Ein Stadtbesuch mit meinen Großeltern - eine Erinnerung. Seite 2

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Oh, wie grauste es mir vor dieser unübersichtlichen Abteilung. Innerlich ahnte ich schon, wie die Zeit von jetzt Mittag auf Abend wechselt. Gefühlte unendliche Zeit ging es von Kaffeekannen zu Gläsern, Nippes und Glastierchen. Ich verstand nicht, warum man immer akribisch jedes Teil umdrehte, um alles zu lesen, was da stand. Ich schaute es mir auch an und fand immer nur irgendwelche Zahlen, die ich noch nicht kannte und mystische Zeichen. Fand man nun endlich ein passendes Zeichen, ging ein oh und ah durch die Abteilung und jeder in der Nähe stehende Kunde staunte mit. In so einem Fall staunte ich natürlich auch, weil es wahrscheinlich als freundlich und nett galt. Auch das kam nicht so gut an und man verwies mich auf meinen Platz, als Kind immer den Mund zu halten, wenn Erwachsene sich äußern. Ich wusste, dass ich das machen sollte, sonst gab es weder Kuchen noch Eis. Doch nun endlich, nachdem es meinen Großeltern gelungen war ein Figürchen aus Porzellan zu kaufen, ging es zum Ausgang. In mir stieg die Vorfreude und meine Laune bessert sich zunehmend, je näher wir zu der Konditorei kamen. Herrlich, alleine das Eis war sensationell. Es nannte sich Fürst Pückler, wer immer das auch war, aber Eis herstellen konnte er. Später wusste ich natürlich wer dieser Herr war, als Kind war es mir einerlei.

Doch schlagartig blieb meine Großmutter stehen und schaute in die Auslage eines Hutgeschäfts. Sie war der Meinung genau jetzt und zu mittlerweile später Stunde einen Hut kaufen zu müssen und das schärfste war, das auch ich solch ein Teil haben sollte. Mein Großvater begrüßte diesen Schritt und auf ging es in den Laden. Mein Gott, soviel Hüte hatte ich noch nicht gesehen. Einige hatten Verzierungen, die ich nicht entschlüsseln konnte, andere hatten einen ganzen Kleinzoo auf der Hutkrempe und wieder andere erinnerten an einen Garten mit Salatblättern und Beeren. Warum um Himmels willen muss man so etwas tragen.

Freudig verschwand meine Großmutter auf unbestimmte Zeit zwischen Unmengen von Hüten und ich musste mit meinem Großvater in die Herren und Kinderhutabteilung. Schon wanderten die kleinsten Hüte auf meinem Kopf, manche bedeckten das ganze Gesicht. Es wurde alles probiert, was die Auslage hergab. Schließlich hatte ich einen auf dem Kopf und da musste er bleiben. Meine Großmutter kam mit einem Riesenteil auf dem Kopf. Er sollte wahrscheinlich gleich als Regenschirm dienen. Nun konnten wir endlich diesen Laden verlassen, doch die Gefahren weiterer Geschäfte war noch nicht gebannt. Es kamen noch ein Buchladen, ein weiteres Strumpfgeschäft, ein Pfeifenladen und noch viele mehr. Doch die Einkaufswut meiner Großeltern war endlich befriedigt und jetzt ging es mit Eilschritten zur Konditorei und die war voll. Kein Sitzplatz war in Sicht und wir standen an und ich schaute ganz scharf auf alle, die eventuell gehen wollten.

Die Eisbecher, die serviert wurden, waren köstlich anzusehen und ich wusste vor Aufregung nicht, welchen ich bestellen sollte. Nach gefühlten Stunden der Qual endlich ein Sitzplatz. Das Warten auf den Kellner dauerte auch nochmal so lange und langsam steigerte sich meine Aufregung in Wut und Verzweiflung. Doch nun kam endlich der Kellner und nahm die Bestellung entgegen. Kaffee Melange und Schwarzwälder Kirschtorte für meine Großmutter, ein Glas Wein für meinen Großvater und mein Fürst Pückler Eisbecher mit viel Schlagsahne sowie ein Stück Schokoladenkuchen. Für mich war das Himmelreich angebrochen und ich beteiligte mich an keinem Gespräch. Ich wusste ja schon, dass Kinder nicht sprechen dürfen und träumte schon vom nächsten Besuch in der Stadt, aber dann esse ich etwas anderes und einen neuen Hut brauche ich auch nicht.



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