Belarus Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch verteidigt Angela Merkel

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Aufgrund der fatalen Situation an der polnisch-belarussischen Grenze hatte die Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch wiederholt mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko telefoniert. Ein etwa 50-minütiges Gespräch am Montag zwischen Merkel und Lukaschenko hatte international Kritik hervorgerufen. Jetzt verteidigte die belarussische Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch die Entscheidung der Bundeskanzlerin. "Es war eine furchtbare Wahl, vor der Merkel stand", so die Schriftstellerin.

Die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch unterstützte in einem ARD-Interview Angela Merkels Entscheidung, mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko telefoniert zu haben. Alexijewitsch sagte, es sei eine furchtbare Wahl gewesen, vor der Merkel stand. Bild: Elke Wetzig - Eigenes Werk / Wikipedia

Es waren schreckliche Bilder, die uns in den vergangenen Wochen von der polnisch-belarussischen Grenze erreichten. Menschen, hungernd und frierend, weinende Kinder an einem Feuer vor Stacheldrahtzäunen. Eine Lösung war kaum absehbar. der belorussische Machthaber Lukaschenko hat die Flüchtenden systematisch an die Grenze geliefert, sie als politisches Druckmittel missbraucht. Angesichts dieser desaströsen Lage hatte die deutsche Regierungschefin Angela Merkel wohl keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als zum Hörer zu greifen um mit dem Machthaber Lukaschenko zu sprechen. In einem ersten, am Montag stattfindenden Gespräch, setzte sich die Kanzlerin für eine Deeskalation der Lage ein. In einem zweiten, am Mittwoch geführten, unterstrich sie die Notwendigkeit, mit Hilfe des UN-Flüchtlingwerkes UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration und in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission für die "humanitäre Versorgung und Rückkehrmöglichkeiten der betroffenen Menschen zu sorgen."

Merkels Entscheidung sorgte international für heftige Kritik. Die EU erkennt den autoritär regierenden Lukaschenko nicht als Präsidenten an. Hintergrund ist einerseits seine von Betrugsvorwürfen begleitete Wiederwahl gewesen. Weiterhin hatte Lukaschenko im August vergangenen Jahres friedliche, gegen ihn gerichtete Demonstrationen gewaltvoll niederschlagen lassen.

"Es war eine furchtbare Wahl, vor der Merkel stand"

Nun hat sich die belarussische Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch zu Wort gemeldet und die Entscheidung der Bundeskanzlerin in einem Interview mit der ARD verteidigt. "Ich würde sagen, dass ich an ihrer Stelle das Gleiche gemacht hätte. Wenn man die weinenden Kinder an der belarusisch-polnischen Grenze sieht, aus Afghanistan und Iran, die dort an den Feuern sitzen und frieren, dann würde ich auch tun, was mein Herz mir befiehlt und nicht auf politische Distanz achten.", so Alexijewitsch. Zwar sei Lukaschenko kein legitimer Präsident von Belarus und man solle eigentlich nicht mit ihm reden, "... aber in seinen Händen liegt das Schicksal von diesen Menschen, den Frauen und Kindern. Es war eine furchtbare Wahl, vor der Merkel stand."

Weiterhin sagte Alexijewitsch dem ARD: "Es ergibt keinen Sinn, irgendjemand anderen verantwortlich zu machen für das, was in Belarus passiert, als Lukaschenko und sein Regime. Er ist der Einzige, der verantwortlich ist für das, was im Land geschieht - auch für die Migrationskrise."

"Acht Tage Revolution"

Beide Interviews werden Teil der kommenden Ausgabe (21.11.) des ARD-Kulturmagazins "titel, Thesen, temperamente" sein. Sie wurden im Zusammenhang mit der Vorstellung des Buches "Acht Tage Revolution" (Suhrkamp) des belarussischen Schriftstellers Artur Klinau geführt. In seinem Buch, welches mit dem Zusatz "Ein dokumentarisches Journal aus Minsk" unterschrieben ist, berichtet Klinau von dem Verschwinden seiner Tochter Marta während der Präsidentschaftswahl in Belarus letzten Jahres.

In erschütternder Weise berichtet er von Folterungen; von Menschen, die friedlich gegen Wahlfälschung protestierten und anschließend in überfüllte Gefängnisse landeten, von der Staatsmacht festgehalten. Spöttisch und bitter zeichnet Klinau das Bild eines Diktators, eines "Künstlers" sui generis, der seine Werke mit der Axt erschafft.



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