Denis Scheck kommentierte in der Sendung Druckfrisch vom 16. November 2025 die aktuellen SPIEGEL-Sachbuch-Bestseller. Mit scharfem Blick, lakonischem Ton und einem Gespür für das Übersehene durchwanderte er die Top 10 – zwischen Lob, Skepsis und literarischer Präzision.
10. Platz: Leo XIV. – Andreas Englisch
Scheck spricht von einer Mogelpackung. Der Band gebe sich bedeutungsschwer, bleibe aber im Ton leichtgewichtig. Viel Inszenierung, wenig Substanz. Ein Beispiel dafür, wie kirchliche Zukunftsprosa an Tiefe verliert, wenn sie sich zu nah an den eigenen Metaphern anlehnt.
9. Platz: Pompeji – Gabriel Zuchtriegel
Zuchtriegel liefert, was man selten bekommt: Antworten aus dem Alltag der Antike. Für Scheck ein erfreulicher Befund. Der Archäologe schreibt über Pompeji nicht als Mythos, sondern als Stadt. Das Buch zeigt, dass zwischen Thermen und Tavernen viel Menschliches überlebt hat.
8. Platz: Gute Nacht, Gehirn – Volker Busch
Scheck lobt den Ton: unaufgeregt, sympathisch, kenntnisreich. Busch führt durch unser Innenleben, bleibt dabei zugänglich und klug. Fantasie, Intuition, Stille – das Buch hat weniger von einem Lehrgang, mehr von einem abendlichen Spaziergang durchs Denkfeld.
7. Platz: Wenn ich eine Wolke wäre – Volker Weidermann
Scheck hält sich zurück mit Lob, aber nicht mit Skepsis. Es seien zu viele Zitate von Mascha Kaléko enthalten, als dass es ein schlechtes Buch sein könnte – und doch wünscht er sich mehr Analyse, weniger Schwärmerei. Statt einer leuchtenden Legende hätte eine konturierte Biografie gutgetan. Mehr Heine, weniger Heiligenvita.
6. Platz: Wie fühlst du dich? – Axel Hacke
Ein „Ei des Kolumbus“, sagt Scheck – und meint es anerkennend. Hacke schreibt elegant, genau, durchdacht. Sein Essay über das Innenleben in unruhigen Zeiten überzeugt durch Klarheit und Wärme. Ein Buch, das nicht erklärt, sondern einlädt, sich selbst zu befragen.
5. Platz: Auf der Sandbank der Zeit – Karl Schlögel
Scheck beschreibt dieses Buch als eine Denkbewegung. Schlögel ringt um die richtige Sprache für ein falsches System. Autokratie, Mafiastaat, Kleptokratie – am Ende landet er beim Begriff „Putinismus“. Für Scheck ist das ein notwendiger sprachlicher Kraftakt, keine Etikette, sondern Diagnose.
4. Platz: Angststillstand – Richard David Precht
Precht beklagt die Infantilisierung der Gesellschaft – Scheck nimmt ihm das ab. Es geht um mangelnde Streitkultur, um moralische Überempfindlichkeit und eine Welle der Denunziationsbereitschaft. Das Buch liest sich für Scheck als Warnung: Demokratie braucht Reibung, nicht Rührung.
3. Platz: Das Versagen – Katja Gloger & Georg Mascolo
Scheck nennt es eine überfällige Aufarbeitung deutscher Russlandpolitik. Wie konnte man Jahrzehnte auf einen Geheimdienstler vertrauen? Gloger und Mascolo analysieren ein politisches Versagen, das nicht entschuldigt, sondern dokumentiert werden will. Ein nüchternes Buch – und gerade deshalb stark.
2. Platz: Organisch – Giulia Enders
Scheck schätzt Enders’ Fähigkeit, medizinisches Wissen anschaulich zu machen. Ohne zu banalisieren, ohne Anbiederei. Sie bleibt sachlich, freundlich und genau. Das Buch erklärt nicht nur Körperfunktionen, sondern vermittelt ein Gespür für das Zusammenspiel von Wissenschaft und Alltag.
1. Platz: Wenn die Sonne untergeht – Florian Illies
Scheck spricht von Stroboskoptechnik – kurzen Kapiteln, die Details aufleuchten lassen. Illies kehrt zurück zu Thomas und Katja Mann, 1933, an die südfranzösische Mittelmeerküste. Es ist keine große Geste, sondern ein präziser Blick auf das Exil, die Familie, das Verstummen. Ein gutes Buch, sagt Scheck – ohne jedes Ausrufezeichen.
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