werde ich später einen starken Stamm

und Wärme im Inneren tragen


Loslassen endlich von den alten Wurzeln

Worten, Mustern, von dem schlechten Boden.

Der keine Nährstoffe enthält,

Wo ich nicht gedeihen kann und mir an Früchten fehlt.

Reifen kann ich nur in der Sonne,

Grab mich aus und lass mich wachsen

Wo ich ich bin und zur Lebensfreude komme.


Bin ich nun eine andre Sorte

Und liegts an mir?

Oder ist es der Ort hier

Und der Umgang und die Worte

Mit mir?

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