Romeo muss sterben Romeo muss sterben - 4. Kapitel

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- 9 Seiten -

So vergingen weitere Tage und Wochen in denen sich die beiden trafen, er ihr vorlas und sie sich über die Bücher und deren Autoren unterhielten. Sie spielten sogar Schach, was Juliet gut beherrschte und zeichneten gemeinsam. Einmal schenkte sie ihm ein Bild auf dem er zu sehen war. Sie hatte den jungen Montague heimlich porträtiert während er mit seinen Naturzeichnungen beschäftigt gewesen war. Romana freute sich über diese Aufmerksamkeit und dieses persönliche Geschenk und doch schmerzte es sie tief das er auf dem Papier abgebildet war. So schön und mit dem Blick Juliets erschaffen. Aber sie hob das kleine Präsent unter ihrem Kopfkissen auf. Dennoch wurde es für das versteckte Mädchen mit jeder weiteren Stunde die Romeo mit ihrer Herzdame verbrachte schwerer diese Rolle zu spielen. Fand sie früh morgens kaum noch den Weg aus ihrem Bett oder gar einen vernünftigen Grund darin. Und trotzdem erwartete ihr Vater stets seinen wohlerzogenen Sohn. Seinen Jungen der niemals Fehler beging, sich nie verspätete geschweige denn ganz fehlte oder ihn bloßstellte. Nein, er hatte Romeo immer gut im Griff. Er tat stets wie ihm geheißen und das Mädchen dahinter zeigte sich kaum. Oder nur dann, wenn ihr Vater das Haus verließ. Er würde es ihr nicht noch mal durchgehen lassen, dass sie den Knaben so lange weggesperrte.

An diesem Morgen ließ er Romana durch ihre Amme mitteilen, dass sein Sohn ihn heute nicht begleiten musste. Er hatte einen wichtigen Termin außerhalb und benötigte ihn nicht. Somit erlangte Romana einen ganzen Tag für sich allein und konnten den Jungen ganz weit wegsperren. Einen Tag an dem sie sich nicht verstecken oder verkleiden brauchte. So glaubte sie es zumindest. Ihre Amme klopfte an ihre Tür und teilte ihrem Schützling mit das eine hübsche junge Dame den Burschen Romeo sehen wollte. Damit hatte sich ihr freier Tag so schnell wieder in Rauch aufgelöst wie er erschienen war.

Wehmütig ging sie als Knabe in die Wohnstube in der sein Besuch bereits auf sie wartete. Juliet lächelte wieder übers ganze Gesicht wie jedes Mal wenn sie Romeo erblickte. Diesmal war sie nicht in Begleitung ihrer Amme anzutreffen, da ihre Eltern wussten das auch in diesem Haus eine Anstandsdame sein würde. Was sie jedoch nicht wussten, Romanas Amme war anders. Sie legte viel Wert auf die Freiheit ihres Mädchens. Außerdem pflegte sie immer zu sagen, dass man in seinem eigenen Heim sich nicht fühlen sollte wie in einem Kerker. Also ließ sie ihren Schützling mit der jungen Capulet allein.

Es war eines auf dem großen Anwesen der Adelsfamilie als Knabe Zeit mit Juliet zu verbringen, aber im Reich von Romana dieses Schauspiel weiter führen zu müssen brach dem armen Mädchen fast das Herz. Nicht mal hier durfte oder konnte sie sein wer sie wirklich war. Nie durfte sie ihre Maske allen lassen. Schließlich war der Besuch hier um Romeo zu sehen und nicht sie. Das würde sie auch niemals. Sie kannte Romana ja noch nicht einmal. Und dieser Gedanken brannte sich so tief in ihren Kopf das sie am liebsten vor Schmerz geschrien hätte. Dem zarten Gesicht Juliets entgegen gebrüllte wer sie war. Stattdessen war sie wieder ganz verschwunden und Romeo der Gentleman und Liebling regierte diesen Moment. Er und das Capulet Mädchen waren vollkommen ungestört. Nie sie zwei wie am Abend ihrer Geburtstagsfeier als sie sich unter dem Sternenhimmel unterhielten. Frei von jeglichen wachsamen Blicken und lauschenden Ohren verloren sie sich wieder in ihren Gesprächen. Sie lachten und dieser melodische Klang streichelte Romanas schmerzendes Herz. Bis sie jedoch auf Romeos Mutter zu sprechen kamen. Bisher hatte er es immer geschafft dieses Thema zu umgehen oder es mit ein paar knappen Worten abzutun. Diesmal wollte Juliet allerdings mehr Details erfahren, da sie gehört hatte dass seine Mutter in dieser Stadt geboren und aufgewachsen war. Was sollte er aber darauf antworten? Konnte er ihr doch unmöglich die Wahrheit sagen. Ihr beichten das er in Wirklichkeit ein Mädchen war und ihr Vater darauf bestand das sie sich als Junge ausgab. Gestehen, das er sie die ganze Zeit über belogen hatte.

