Bakr muss zum Militär

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In dem Viertel, in dem Bakr wohnt, kennt ihn jeder. Er verbringt seine Tage auf der Straße, geht hierhin und dorthin und sitzt in den Cafés. Obwohl er sehr klein und schmächtig ist, haben die Leute ziemlich viel Respekt vor ihm – oder besser gesagt sogar ein bisschen Angst. Wenn er wütend ist, ist nicht gut Kirschen essen mit ihm. Das wissen alle seine Nachbarn und versuchen ihn nicht zu provozieren und keinen Ärger mit ihm zu bekommen.

Schon von klein auf hatte Bakr die Tage damit verbracht, in seiner Straße die Leute auf Trab zu halten. Als kleiner Bub war er ständig damit beschäftigt, andere Kinder zu verhauen. Seine Mutter bekam fast täglich Besuch von anderen Eltern, die sich über Bakr beschwerten und ihre weinenden Söhne oder Töchter dabei hatten. Bakrs Mutter versuchte immer ihr bestes, versprach Bakr zu bestrafen und mit ihm zu reden, damit er sich besserte. Anfangs hielt sie sich auch noch daran. Sie schimpfte mit ihrem Sohn, legte ihn übers Knie oder sperrte ihn in die kleine Futterkammer. Nach einiger Zeit resignierte sie jedoch. Wenn sie Bakr ausschalt, zuckte er nur mit den Schultern. Wenn sie ihm Ohrfeigen gab, lachte er nur. Wenn sie ihn einsperrte, schlief er einfach und wartete, bis die Tür wieder geöffnet wurde. Und als er älter wurde, war ein Schloss sowieso kein Hindernis mehr für ihn. Wenn er nicht gerade müde war und ihm ein bisschen Schlaf nur recht kam, brach er das Schloss einfach auf und war verschwunden.

In seiner Jugend scharte er andere Jungen um sich. Er war der kleinste von allen, aber der unumstrittene Boss. Seine Bande verbrachte die Tage damit andere Kinder kleine Souvenirs verkaufen zu lassen und ihnen abends das verdiente Geld bis auf ein paar Cent abzunehmen. Wer nicht gehorchte, bekam Prügel. Wenn ab und zu noch Eltern eines schikanierten Kindes den Weg zu seiner Mutter wagten, musste das Kind, das geredet hatte, noch mehr Schläge einstecken.

Die Polizei wusste von Bakr und seiner Gang. Nicht selten tauchten sie bei ihm auf und er wurde mitgenommen. Dann saß er für ein paar Stunden im Kalabosh. Aber auch das hatte keine Wirkung. Wie in der Futterkammer, legte er sich hin, schlief und wartete, bis sich der Schlüssel drehte und er wieder gehen konnte.

So vergingen die Jahre und sein 18. Geburtstag stand vor der Tür. Auf diesen Tag hatten seine Mutter und sein ganzes Viertel sehnsüchtig gewartet. Ab 18 müssen junge Ägypter ihren Militärdienst antreten und da Bakr natürlich die Schule selten von innen gesehen hatte und keinen Schulabschluss vorweisen konnte, bedeutete dies, dass er bald drei Jahre lang in der Armee dienen musste.




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