Grimms Märchen – Zuckerwatte, Wolfsgeheul und ganz viel „Noch eins!“

Vorlesen

Wer Grimms Märchen sagt, meint Abenteuerglück im Doppelpack: Gänsehaut und Geborgenheit. „Das große Märchenbuch zum Vorlesen und Anschauen“ vereint genau das – die beliebtesten Grimm-Stoffe in kindgerechten Nacherzählungen (Adaption: Ulrike Sauerhöfer, Sylvia Tress) und mit farbigen Illustrationen von Anne Hofmann. Das Buch will Familienabende retten, Kita-Kreise verzaubern und Grundschulklassen ins Staunen versetzen. Ob das gelingt? Ja – wenn man weiß, wie man diese Klassiker heute vorliest: mit Humor, mit Herz und mit kleinen Sicherheitsgeländern für sensible Stellen. Diese Rezension liefert Inhalt, Einordnung und praktische Vorlese-Hacks, damit das Märchenfeuer wirklich lodert.

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Grimms Märchen: Das große Märchenbuch zum Vorlesen und Anschauen

Inhaltsangabe – Was drin steckt und wie es sich liest

Es handelt sich um eine kuratierte Märchensammlung: kurze bis mittellange Fassungen der großen Namen – etwa „Rotkäppchen“, „Hänsel und Gretel“, „Schneewittchen“, „Dornröschen“, „Der Froschkönig“, „Rumpelstilzchen“, „Die Bremer Stadtmusikanten“ u. a. Die Adaptionen sind auf Vorlesefluss getrimmt: klare Sätze, gut platzierte Absätze, eine Dramaturgie, die nach 8–15 Minuten (je nach Geschichte und Vorlesetempo) satt macht.

Die Illustrationen spielen nicht „drüber“, sondern führen: Sie markieren Szenenwechsel, entspannen dunkle Momente, setzen visuelle Anker (Krone, roter Umhang, Brotkrümel, Spinnrad). So können schon Vorschulkinder dem Plot folgen, während ältere Kinder Details entdecken (Blicke, Gesten, kleine Nebenfiguren im Bildhintergrund). Der Gesamtton: freundlich-klassisch, ohne Kitschüberladung – Märchenhaftigkeit ja, Zuckerguss nein.

Wichtig zu wissen: Die Sammlung bietet bearbeitete Grimm-Texte, keine wissenschaftlich ungekürzten Originale. Für das Vorlesen ist das gut: Der Rhythmus sitzt, archaische Wendungen wurden entschärft, Gewaltspitzen abgefedert. Wer Purismus sucht, greift zusätzlich zur Originalausgabe; für Familienalltag und Schule sind die Nacherzählungen hier die stressfreie Lösung.

Warum diese Geschichten seit 200 Jahren funktionieren

  • Prüfungen & Verwandlung: Kinder werden zu Helden, Tiere zu Verbündeten, die Welt zum Labyrinth – am Ende steht Wandlung.

  • Gerechtigkeit & Maß: Übeltäter scheitern an ihrer Maßlosigkeit (Habsucht, Neid, Hochmut); Tugenden wie Mut, Klugheit, Zusammenhalt werden belohnt.

  • Angst im sicheren Rahmen: Hexe, Wolf, Räuberbande – das ist dosierte Furcht. In Bildern übersetzt und sprachlich gezähmt, darf Angst unter Aufsicht passieren – und macht stark.

  • Symbolsprache: Wald = Unbekanntes, Haus = Schutz, Weg = Entscheidung, Brot = Fürsorge. Wenn Kinder diese Symbole „lesen“ lernen, trainieren sie Bedeutungssinn – eine Fähigkeit, die auch jenseits der Märchen hilft.

Historischer & pädagogischer Kontext – Grimm, aber von heute gedacht

Die Brüder Grimm sammelten Erzählstoffe des 19. Jahrhunderts, kein pädagogisches Lehrwerk. Heute lesen wir das mit Gegenwartsbrille: Manche Rollenbilder sind angestaubt, einzelne Motive düster. Genau dafür sind Adaptionen da: Sie übersetzen Tradition in Zugänglichkeit – mit sanfterer Sprache, kürzeren Spannungsbögen und einem Blick dafür, wo Kinder Ermutigung brauchen statt Schock.

Gleichzeitig bleibt der Kern erhalten: Moralische Orientierung ohne erhobenen Zeigefinger und die Erfahrung, dass man handeln kann – ob man nun Brotkrumen streut, dreimal „Bitte“ sagt oder den Mut findet, Nein zu sagen.

