Botho Strauß - zu oft umsonst gelacht Fragmente der Liebe

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Im Dezember erscheint das neue Buch des Schriftstellers und Dramatikers Botho Strauß. Es trägt den Titel "zu oft umsonst gelächelt" und offenbart - unter anderem - die Überzeugung des Autors, dass der Roman als Form unmöglich geworden ist. Stattdessen stürzt sich Strauß auf Versatzstücke der Liebe. Denn viel mehr scheint nicht mehr geblieben.

In seinem neuen Buch "zu oft umsonst gelächelt" macht sich Botho Strauß ein weiteres Mal auf die Such nach kurzen, oft übersehenen Momenten. und fndet Fragmente der Liebe. Foto: Karl Hanser Verlag

In den siebziger und achtziger Jahren wurde Botho Strauß vor allem als Dramatiker bekannt. Die Theaterstücke hatte der Autor jedoch bald gegen das Prosa-Schreiben eingetauscht, Stücke wie "Leichtes Spiel" oder "Nach der Liebe beginnt ihre Geschichte" zählen zu den letzten aus seiner Feder. Strauß widmete sich nun dem Erzählen auf weiter Spur, mal autobiografisch, mal philosophisch, mal kulturkritisch. Aber immer mit Blick auf das alltägliche Leben, auf die verdunkelten, kurzweiligen Zwischenmomente, die er, literarisch beleuchtet, ans Tageslicht brachte. Auch Skizzen, Kurzgeschichten und Reflektionen gehören in sein Repertoire. Wollte man sein im Dezember erscheinenes Buch "zu oft umsonst gelächelt" in eine dieser Schublade einsortieren, so würde es wohl in der letzten seinen Platz finden.

Wieder einmal das - allzu oft - Übersehene

Auch in seinem neusten Werk gelingt es Strauß, allzu oft vergessene Momente aufzulesen und literarisch zu vergrößern. Vor allem sind dies Momente zwischenmenschlicher Beziehungen. Die Liebe als wortwörtlich katastrophaler Zustand, der alle Regeln und Grenzen hinfortfegt; danach sucht der Ich-Erzähler, bezeichnenderweise ein alter Romancier, dieser Aufzeichnungen. Er sucht zuweilen vergeblich. Er findet jene Erzählungen, die er sich aus den Erfahrungen und Vorstellungen der Liebe einst spinnen konnte, in der Realität nicht mehr vor. Skizzen, Beobachtungen, Kurzgeschichten: Zu mehr Liebe sind die Menschen nicht mehr imstande, weshalb Strauß folgendes notieren kann:

"Was bleibt mir von der Welt als nur die Episode? Von Mann und Frau, von Gott und Mensch? Die Episode. Es folgt nun eine auf die andere, narratio continua. Ein Wort gibt das andere…"

Der Verlust der entflammten (und entflammenden) Liebe macht den Roman unmöglich; denn wovon aufrichtig und wahrhaftig über mehrere hundert Seiten lang berichten, wenn sich jedes Anbändeln schon gleich wieder in Luft und selbstzufriedene Auswege auflöst? Der Liebes-Verlust ist nur einer der von Botho Strauß über die Jahre hinweg wahrgenommenen, kulturellen Verluste. Wollte man diesem Verlust-Lexikon wiederum eine Überschrift verpassen, so würde diese wohl lauten "Verlust der dauernden Dinge". Bei Strauß heißt es das "Böse der Banalität".

Konsequenz der Fragmente

Konsequenterweise finden sich auch in "zu oft umsonst gelächelt" nur Fragmente eines Versuchenden, der bemüht ist, sich auf die wenigen flammenden, zwischenmenschlichen Momente zu konzentrieren, die er erhaschen kann. Vielleicht ist so ein Buch zu machen, wenn auch kein Roman. Wir sehen Paare im Lichte des ersten Glückes, und solche, die gerade auseinandergehen. Wir lesen Berichte ehemals Verliebter, nunmehr Liebender. Getäuscht wurden viele, verstoßen die meisten:

"Sie betrachtet – und wagt nicht sich umzudrehen: in ihrem Spiegel die Geburt des Mannes aus der Matratze."

Die immer drohende Gefahr, die darin besteht, dass mit der nächsten Handlung alles eben noch Ersehnte zerschellt, ebenso wie die daraus resultierende Ungewissheit, die Handlung wirklich zu vollziehen, diese Parameter finden sich auch in dem Stil wieder, mit dem Strauß seine Prosa-Versatzstücke schreibt. Es sind keine sicheren, keine durch den Intellekt geschützen Formulieren, mit denen Strauß hier auffährt. Vielmehr Splitter, die durchaus auch unangenehm ins eigene Fleisch gehen können:

"Tanja, alle Männer hinter sich. Ein letzter Blick zurück auf der Liebe hoffnungslose Siedlungen."

Doch eben damit beweist Botho Strauß, dass er die Welt, wie er sie wahrnimmt, in eine eigene, allegorische Form, und diese Form wiederum in die Art und Weise eigener Formulierungen übersetzen kann. Ohne Frage ist Strauß ein Autor, der, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass offenbar jedes zweite Buch heutzutage Roman genannt werden kann, sicherlich keinerlei Probleme damit hätte, ein Buch zu schreiben, welches als ein glänzender Roman durchgehen würde. Das er es nicht tut beweist, wie ernst er es mit dem Schreiben nimmt. "Roman" ist hier eben mehr als nur ein Begriff. Es handelt sich um eine ernstzunehmende Herausforderung, die gewisse Rahmenbedingungen voraussetzt. Beispielsweise ein romanwürdiges Miteinander, ein längerer Atem, ein Ausharren, ein Leben mit den eigenen Befindlichkeiten, ein Schweigen füreinander.


Botho Strauß - zu oft umsonst gelächelt, Karl Hanser Verlag, 2019, 160 Seiten, 22 Euro



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