Am 4. September 2025 startet 22 BAHNEN in den deutschen Kinos. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Caroline Wahl wurde von Constantin Film in Zusammenarbeit mit BerghausWöbke Filmproduktion realisiert. Der erste Trailer ist jetzt veröffentlicht. Er zeigt Ausschnitte aus dem Film, die eine klare Bildsprache und konzentrierte Szenen aus dem Alltag der Protagonistin erkennen lassen.
Tilda zählt. Nicht laut, aber exakt. 22 Bahnen im Freibad. Jeden Tag. Keine mehr, keine weniger – außer, sie hat sich verzählt. Dann schwimmt sie zur Strafe fünf zusätzliche. Denn wer sich verzählt, hat nicht richtig aufgepasst. Und wer nicht richtig aufpasst, verliert leicht die Kontrolle. Das wäre ungünstig, in einem Leben, in dem es auf Kontrolle ankommt.
Tilda lebt mit ihrer zehnjährigen Schwester Ida und einer alkoholkranken Mutter in einer deutschen Kleinstadt. Die Freunde sind längst weggezogen, nach Berlin, Amsterdam oder irgendwohin, wo es heller ist. Tilda ist geblieben. Aus Notwendigkeit, nicht aus Sentimentalität. Sie studiert Mathematik, jobbt an der Supermarktkasse und sorgt für Ida – weil sonst niemand da ist. Väter gibt es nur als leere Stellen, die Mutter als wandelnden Ausnahmezustand. Und Tilda funktioniert. Bis sich etwas bewegt. Eine Promotionsstelle in Berlin taucht auf. Und Viktor – der große Bruder von Ivan, den sie verloren hat.
Lakonie statt Lamento
Caroline Wahls Debütroman ist kein Buch über Aufbruch, sondern über das Aushalten. Kein Roman über Heilung, sondern über Koexistenz. Wahl schreibt klar, nüchtern, manchmal lakonisch. Ihre Sätze beobachten, registrieren, zählen mit. Gefühle stehen nicht im Mittelpunkt, sondern tauchen in Nebenbewegungen auf: in einem zusammenzuckenden Körper, einer angehaltenen Atmung, einem falsch geratenen Namen.
Die Erzählstimme bleibt dicht an Tildas Wahrnehmung – und gerade dadurch gewinnt der Text seine emotionale Dichte. Wahl braucht kein Pathos. Ein „Papierstau“ im Kopierer reicht aus, um Wut auszulösen, die sich tief in den Schultern staut. Die Supermarktkasse wird zum Ort kontrollierter Interaktion. Wenn der Blick auf ein Levi’s-Shirt der Höhepunkt des Tages ist, sagt das mehr über Erschöpfung aus als jede Klage.
Literarische Genauigkeit im Alltag
Der sprachliche Stil ist auffällig unauffällig. Kein Ornament, keine Dekoration. Dafür Worttrennungen („Zer-störungswut“, „hoch-schau-en“), rhythmische Wiederholungen, Satzfragmente. Wahl inszeniert damit nicht stilistische Extravaganz, sondern zeigt, wie sich eine Erzählfigur sprachlich Halt verschafft – durch Struktur, Wiederholung, visuelle Ordnung. Die Sprache macht sichtbar, wie Tilda sich durch den Tag hangelt. Zeile für Zeile, Bahn für Bahn.
Ein Beispiel: Der Dialog mit Ursula, der Freibadbekanntschaft, ist nicht spektakulär. Ein Kind springt auf sie. Sie berichtet. Tilda antwortet mit „Krass“. Danach: Nicken, Schweigen, Sonnen. Doch genau in diesen stillen Szenen liegt die Kraft des Textes. Weil er nie mehr erzählt als nötig – und genau dadurch alles sagt.
Erinnerung als Widerstand, Wasser als Ordnung
In einer zentralen Szene glaubt Tilda, Ivan wiederzusehen – den Jungen mit dem „zweitschönsten Gesicht nach Ida“. Es ist ein Moment, der körperlich spürbar wird: ein Knoten im Hals, der nicht verschwindet. Kein sentimentaler Rückblick, sondern ein Störmoment im Tagesablauf. Das Wasser hilft auch hier: Sie zählt Schwimmzüge, beobachtet Viktor, den Bruder, der mit professioneller Eleganz durchs Becken gleitet. Als sich ihre Blicke treffen, misst sie den Abstand: 51 Meter. Kein Symbol, nur ein Wert. Aber einer, der bleibt.
Keine Geschichte über das Große, sondern über das Genaue
22 Bahnen ist ein Roman über Verantwortung, über Alltagserschöpfung, über stille Widerstände. Caroline Wahl gelingt das Kunststück, nichts zu überhöhen – und dabei doch tief zu gehen. Ihre Sprache bleibt unaufgeregt, aber nie gleichgültig. Sie beobachtet präzise, beschreibt ohne zu erklären, zählt statt zu dramatisieren.
Dass dieses Buch ein Bestseller wurde, liegt nicht an einem spektakulären Plot. Sondern daran, dass es vielen aus der Seele spricht, ohne sich anzubiedern. Es ist ein Roman für alle, die schwimmen, weil sie sonst untergehen würden. Und für alle, die wissen, wie viel Kraft es kostet, jeden Tag 22 Bahnen zu schaffen.
Der Trailer: erste Einblicke
Der Trailer zeigt Szenen mit Luna Wedler als Tilda, Zoë Baier als Ida, Laura Tonke als Mutter und Jannis Niewöhner als Viktor. Er enthält Bilder aus dem Freibad, aus der Küche voller Leergut, aus dem Supermarkt und aus der Wohnung der Familie. Tilda zieht ihre Bahnen, Ida taucht, die Mutter steht im Türrahmen. Es gibt ruhige Kameraeinstellungen, keine schnellen Schnitte, keine dramatische Musik. Dialoge sind nur ausschnittsweise zu hören.
Die gezeigten Szenen geben Einblick in Tonlage, Ausstattung und Figurenkonstellation. Die Schauspieler sind in Momenten des Alltags zu sehen, ohne große gestische Überhöhung. Die Auswahl der Darsteller wirkt in der Zusammenstellung stimmig.
Romanerfolg und Umsetzung
22 Bahnen erschien 2023 und erreichte über eine Million verkaufte Exemplare im deutschsprachigen Raum. Das Taschenbuch stieg auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste ein und der Roman wurde auf der Frankfurter Buchmesse 2024 als #BookTok Bestseller des Jahres ausgezeichnet.
Die filmische Umsetzung entstand unter der Regie von Mia Maariel Meyer (Die Saat, Push). Das Drehbuch schrieb Elena Hell (Sisi). Die Produktion übernahmen Anna-Malike Eigl, Thomas Wöbke und Philipp Trauer, die zuletzt für September 5 mit neun LOLAs ausgezeichnet wurden. Co-Produzent*innen sind Viola Jäger und David Kehrl von Constantin Film. Gefördert wurde die Produktion vom FilmFernsehFonds Bayern (FFF), der Filmförderungsanstalt (FFA), dem Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB) und dem Deutschen Filmförderfonds (DFFF).