Buchtipp Lemmy Kilmister: White Line Fever Lemmy, Sex & Rock´n´Roll

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Mit "White Line Fever" hat der im Dezember vergangenen Jahres verstorbene Motörhead-Frontmann bereits 2002 seine Autobiografie vorgelegt. Und die lohnt sich nicht nur für Fans.

Foto: Heyne

Der Tod von Lemmy Kilmister am 28. Dezember 2015 schlug wie eine Bombe in der Musikszene ein: Der Bandleader von Motörhead, der so viele Saufgelage, Tourneen und Drogenexzesse überlebt hatte, galt selbst im Alter von 70 Jahren als unsterblich.

So beschreibt Lemmy Kilmister mit Hilfe seiner Co-Autorin Janiss Garza seinen Einstieg in die Musikszene, die im Wesentlichen einem Beweggrund geschuldet war: Kilmister erkannte bereits in der Schule, dass die Gitarristen diejenigen sind, um die sich die Mädchen scharen. Ohne auch nur eine einzige Note lesen zu können, brachte sich der Brite das Gitarrespielen selbst bei und geriet schnell in die quirlige Rockszene der 60er Jahre, die im Wesentlichen aus kaputten Typen ohne echten festen Wohnsitz bestand. So übernachtete Kilmister auf dem Sofa von Ron Woods Mutter, soff mit Weltstars in spe und machte insbesondere bei Frauen den Status als Gitarrist geltend.

"Es war eine jener Zeiten der Unschuld. Noch hatte niemand angefangen zu sterben."

Nachdem Lemmy Kilmister bei der Band Hawkwind rausgeflogen war, gründete er schließlich aus der Not heraus die Band Motörhead, inspiriert durch den letzten Song, den er für diese Gruppe geschrieben hatte.

Schließlich führt Kilmister den Leser in die wilde Welt des Rock´n´Roll ein: Parties, Gigs und Drogenexzesse wechseln sich in sich überschlagender Geschwindigkeit ab, so dass er selbst zugeben musste, sich an nicht mehr allzuviel zu erinnern. O-Ton: "Vieles aus den nächsten paar Jahren ist total verschwommen. Das sind die Folgen eines erfolgreichen Rockstarlebens!"

Doch gerade die Zeit des Aufstiegs und die Zeit der 60er und frühen 70er Jahre strahlt einen unwiderstehlichen Charme aus. "Es war eine jener Zeiten der Unschuld", schrieb Lemmy Kilmister. "Noch hatte niemand angefangen zu sterben."

So wurde er Zeuge von Auftritten legendärer Bands wie den Beatles und beschreibt Begegnungen mit Stars wie den Hollies oder Alice Cooper.

Dabei wurde die Verletzungsgefahr der Rockstars mit der Zeit enorm groß: Kaum ein Kapitel, in dem nicht irgendwer von der Bühne fällt, im Drogenrausch Schlägereien anfängt oder sich schlichtweg mit Heroin zu Tode spritzt. Wenn ein Gig ausfiel, dann meist, weil eines der Bandmitglieder zu sehr zugedröhnt war, um auf der Bühne gerade stehen zu können. Andererseits gewinnt man mit zunehmender Lektüre den Eindruck, dass mit Motörhead vergleichbare Auftritte ohnehin nur mit einem gewissen Pegel durchführbar sind.

"Sex ist der größte Spaß, den man haben kann, ohne zu lachen"

Dass Kilmister nicht selbst zum Drogenopfer wurde, schob er auf einen eisernen Grundsatz: Er hatte immer nur Amphetamine genommen, aber nie Heroin. Seine zweite Liebe galt dem Whiskey. "In meiner Tasche eine Flasche Jack Daniels - wirkt immer noch Wunder beim Nüchternwerden", gab der Motörhead-Chef zum Besten.

Und doch bleibt viel Raum für besondere Erinnerungen. So lässt der Kilmister hinter die Entstehung des Logos blicken und führt hinter die Kulissen von legendären Albenproduktionen wie "Ace of Spades" oder "1916" . Er beschreibt skurrile Szenen etwa bei der Grammy-Verleihung, als er mit Patronengurt und Lederhut, der Rest der bei Lemmys Anblick befremdlich schauenden Gäste aber im Smoking erschien. Oder er resümiert über Motörheads erste mechanische Bühnenaufbauten. War eine Nachbildung eines deutschen Bombers noch ein großer Erfolg für den Bühnenbauer gewesen, wollte sich der Technik-Freak mit der eisernen Faust der "Iron Fist"-Tour oder der Motörhead-Zug der "Orgasmatron"-Tournee selbst übertreffen und scheiterte kläglich.

Viel Platz für Romantik blieb dem Rockstar allerdings nie. Liebe bleibt Andeutung, Sex steht im Vordergrund. "Eine Beziehung zu haben ist tödlich für die Beziehung - verstehen Sie", gab Lemmy Kilmister zu Protokoll. Und: "Sex ist der größte Spaß, den man haben kann, ohne zu lachen."

Wer über den unerwarteten Tod von Lemmy Kilmister im Dezember 2015 überrascht war, wird sich bei der Lektüre von "White Line Fever" noch mehr wundern. Tatsächlich waren zahlreiche Weggefährten noch viel früher gestorben. Todesursache: Rock´n´Roll.

Fazit: "White Line Fever" ist ungemein spannend für Musik- und Metalfreaks im Allgemeinen und für Motörhead-Fans im Speziellen. Besonders faszinierend ist aber, wie stoisch Lemmy Kilmister von bizarren Vorkommnissen berichtet und daraus dann seine Rock´n´Roll-Lebensweisheiten zieht. Zwar nimmt Kilmister bei der Beurteilung anderer Musiker kein Blatt vor den Mund. Die eigentliche Wurzel allen Übels ist jedoch schnell ausgemacht. Sowie sich im Buch des Briten Kraftausdrücke häufen, ist garantiert von der Plattenindustrie die Rede. "White Line Fever" ist eine Tour de Force, die einfach Spaß macht - nicht zuletzt wegen des launigen Plaudertons von Kilmister, den Co-Autorin Janiss Garza vortrefflich eingefangen hat.

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