Es gibt Wochen, da gleichen die Spiegel-Bestsellerlisten einem literarischen Buffet: ein bisschen Nahrhaftes, viel Überwürztes und das eine oder andere Gericht, das man besser unberührt stehen lässt. Literaturkritiker Denis Scheck hat sich durch die aktuelle Top Ten der Spiegel-Sachbücher gekostet – und wie immer gnadenlos entschieden, was auf den Teller darf und was in den Abfalleimer gehört.
Denis Scheck über die Spiegel-Sachbuch-Bestseller: Zwischen Epos und lahmer Ente
Platz 10: Antike im Zeitraffer
Michael Sommer und Stefan von der Lahr: Die verdammt langweilige Geschichte der Antike ohne den ganzen langweiligen Kram (C.H. Beck)
Schon zum wiederholten Mal lobt Scheck das Buch als „ein vergnügliches Bildungsangebot, das die Gralshüter … gerne auf die Palme bringen darf.“
Platz 9: Solide Ernährungstipps
Yael Adler: Genial ernährt (Droemer)
„Nichts wirklich Neues, aber auch nichts wirklich Falsches.“
Platz 8: Selbstfindung mit Aperol
Melanie Pignitter: Wiedersehen mit mir selbst – zwischen Pizza und Aperol (GU)
„Zum Mäusemelken blöd!“
Platz 7: Der Pinguin bleibt am Boden
Eckart von Hirschhausen: Der Pinguin, der fliegen lernte (dtv)
„… diese Geschichte … ist in jedem Medium eine lahme Ente.“
Platz 6: Gespräche über den Osten
Ilko-Sascha Kowalczuk & Bodo Ramelow: Die neue Mauer. Gespräch über den Osten (C.H. Beck)
„Gerade weil mir vieles fremd und neu war, hat mich dieses Buch auf neue Gedanken gebracht.“
Platz 5: Reportagekunst auf der Bestsellerliste
Robin Alexander: Letzte Chance. Der neue Kanzler und der Kampf um die Demokratie (Siedler)
„Alexander erzählt das Epos der Gegenwart.“
Platz 4: Historische Analyse von Götz Aly
Götz Aly: Wie konnte das geschehen. Deutschland 1933 bis 1945 (Fischer)
„Mit diesem Buch krönt der Historiker und Politikwissenschafter Ali Götz sein Lebenswerk.“
Platz 3: Familiengeschichte mit Gewicht
Henning Susebach: Anna oder was vom Leben bleibt (C.H. Beck)
„Ihr Urenkel setzt dieser ganz gewöhnlichen und deshalb herausragenden Frau ein verdientes literarisches Denkmal.“
Platz 2: Abrechnung mit Angela Merkel
Gerald Grosz: Merkels Werk – Unser Untergang (Stocker)
„Diese vor Häme und Hass triefende Wichsvorlage für Rassisten und Faschisten ist schrecklich widerlich!“
Platz 1: Organisch und horizonterweiternd
Giulia Enders: Organisch (Ullstein)
„Anregende, horizonterweiternde Lektüre.“
Zwischen Triumph und Totalausfall
Die aktuelle Spiegel-Sachbuch-Bestsellerliste zeigt die ganze Bandbreite: von Antike im Schnelldurchlauf über Ernährungstipps und Selbstfindungsratgeber bis hin zu politischen Analysen. Besonders hervorgehoben werden Robin Alexanders politische Reportage, Götz Alys historische Untersuchung und Henning Susebachs Familiengeschichte. Am anderen Ende steht Gerald Grosz mit Merkels Werk, das Denis Scheck so hart aburteilt wie kaum ein anderes Buch. Zwischen diesen Extremen finden sich solide, belanglose oder schlicht „zum Mäusemelken blöde“ Werke.