Ein Buch, das mit jedem Satz atmet – Leben, Zeit und diese feine Mischung aus Melancholie und einem fast verschmitzten Augenzwinkern. Peter Handkes Schnee von gestern, Schnee von morgen ist kein Buch, das sich schnell erschließt oder gar eilig konsumieren lässt. Es verlangt, dass man sich hineinfallen lässt. Ein Werk für jene, die bereit sind, das Tempo der Sprache und die Pausen der Gedanken mitzugehen.
Erschienen ist das Buch am 13.01.2025 bei Suhrkamp.
Worum geht es?
Handke nimmt uns mit in eine Welt, die von Schnee und Zeit durchzogen ist. Es geht um Erinnerungen, um vergangene und zukünftige Tage, die sich wie der Schnee immer wieder neu legen und doch nie bleiben. Der Erzähler streift durch verschneite Landschaften, denkt an Begegnungen, die schon lange zurückliegen, und taucht in die Bilder und Geräusche der Natur ein.
Das klingt ruhig? Ist es auch. Doch gerade in dieser Ruhe liegt die Kraft. Handke erzählt nicht linear, sondern lässt uns fragmentarisch durch Erinnerungen und Momente wandern. Wie der Titel schon sagt: Der Schnee von gestern ist längst geschmolzen, aber der von morgen wird bald fallen – alles ist im Fluss, und Handke fängt diesen Zustand in einer Sprache ein, die genauso fließt. (Leseprobe)
„Ach, du liebe Zeit …“
Mit Zeilen wie „Ach, du liebe Zeit, ach, du liebe Zeit, keiner hat mehr für die Liebe Zeit“ (aus: Schnee von gestern, Schnee von morgen, Handke) wirft Handke kleine, fast beiläufig wirkende Einsichten in den Raum, die lange nachklingen. Es sind keine großen Thesen, sondern stille Beobachtungen, die sich ins Gedächtnis graben.
Und genau so funktioniert das ganze Buch. Es gibt keinen Plot, keine klaren Antworten, sondern Bilder, Gedanken und Worte, die ihren eigenen Weg zu den Lesern finden.
Warum lesen?
Schnee von gestern, Schnee von morgen ist ein Buch, das nicht jeden Leser abholt – und auch nicht will. Es spricht Menschen an, die bereit sind, sich treiben zu lassen. Die Freude daran haben, in der Schönheit der Sprache und der Tiefe des Alltäglichen zu versinken.
Handkes Sprache ist dabei nie schwer. Sie ist leicht, fast spielerisch, auch wenn sie oft den großen Themen gilt: Zeit, Vergänglichkeit, Erinnerung. Es gibt keinen Druck, alles zu verstehen. Die Zeilen laden ein, sich zurückzulehnen, den Moment zu genießen – oder auch nur eine Seite stehen zu lassen, um sie später noch einmal zu lesen.
Ein poetischer Spaziergang
Dieses Buch fühlt sich an wie ein Winterspaziergang: still, klar, manchmal kalt und doch voller Leben. Es ist eine Erinnerung daran, wie wenig es braucht, um die Essenz von Zeit und Dasein zu fassen. Handkes Schnee von gestern, Schnee von morgen ist kein Werk für die Eile, sondern eines für Gelassenheit, für Leser, die sich trauen, der Sprache zuzuhören.
Der Autor:
Peter Handke, geboren am 6. Dezember 1942 in Griffen, Kärnten, ist eine der prägendsten Stimmen der deutschsprachigen Literatur. Seine Herkunft – slowenische Wurzeln mütterlicherseits, ein Vater deutscher Herkunft – und die Landschaft Kärntens ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Werk. Nach einem abgebrochenen Jurastudium in Graz veröffentlichte er 1966 seinen ersten Roman Die Hornissen und das legendäre Theaterstück Publikumsbeschimpfung, das ihn schlagartig bekannt machte.
Handkes Werk umfasst Romane, Essays, Theaterstücke, Gedichte und Drehbücher – mehr als 30 Bücher und zahlreiche Übersetzungen gehören zu seinem Oeuvre. Seine Themen: die Suche nach Identität, das Spannungsfeld zwischen Sprache und Wirklichkeit, die Schönheit des Alltäglichen und die Grenzen menschlicher Erfahrung. Immer wieder steht das Gehen, die Bewegung, als zentrale Metapher im Vordergrund.
Für sein literarisches Schaffen wurde Handke vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Literaturnobelpreis 2019. Doch der Autor polarisiert: Seine politischen Äußerungen, insbesondere zum Jugoslawienkrieg, brachten ihm ebenso Kritik wie Bewunderung ein. Peter Handke bleibt ein Suchender, ein Chronist der kleinen Momente und der großen Fragen, dessen Werke herausfordern, verzaubern und anregen, die Welt neu zu sehen.
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