Wieder tauchten Bilder vor ihrem inneren Auge auf. Schmerzvolle Erinnerungen an die Zeit nach dem tragischen Tod der eigenen Mutter. Die drastische Verwandlung in der aus ihr Romeo wurde. Der Moment in dem ihr Vater sein Kind stolz mit „mein Sohn Romeo“ vorstellte, wann immer sie an neuen Ort zogen oder neue Leute kennenlernten.

Als hätte Juliet den inneren Kampf des jungen Mannes neben ihr bemerkt ergriff sie seine Hand und drückte sie tröstend. In diesem Moment sahen sich die beiden tief in die Augen und Romeo glaubte zum ersten Mal, dass sie nun wirklich hinter seine bröckelnde Maske blickte. Er hatte das Gefühl sie sah im direkt in die Seele und erkannte Romana darin. Doch das bildete er sich nur ein, oder? Niemand hatte je diese Scharade durchschaut. Bevor sich seine Panik, aufgeflogen zu sein, in ihm ausbreitete spürte er die weichen und zarten Lippen Juliets auf seinen. So ein sanfter Kuss der ein unerforschtes Feuer in seinem Inneren entfachte und die ungeschützte Seele Romanas verbrannte. Dieser überraschende Augenblick dauerte nur wenige Sekunden bevor die Amme in die Wohnstube platze. Sie verkündete das Juliets Vater nach ihr schicken ließ und sie nach Hause kommen sollte. Ertappt errötete das Capulet Mädchen. Eilig verließ sie das Haus der Montagues und ließ den verwirrten Romeo mit dem Geschehen zurück. Es dauerte nur wenige Atemzüge da brach das verletzte Mädchen aus seinem Versteck heraus und verbannte ihn. Innerlich hatte sie schon die ganze Zeit geweint und mit aller Kraft versucht gegen den herrschenden Knaben anzukämpfen.

Wieder einmal war er es der genau das erlebte wonach sie sich solange gesehnt hatte. Erneut war ihm die Gunst der schönen Juliet zuteil geworden. Erst der Tanz, dann die vielen gemeinsamen Stunden und nun der Kuss. Ein Kuss! Wie konnte er es wagen? Wie konnte er am Ziel ihrer Träume sein? Er hatte Juliet um den ersten Kuss gebracht und Romana diese Chance gestohlen. Zu allem Übel zwang er sie auch noch alles schweigend mit anzusehen. Gefesselt mit zu erleben wie sich ihre Lippen berührten. Sie hasste ihn! Hasste ihn mit jeder Faser ihres gerade so zerbrechlich wirkenden Körpers. Alles in ihr strebte sich dagegen je wieder er zu sein. Er war zu weit gegangen und seine Zeit war vorbei.

Er hatte ihr das Leben gestohlen. Den Vater.. Und nun würde er sich auch noch um die Liebe bringen Doch das konnte sie nicht zulassen. Waren es doch die ersten wahren Gefühle die sie für Jemanden empfand. Und das wollte sie sich um alles in der Welt nicht nehmen lassen. Nicht von ihm. Das durfte er ihr nicht auch noch stehlen. Schon gar nicht wenn sie alles mit ansehen musste ohne sich wehren zu können. Dieses Gefühl gehörte ihr. Nur Ihr! Und Romeo dürfte das niemals wieder in die Hände bekommen. Nie wieder so mit ihrem gebrechlichem Herzen spielen. Oder sie so einfach aus ihrem Leben verdrängen. All diese Wut, Trauer und unzählige weitere Gefühle brachen über dem schwachen Mädchen zusammen. Sie glaubte in diesem Strudel machtlos zu ertrinken und ihr wurde schlagartig schwarz vor Augen.


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