Longlist Deutscher Buchpreis 2021: Shida Bazyar - "Drei Kameradinnen"

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In Shida Bazyars für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman "Drei Kameradinnen" geht es um identitätspolitische Fragen, um Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung. Bild: Kiepenheuer & Witsch

Shida Bazyars Roman "Drei Kameradinnen" steht auf der Longlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises. Drei Junge Frauen irren durch eine deutsche Großstadt, konfrontiert mit identitätspolitischen Fragen, Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung.

Die Heldinnen in Shida Bazyars für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman "Drei Kameradinnen" kämpfen mit unterschiedlichen Mitteln für ein und dasselbe Ziel: Sie alle versuchen, einen geeigneten Platz in der Gesellschaft zu finden. Saya bekämpft, aufbrausend und voller Wut, selbst die kleinsten Anzeichen von Rassismus; Hani, etwas harmonischer, setzt sich in einer Agentur für Tierwohl ein und Kasih befindet sich sowohl beruflich als auch privat am Abgrund: Ihr Freund hat sich vor kurzem getrennt, und die beruflichen Chancen stehen selbst für jene Soziologen schlecht, die - anders als die Protagonistinnen in diesem Roman - keine dunkle Hautfarbe besitzen.

Shida Bazyar lässt ihre drei "Kameradinnen" durch die Wirrungen einer deutschen Großstadt - vermutlich Berlin - ziehen, und einander ihre Erfahrungen teilen. Wann ist ein Blick diskriminierend, wann ein Spruch, eine Geste rassistisch? In der Auseinandersetzung mit diesen Fragen konstituieren sich die unterschiedlichen Charaktere: Saya ist schnell entflammt und begegnet vielem mit Wut, Hani hingegen, versucht sich nach besten Kräften anzupassen. Sie will keiner "heulenden" Minderheit angehören. Kasih steht zwischen den Fronten. Sie versteht Sayas Wut, sehnt sich aber zugleich nach einer Normalität, die mit Wut nur schwerlich zu erreichen ist.

Parallelen zum NSU-Prozess

Die Soziologin Kasih ist dann auch die Erzählerin des Romans. Sie schreibt die Geschichte in wenigen Tagen auf. Gegen Ende erfahren wir von der Hochzeit einer vierten Freundin,; und von einem Flug, in dem Saya neben einen Neonazi saß. Kurz wird eine an den NSU-Prozess angelehnte Gerichtsverhandlung skizziert, bevor wir erfahren, dass ein Mehrfamilienhaus, in dem der eben noch neben Saya im Flugzeug sitzende Neonazi wohnte, in Flammen aufgeht.

Ein Anschlag? Viele Menschen kommen bei dem Unglück ums Leben. Schließlich wird - auch diese Täter-Opfer-Verkehrung ist dem NSU-Prozess nachempfunden - Saya verdächtigt, ein islamistisch motiviertes Attentat begangen zu haben. Diese Verdächtigung der Opfer, die Hilf- und Schutzlosigkeit gegenüber eines Staates sind Kern des Romans. Shida Bazyar zeigt die mit deutscher Identitätspolitik einhergehenden Ängste, und die variierenden Reaktion auf diese.


Shida Bazyar: "Drei Kameradinnen"; Kiepenheuer & Witsch, 2021, 352 Seiten, 22 Euro


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