Aus der Not eine Tugend gemacht hat die Autorin Kristina Pongracz aus Wien: Um bei ihren Kindern auf Städtereisen echte Begeisterung zu wecken, schöpfte sie aus ihrem Wissen als Historikerin und plauderte aus dem Nähkästchen. Hautnah erfuhr die eigene Familie Details aus dem Leben von Monarchen sowie der Geschichte berühmter Bauten. Aus ihrer Erzählungen über den österreichischen Workaholic-Kaiser Franz Joseph, das spezielle Wiener Giraffen-Parfum und ein Museum mit 25 Millionen Ausstellungsstücken wurden Bücher, für deren Vermarktung sie kurzentschlossen einen eigenen Verlag gründete: den Kinderreiseführer-Verlag Lonitzberg. Lesering-Redakteurin Claudia Diana Gerlach sprach mit der vielseitigen Reisenden über deren außergewöhnliche Ideen. Dieses Interview ist zugleich der Schlusspunkt in unserer Sommer-Reihe "Kinderbücher aus Österreich und Südtirol", in der wir neue Kinderbücher, Evergreens und Schriftstellerinnen vorgestellt haben.
1. Liebe Kristina Pongracz, Du überrascht die Eltern mit Reiseführern für Kinder, in denen Du beliebte Großstädte detailliert und passend für die jungen Leser präsentierst. Wie bist Du auf die Idee gekommen, solche Ratgeberbücher zu schreiben?
Mein erster Reiseführer ist eigentlich aus Eigenbedarf entstanden: Wir waren mit unseren Kindern jedes Jahr in Venedig, und ich wollte so gern, dass sie diese tolle Stadt mit ihren vielen Besonderheiten auch verstehen lernen. Deshalb habe ich begonnen, Geschichten über Venedig zu sammeln. Und weil es natürlich auch immer wieder zu Wartezeiten gekommen ist, zum Beispiel in Lokalen oder wenn wir aufs Vaporetto warten mussten, habe ich mir auch Rätsel für die Kinder ausgedacht.
Im Lauf der Zeit ist da einiges zusammengekommen, und nach ein paar Jahren habe ich mir gedacht: Vielleicht interessiert das auch andere. – Das war der Beginn!
2. Deine Reiseführer sprühen geradezu vor Witz, Ideen, Tipps und Informationen. Nur eins bleibt im geheimnisvollen Dunkel: die Autorin selbst. Was möchtest Du von Dir und Deinem Leben erzählen?
Oh danke! – Also "im geheimnisvollen Dunkel" wollte ich eigentlich nicht bleiben, aber es stimmt schon: Ich stehe nicht so gern in der Öffentlichkeit – aber das ist ja auch nicht notwendig: Es ist ja die Stadt, um die es geht! Von mir und meinem Leben ... ich lebe mit meinem Mann, unseren zwei Kindern und drei Hühnern in Wien, bin eigentlich Historikerin und habe den tollsten Job der Welt: Recherchieren, reisen und für Kinder schreiben.
3. Bei dem Reiseführer zur Stadt Wien fällt auf, wie genau Du sowohl die Geschichte dieser Metropole im Speziellen als auch die Weltgeschichte im Allgemeinen kennst. Hat Dich das Fachgebiet "Geschichte" schon immer interessiert?
Ja, das hat es! Ich war schon immer sehr neugierig und wollte so gern alles verstehen. Also auch, warum alles so geworden ist, wie es eben ist. Ich habe dann auch Geschichte studiert, und das hilft mir jetzt natürlich sehr, die Bücher zu schreiben. Ich liebe es, zu recherchieren und hinter die Kulissen zu blicken. Es ist einfach so spannend, sich intensiv mit einer Stadt auseinanderzusetzen – und da spielt ihre Geschichte natürlich eine ganz wichtige Rolle.
4. Wie hast Du einen passenden Verlag für Deine Städteführer gefunden?
Ich habe selbst einen Verlag gegründet! Das heißt, ich habe zuerst einen Verlagskurs besucht, um herauszufinden, ob ich das wirklich will bzw. kann – und zum Glück kam das Thema Buchhaltung, vor dem ich mich ein bisschen gefürchtet habe, erst am Ende dran – da hatte ich meine Entscheidung schon getroffen. Und ich muss sagen: Für mich war es genau die richtige Entscheidung!
5. Wie waren die ersten Reaktionen, das Feedback, auf diese völlig neue Idee, Reiseführer direkt für Kinder zu schreiben?