Stil & Sprache – Vorlesefreundlich, bildstark, pointensicher

Die Nacherzählungen sind sprachlich klar, rhythmisch tragfähig und dialogstark. Das heißt: viele O-Töne, wenig Schachtelsätze, kluge Wiederholungen („Knusper, knusper, knäuschen…“) als Mitsprech-Signale. Illustration und Text arbeiten Hand in Hand – Illustrationen setzen Beatmarks: An diesen Stellen lohnt es sich, kurz innezuhalten, nachzufragen („Was glaubst du, denkt Rotkäppchen jetzt?“) und die Kinder mitspielen zu lassen.

Zielgruppe – Für wen lohnt sich das Buch?

  • Familien mit Kindern ab etwa 4–5 Jahren zum Vorlesen; ab 7–8 auch zum Selbstlesen.

  • Kitas/Grundschulen – perfekt für Morgenkreise, Bibliotheksstunden, Projektwochen (Märchenwald, Heldenreise, Symbole).

  • Großeltern – die Klassiker, so erzählt, dass sie heute funktionieren.

  • Bilderbuchfans – wegen der stimmigen Anne-Hofmann-Illustrationen, die Stimmung und Story sauber balancieren.

Vorlese-Hacks, mit denen Märchen richtig zünden

1) Das „Ampel-Prinzip“ bei heiklen Szenen

Rot (kurz warnen: „Gleich wird’s spannend“), Gelb (gemeinsam durch die Szene, Tempo runter), Grün (Entspannung, Bild betrachten, Erfolg feiern). So wird aus potenzieller Überforderung Selbstwirksamkeit.

2) Rollen verteilen

Erzählstimme ruhig, Figurenstimmen leicht variieren (nie schrill): Wolf tiefer, Hexe nasal (nicht gruselig), Kinder hell und klar. Mini-Theater ohne Lampenfieber.

3) Fragen, die Fantasie öffnen

Nicht „Und, verstanden?“, sondern: „Welche Abkürzung hättest du im Wald genommen?“, „Was würdest du Rumpelstilzchen raten?“ – Fragen, die Handlungskompetenz trainieren.

4) Bilder lesen lassen

Vor einer Seite kurz stoppen: „Was siehst du, das im Text noch nicht vorkam?“ Kinder entdecken oft Foreshadowing-Details. Das macht Spaß und stärkt Bild-Text-Verknüpfung.

5) Mini-Rituale

Jede Märchenstunde mit dem gleichen Satz beginnen („Es war einmal…“), am Ende einen Zauberkeks/Tee – Rituale sind die Kuscheldecke des Erzählens.


Kritische Einschätzung – Stärken & kleine Schwächen

Stärken

  • Treffsichere Adaptionen: Verständlich, rund, vorlesefreundlich – ohne den Kern zu verlieren.

  • Illustrationen, die führen: Anne Hofmann setzt Gefühlslicht: warm, klar, niemals überladen.

  • Gute Spannungsökonomie: Pro Geschichte ein sauberer Bogen; ideale Länge für Abendrituale.

  • Niedrige Einstiegshürde: Auch Vorlese-Neulinge finden schnell ihren Flow.

Mögliche Schwächen

  • Puristen nörgeln: Ja, es sind bearbeitete Fassungen – wer ungekürzte Grimm-Prosa liebt, braucht eine zweite Ausgabe.

  • „Zahm“-Diskussion: Die Entschärfung mancher Szenen nimmt den Geschichten etwas archaischen Biss. Für die meisten Familien überwiegt allerdings der Lesefrieden.

  • Märchenauswahl: Je nach Ausgabe fehlen Lieblingsstücke einzelner Leser. Das ist der Preis jeder Kuratierung.

Klassiker, die heute tragen

„Grimms Märchen: Das große Märchenbuch zum Vorlesen und Anschauen“ ist ein Familienwerkzeug: Es liefert vertraute Geschichten in einer Form, die heutige Kinder nicht überfordert – und Erwachsene nicht ermüdet. Die Nacherzählungen treffen den Sweet Spot zwischen Tradition und Gegenwart, die Illustrationen geben Orientierung, ohne zu glätten. Wer ein langlebiges Vorlesebuch sucht, das Abend für Abend funktioniert, liegt hier richtig. Bonus: Kinder wachsen hinein – erst schauen, dann mitsprechen, schließlich selbst lesen. Mehr kann man von einem Märchenbuch kaum verlangen.

Über die Brüder Grimm – und das Team hinter dieser Ausgabe

Jacob (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) sammelten im 19. Jahrhundert Erzählstoffe und veröffentlichten sie als „Kinder- und Hausmärchen“. Ihre Fassungen prägten, was wir heute als „klassische Märchen“ lesen.

Für dieses Große Märchenbuch übernehmen Ulrike Sauerhöfer und Sylvia Tress die Nacherzählung – verständlich, rhythmisch, vorlesefreundlich. Anne Hofmann illustriert in einem warmen, klaren Stil, der Figuren erdet und Motive markiert (Wald, Weg, Haus, Krone). Das Ergebnis: Grimm-Substanz in einer Familienfassung, die den Alltag besteht.

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