Im Wochenmagazin des deutschen Buchhandels, dem Börsenblatt, ist vor kurzem ein interessantes Schreiben erschienen. Es handelt sich um einen von BuchhändlerInnen unterzeichneten Brief, in dem der Autor Takis Würger und dessen umstrittener Roman"Stella"verteidigt werden. Insbesondere wird dabei auf einen, aus Sicht der BuchhändlerInnen, fehlerhaften Umgang mit Literatur aufmerksam gemacht; also: Kritik an die Kritik geübt. Weils so symptomatisch ist: Eklat um Stella, Teil zwei.
Takis Würger: "Stella" - Abgas, Drogen, Geld, Macht, Prostitution, Stella, Stella, Stella
Ein weiterer Beitrag, der in die unendlichen Weiten der KrikerInnen-Kritik-Kritiken geschossen wird. Und wieder Takis Würger, wieder "Stella", dieser Roman, von dem man ja vielleicht auch annehmen könnte (weitaus früher bereits hätte annehmen können), er wollte ebensolche KritekerInnen-Kritik-Kritiken ganz bewusst evozieren. Und gerade wo das feuilletonistische Feuer nun beinahe verschossen, sich der Eklat langsam zu legen schien, melden sich - Überraschung! - die BuchhändlerInnen zu Wort. Wieder rein ins Getümmel! Ein Kampf für den Verkauf! Darum geht es nämlich - Kunst und Kultur hin und her - tatsächlich in diesem Fall. Ein jüngst erschienener Brief zeigt dies in aller Deutlichkeit.
Ein falscher Umgang mit Literatur
Hier sind die UnterzeichnerInnen der Meinung, "dass die Kritiker für sich beanspruchen, die Lufthoheit darüber zu haben", wie über was geschrieben werden darf. Zwei Sätze später heißt es dann: "Dieser Umgang mit Literatur verbietet sich.", was bedeutet: Keine Lufthoheit für euch, da ihr, Kraft dieser, Verbote aussprecht. Und das verbietet sich. Ein Verbot des Verbietens also, ein Paradoxon, welches weh tut, und dessen Schmerz nur durch massenhaft in die Buchhandlungen strömende KäuferInnen gelindert werden kann. Ein traumhaftes Kalkül, welches - sagen wir es schlicht - nicht nur innerhalb des Literaturbetriebes alamierend ist. Eine Twitter-Mentalität, ein Populismus, denn: das Paradoxon klickt sich gut. Natürlich: Das war schon immer so, muss deshalb allerdings nicht unkommentiert bleiben. Die UntzerzeichnerInnen des Briefes wissen dies ganz genau, wenn sie schreiben: "Zugleich, so scheint es, befinden sich die KritikerInnen längst in einem Überbietungswettstreit, denn nur der noch schärfere, noch überzogenere Beitrag wird gelesen." Challenge accepted: Abgas, Drogen, Geld, Macht, Prostitution, Stella, Stella, Stella.
Doch weder Takis Würger, noch den feuilletonistischen Kritiken, und auch nicht den UnterzeichnerInnen des Briefes kann das methodische Ins-Netz-Hineingleiten vorgeworfen werden (zumal der Vorwurf ja ebenso methodisch ins Netz gleitet). Wir alle sind versucht, den Aufschrei des anderen zu übertönen, da der lauteste Schrei noch immer die größte Aufmerksamkeit sichert. Bei wem eigentlich? Beim guten alten stumpf gemachten Leser, dessen Gesicht man quasi in die Buchseiten hineindrücken muss, wenn da überhaupt noch was passieren soll. Das kann Kulturpessimismus genannt werden. Das ist gut. Dann hat man ein passendes Wort zum Problem, und kann beruhigt weiter versuchen -noch lauter - zu schreien. Auch kann man sich fragen, wie laut man eigentlich schreien muss, um ein Buch in die Mitte einer Leserschaft zu katapultieren, die Sebastian Fitzek als "Thriller-König" feiert.
Hoffnungsvolle Zukunft
Im Brief heißt es, man hätte Angst darum, dass sich die "Generation der Nachgeborenen kaum mehr schreibend an die Themen Nationalsozialismus und Shoa herantrauen wird". So schonungslos sei die Kritik mit dem Autor, Takis Würger, und seinem Buch umgegangen. Da die Thematik des Nationalsozialismus aber auch zukünftig bearbeitet werden müsse, stelle man sich hier an die Seite des Autors Takis Würger, empfehle und präsentiere diesen weiter, auch mit dem Ziel, einen Diskurs aufrechtzuerhalten, von dessen Notwendigkeit man - nehme ich an - überzeugt sei.
Also gut, was das Aufrechterhalten eines solchen Diskurses anbelangt, da fallen mir einige wunderbare Bücher ein, die ich gern neu auf- und in Szene gesetzt sehen würde. Was die zukünfige Generation betrifft, so fürchte ich, dass diese weitsichtig genug sein wird, um zu verstehen, dass gerade das gegenseitige Zerfleischen ebensolcher KritikerInnen-Kritik-Kritiken verkaufsfördernd ist. Gehen wir mit gutem Beispiel voran.
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