Der Auftakt der 45. Tage der deutschsprachigen Literatur liegt hinter uns. Nachdem am Eröffnungsabend die Lesereihenfolge per Los ermittelt wurde, lasen gestern die ersten fünf AutorInnen ihre Texte. Wie verlief der Auftakt? Und sind bereits FavoritInnen auszumachen?
Gestern begann das Wettlesen um den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis 2021. Bereits dieser erste Lesetag machte deutlich, wie heftig die Meinungen der Jurymitglieder auseinandergehen und aneinandergeraten können. Unterhaltsam war dieser Auftakt in jedem Fall. Philipp Tingler, der bereits im vergangen Jahr durch seine oft rigorosen Textkritiken aufgefallen ist, tut sich auch in diesem Jahr als jemand hervor, der Probleme lieber klar benennt, als in der fünften Ableitung auf irgendeiner Metaebene passagenhaft Geglücktes zu finden. Auch Mara Delius, die gemeinsam mit Vea Kaiser in diesem Jahr neu hinzugekommen ist, reiht sich hier ein und fällt mit klaren und scharfen Analysen auf.
Diese AutorInnen machten Gestern den Auftakt
-
Julia Weber - "Ruth" (auf Einladung von Julia Weber)
- Heike Geißler - "Die Woche" (auf Einladung von Insa Wilke)
-
Necati Öziri - „Morgen wache ich auf und dann beginnt das Leben“ (auf Einladung von Insa Wilke)
-
Magda Woitzuck - „Die andere Frau“ (auf Einladung von Vea Kaiser)
-
Katharina J. Ferner - „1709,54 Kilometer“ (auf Einladung von Brigitte Schwens-Harrant)
"Was soll das?" - Großes Lob und harte Kritik
Recht große Zustimmung erhielt der Text "Morgen wache ich auf und dann beginnt das Leben" von Necati Öziri. Vea Kaiser eröffnete die Diskussion und sprach sogleich mit großer Begeisterung von einem Text, der rasant loslegte und die Leser nicht mehr los lasse. Michael Wiederstein schloss sich an und sagte, der Text produziere großartige Bilder. Beide lobten die szenische Lesung. Auch Klaus Kastberger zeigte sich begeistert, und sah in dem Text eine Art Verkehrung des Briefes an den Vater von Franz Kafka. Nur Philipp Tingler übte Kritik an den Text. Er betont eine Unverhältnismäßigkeit zwischen äußerer Handlung und innerem Geschehen. Äußerlich, so Tingler, passiere hier viel, der Text scheitere jedoch daran, diese Geschehnisse in der inneren Entwicklung des Ichs zu spiegeln. Dennoch ging mit Necati Öziri ein erster Favorit ins Rennen.
Eine heftige Diskussion entfachte der letzte Text es Tages, „1709,54 Kilometer“ von Katharina J. Ferner. Mara Delius startete die Diskussion mit der einfachen Frage danach, ob ihr irgendjemand der Anwesenden erklären könne, wer in diesem Text das "Wir" bzw. das "Ich" ist; für wen hier also geschrieben wurde. Auch Vea Kaiser zeigte sich diesbezüglich ratlos. Philipp Tingler schloss sich mit zwei ebenso kritischen wie einfachen Fragen an: "Was soll das?" und "Muss man schreiben, nur weil man die technischen Möglichkeiten dazu hat?" Brigitte Schwens-Harrant, auf deren Einladung Ferner las, sagte, sie sei glücklich darüber, dass dieser Text als letzter gelesen wurde. Sie überzeugte die Verspieltheit des Textes. Politik, Feminismus, Klimabewegung etc tauchten hier als einzelne Splitter auf, die dem Leser entgegengeworfen werden würden. Eine Botschaft aber, bleibe auch für sie aus. Dieses Ausbleiben wiederum griff Vea Kaiser auf: Sie mache sich wirklich große Sorgen um die Literatur, wenn gute Literatur daran auszumachen sei, dass sie keine Botschaft habe.
Die Wichtigsten Links zum Ingeborg-Bachmann-Preis 2021
-
Hier können Sie den Live-Stream der 45. Tage der deutschsprachigen Literatur mitverfolgen, sowie alle Videobeiträge nachschauen.
- Hier gelangen sie zu den Autorenseiten
- Hier gelangen sie zu den bereits gelesenen Texten
Topnews
Das Geburtstagskind im September: Roald Dahl – Der Kinderschreck mit Engelszunge
Ein Geburtstagskind im August: Johann Wolfgang von Goethe
Hans Fallada – Chronist der kleinen Leute und der inneren Kämpfe
Ein Geburtstagskind im Juni: Bertha von Suttner – Die Unbequeme mit der Feder
Ein Geburtstagskind im Mai: Johannes R. Becher
Ein Geburtstagskind im April: Stefan Heym
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
Jenny Erpenbeck gewinnt Internationalen Booker-Preis 2024
Karl Ove Knausgård: Das dritte Königreich
Ingeborg-Bachmann-Preis 2021: Diese AutorInnen lesen in diesem Jahr
Nava Ebrahimi erhält Ingeborg-Bachmann-Preis 2021
"Fakten, Fakes, Fiktionen": Das Literatur Festival "Lit:potsdam"
Buchhandlungen feiern ihre Unabhängigkeit
Anthologie „365 Tage Frieden“ – Stimmen gegen die Sprachlosigkeit
Literatur im Rampenlicht: ARD, ZDF und 3sat setzen auf Buchmesse-Glamour
„Eine neue Poetik der Natur“ – Oswald Egger erhält den Georg-Büchner-Preis 2024
Luisa Neubauer, Denis Scheck, Joachim Meyerhoff und Wolf Haas: Die Highlights der "lit.RUHR 2022"
Das "Textland Literaturfestival": Lesungen und Gespräche zum Thema "Macht"
Hans-Fallada-Tage in Carwitz starten
"Sprühende Kreativität": Spanien als Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse
Der erste Lesetag in Klagenfurt: "Wo beginne ich zu erzählen?"
Friedrich Christian Delius
Österreich startet das "Jahr der österreichischen Literatur"
"Zukunftsmusik" von Katerina Poladjan auf Platz 1 der SWR-Bestenliste
Aktuelles
Welcome Home – Du liebst dein neues Zuhause. Hier bist du sicher. Oder? von Arno Strobel – Wo Sicherheit endet und Paranoia anfängt
Sven Regener wird Mainzer Stadtschreiber 2026
Tucholsky – Mit 5 PS: Fast 100 Jahre Literatur auf Störgeräusch
Percival Everett – Dr. No
"Umbenannt"
Die Himmelsreisen des Träumers
Vea Kaiser: Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels
Das Jahr im Rückspiegel – was Literatur uns über das Vergessen lehrt
Tolstoi: Krieg und Frieden
Falling Like Leaves von Misty Wilson – Herbstluft, Herzklopfen, Heimkehr