Es war ein langer Weg, den Daniele Kriens Roman Die Liebe im Ernstfall da hinter sich bringen musste. Im Februar stieg das Buch auf Platz 15 ein, jetzt führt es die Spiegel-Bestsellerliste im Bereich Hardcover-Belletristik an. Krien porträtiert hier fünf unterschiedliche Liebes- und Lebensgeschichten; und mit ihnen die Probleme des Wählens.
Daniele Krien auf Platz 1 der Bestsellerliste im Juli - Ein Blick ins Buch
Im Mittelpunkt dieses Romans steht eine Frage, die seit Menschengedenken immer wieder gestellt wurde, nun aber zunehmend dringlicher zu werden scheint; die Frage: "Wie möchte ich leben?" War diese Frage lange Zeit nicht viel mehr als eine Satz gewordene Wunschvorstellung, "Wie wäre es wenn..." beschreibt sie gegenwärtig immer auch die tatsächliche Möglichkeit. Ab- und Umbrüche durchziehen das Liebesleben, Jobwechsel sind an der Tagesordnung, Studienabbrüche gehören fast schon zum guten Ton, auf der Suche nach der, nun ja, passenden Zukunft. Eine weitere, existenzielle Entscheidung verlangt die Frage "Karriere oder Kinder", welche, aus der Perspektive der Frau, in dieser Art keine hundert Jahre alt ist. Für Männer stellte sie sich selten bis nie.
Das jene Fragen oft zum zentralen Thema diverser Romane gemacht werden, ist also nicht verwunderlich. Schließlich gibt es keine Universalantworten, die ein Glücklich-Sein versichern können. Wie verlassen und mit quälenden Zweifeln belegt durch das Leben zu geistern, ist zu einem nachvollziehbaren Lebensgefühl geworden; die Angst vor Entgültigkeit versteckt sich in jeder von uns verlangten Entscheidung.
Fünf Geschichten über das Problem Wahl
So treffen wir auch in Daniela Kriens neustem Buch Die Liebe im Ernstfall auf solcherlei Fragen und Ängste. Der Roman erzählt von den Lebensgeschichten fünf unterschiedlicher Frauen - Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde - die allesamt in Beziehung zueinander stehen. Die Einzelporträts, mit denen uns die Autorin dabei konfrontiert, können mal als Problemdarstellungen, mal als Lösungsvorschläge gelesen werden. Am Ende der Lektüre stehen wir vor einem zersprengten Mosaik, gefordert, jedenfalls eine frohe Zukunft zusammenzulegen.
Da ist die Ärztin Judith, die sich, als scheinbar perfekter Single, in pedantische Selbstorganisation flüchtet. Sie hat eine Affäre mit dem verheirateten Hans, klickt und switcht sich durch Dating-Plattformen, versucht so die große Liebe zu finden, als könne man auch diese organisieren. Ihr gegenüberstellen könnte man Brida, die nicht nur Schriftstellerin, sondern, als Mutter und Frau, auch Teil einer Familie ist. Wo die Ärztin Judith vom Wählen quantitv überfordert ist, ist es Brida qualitiv: Schreibt sie, vernachlässigt sie Mann und Kinder; kümmert sie sich um Mann und Kinder, bleibt nicht genügend Zeit zum schreiben. Als sich ihr Mann mit einer neuen Liebhaberin einlässt, überkommen Brida heftige Eifersuchtsatacken, und alles gerät aus den Fugen. Später wird sie diese Erfahrungen in einem Roman einfließen lassen.
Liebes-Entscheidungen im Ernstfall
Die fünf Geschichten in diesem Buch, die ineinander verschränkt und aufeinander aufbauend sind, stellen die Protagonistinnen in unterschiedlicher Weise vor schweren Entscheidungen, die allesamt Liebes-Entscheidungen im Ernstfall sind. Sie durchqueren regelrecht einen Jungle aus besserwissenden Männern, die fremdgehen, Hoheit beanspruchen, und unreflektiert handeln. Oft bleibt den Frauen die Wahl zwischen Pest und Cholera, und dazwischen ein fingerbreiter Spalt für die Wunschvorstellungen.
Wollte man aus dem Roman ein Plädoyer herauslesen, so müsste es wohl lauten, dass eine heile Beziehung unter den gegebenen Umständen auf Dauer nicht möglich ist. Spätestens im Ernstfall zerbricht die groß versprochene Liebe, werden Auf-Ewig-Versprechungen kurzerhand zurückgezogen, und Beteuerungen vergessen. Das dabei ausgerechnet die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit des Wählens die Hauptrolle spielt, ist eine interessante Pointe, über die es sich nachzudenken lohnt.
Daniele Krien - Die Liebe im Ernstfall, Diogenes Verlag, 2019, 288 Seiten, 22 Euro
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