Sehr positiv, zum Glück! Ich war aber nicht die erste, die so etwas gemacht hat. Das Venedig-Buch ist erstmals im Jahr 2011 erschienen, und damals gab es auch schon Reiseführer für Kinder. Aber natürlich noch nicht so viele wie heute, und für viele meiner damaligen Leserinnen und Leser war es wohl ihr erstes Reisebuch.
6. Wie reagieren Deine eigenen Kinder auf diese Idee? Sind sie begeisterte Mitgestalter, Tester und Ideengeber?
Am Anfang konnten sie sich gar nicht vorstellen, dass aus all unseren Venedig-Urlauben wirklich ein Buch wird. Sie haben es sehr aufregend gefunden, mir zu helfen, haben mich auf viele Ideen gebracht und hatten auch viele Verbesserungsvorschläge. Im Lauf der Zeit hat sich dann vor allem mein Sohn zu einem erbarmungslosen Kritiker entwickelt - es ist ja auch nicht einfach, einem 14-Jährigen z. B. einen "Magischen Brunnen" schmackhaft zu machen. Ich muss noch immer lachen, wenn ich an die Situation denke!
Und um ganz ehrlich zu sein, waren meine Kinder auch immer wieder mal genervt und fanden es mühsam, dass ich immer so genau wissen wollte, wie ihnen die einzelnen Sehenswürdigkeiten gefallen, was sie jeweils am interessantesten finden, und ob jetzt die eine oder die andere Sehenswürdigkeit spannender ist. Meine Tochter hat erst vor Kurzem wieder erzählt, dass sie noch heute traumatisiert ist, weil sie zu ihren Freundinnen seitenweise Witze mitnehmen musste, die sie dann gemeinsam bewerten sollten. (Ich muss schon wieder lachen ...)
In der Zwischenzeit sind die beiden dem Alter meiner Zielgruppe entwachsen, deshalb müssen jetzt die Kinder von Freunden als Testkinder herhalten - und die kann ich natürlich nicht so löchern. (Außerdem habe ich inzwischen natürlich viel mehr Erfahrung.)
7. Wo und wann planst und schreibst Du Deine Bücher? Direkt auf den Reisen, in den Pausen während der Städtetouren, in aller Ruhe zu Hause oder teils, teils?
Das hängt ganz vom Schreibstadium ab: Zuerst lese ich zu Hause mal alles über die Stadt, was ich in die Finger bekomme – dabei entstehen erste Ideen und ich frage mich natürlich immer, was davon auch wirklich für Kinder interessant ist. Dann fahre ich mit diesen Notizen in die Stadt und schaue, ob meine Ideen auch gut in die Praxis umsetzbar sind. Änderungen und neue Ideen arbeite ich gleich ein. Danach geht es wieder zurück nach Hause, dort kann ich in Ruhe alles nachbearbeiten und Neues recherchieren. Und dann fahre ich wieder in die Stadt. – Das wiederholt sich ein paar Mal, bis ich mit dem Buch wirklich zufrieden bin.
8. Welche der vorgestellten Städte hat Dir bzw. Deiner Familie am besten gefallen? Oder ist das bei allen verschieden?
Also Wien steht außer Konkurrenz, das ist ja meine Heimatstadt. Aber abgesehen davon ist Venedig meine Lieblingsstadt: keine Autos und Straßen, stattdessen Boote und Kanäle. Und dann die wunderschönen Paläste! Dabei ist alles überschaubar und zu Fuß erreichbar – und trotzdem kann man immer wieder etwas Neues entdecken. Ich glaube, meine Familie sieht das genauso. Aber die anderen Städte sind natürlich auch sehr spannend - sonst hätte ich sie mir nicht ausgesucht!
9. Auf welche neuen Stadt-Vorstellungen dürfen wir als Nächstes gespannt sein?
Meine nächsten Ziele sind Paris und Amsterdam. Eigentlich fände ich auch Lissabon total interessant, aber in Zeiten des Klimawandels, der mich natürlich auch immer mehr beschäftigt, möchte ich lieber über Städte schreiben, die man auch gut mit der Bahn erreichen kann.
Liebe Kristina Pongracz, wir bedanken uns ganz herzlich für dieses Interview!
Hier geht es zur Rezension des Kinderreiseführers Wien:/Kaiser-Pestsaule-und-Giraffen-Hype-Kinderbucher-aus-Osterreich-Reisefuhrer-Wien-fur-Dich/
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