Der Leipziger Übersetzer Thomas Weiler wurde mit dem Paul-Celan-Preis des Deutschen Literaturfonds ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 21. November 2024 im Literarischen Colloquium Berlin statt. Der Paul-Celan-Preis, eine der renommiertesten Auszeichnungen für Übersetzer im deutschsprachigen Raum, würdigt Weilers herausragende Arbeit, insbesondere die Übersetzung des Romans Europas Hunde von Alhierd Bacharevič. Der Preis hebt nicht nur die sprachliche und literarische Qualität der Übersetzungen hervor, sondern lenkt den Blick auf die politische und kulturelle Dimension des Übersetzens.
Die Bedeutung literarischer Übersetzungen
Literarische Übersetzungen spielen eine zentrale Rolle im internationalen kulturellen Austausch. Sie machen Werke zugänglich, die andernfalls nur einem begrenzten Publikum vorbehalten blieben, und ermöglichen es, kulturelle und historische Kontexte besser zu verstehen. Übersetzer wie Thomas Weiler leisten dabei weit mehr als die bloße sprachliche Übertragung von Texten: Sie bauen Brücken zwischen Kulturen und schaffen Räume für den Dialog über nationale und politische Grenzen hinweg.
Die Auszeichnung für Thomas Weiler
Die Jury des Paul-Celan-Preises betonte Weilers Fähigkeit, die sprachliche und kulturelle Vielfalt literarischer Werke originalgetreu und doch kreativ in die deutsche Sprache zu übertragen. Besonders seine Übersetzung von Bacharevičs Europas Hunde wurde als herausragend hervorgehoben. Dieses Werk ist nicht nur literarisch anspruchsvoll, sondern auch politisch hoch brisant: In Belarus verboten, wirft der Roman einen prophetischen Blick auf die politischen und gesellschaftlichen Realitäten Osteuropas.
Herausforderungen und Nuancen der Übersetzungsarbeit
Thomas Weiler hat in seiner Übersetzungsarbeit mehrfach bewiesen, dass er die Herausforderungen, die mit der Übertragung komplexer Texte verbunden sind, mit Bravour meistert. In Europas Hunde stellte ihn das speziell für den Roman entwickelte Kunstsprachenlexikon Balbuta vor eine besondere Aufgabe. Seine Übersetzung dieses fiktiven Idioms verleiht dem Text eine Lebendigkeit und Authentizität, die die Vielschichtigkeit des Originals bewahrt.
Weiler gelingt es, die unterschiedlichen sprachlichen Ebenen des Romans – von Alltagssprache über archaische Wendungen bis hin zu poetischen Elementen – ins Deutsche zu übertragen, ohne die Eigenheiten des Originals zu verwässern. Diese Präzision und sein Sinn für sprachliche Nuancen machen ihn zu einem der herausragendsten Übersetzer seiner Generation.
Die politische Dimension des Übersetzens
Das Übersetzen von Literatur aus Belarus, Russland oder der Ukraine ist in der aktuellen geopolitischen Lage mehr als eine literarische Tätigkeit. Es ist ein politischer Akt. Viele belarussische Autorinnen und Autoren leben heute im Exil, da unabhängiges Arbeiten in ihrer Heimat nahezu unmöglich geworden ist. Übersetzer wie Thomas Weiler geben diesen Stimmen Gehör und machen ihre Werke einem internationalen Publikum zugänglich.
Bacharevičs Europas Hunde ist ein Paradebeispiel dafür, wie Literatur politische und gesellschaftliche Realitäten reflektieren und gleichzeitig zum Nachdenken anregen kann. Weilers Arbeit ermöglicht es, diese Botschaften in den deutschsprachigen Raum zu tragen und so einen Beitrag zur Sichtbarmachung unterdrückter Literaturen zu leisten.
Wirtschaftliche Bedingungen und Anerkennung
Trotz der immensen Bedeutung literarischer Übersetzungen bleibt die finanzielle Lage vieler Übersetzer prekär. Thomas Weiler hat mehrfach auf die Diskrepanz zwischen der Anerkennung der Übersetzungsarbeit und den oft niedrigen Honoraren hingewiesen. Der Paul-Celan-Preis, der seit 2024 mit 25.000 Euro dotiert ist, stellt eine wichtige finanzielle und symbolische Würdigung dar. Doch die geplanten Kürzungen im Bereich der Kulturförderung, etwa beim Deutschen Übersetzerfonds, könnten diese Fortschritte gefährden.
Thomas Weiler und die Zukunft des Übersetzens
Thomas Weiler verkörpert mit seiner Arbeit den Geist des Paul-Celan-Preises. Seine Übersetzungen eröffnen neue Perspektiven auf Literaturen, die bisher im deutschsprachigen Raum wenig bekannt waren. Gleichzeitig zeigt er, wie Übersetzungen als Brücken zwischen Kulturen dienen und dazu beitragen können, politische und gesellschaftliche Realitäten besser zu verstehen.
Mit der Auszeichnung für Weiler wird nicht nur seine eigene Leistung gewürdigt, sondern auch die unverzichtbare Rolle von Übersetzern in einer globalisierten und politisch komplexen Welt betont. Übersetzte Literatur bietet die Möglichkeit, andere Realitäten zu entdecken, Vorurteile abzubauen und den kulturellen Austausch zu fördern.
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