Es ist wieder so weit: Draußen wird es früh dunkel, drinnen raschelt das Tonpapier. Die Kleinen basteln Laternen, kleben Transparentpapier hinter ausgeschnittene Sterne und freuen sich auf den Umzug. Auf das Licht in der Hand. Auf das gemeinsame Lied. Rabimmel, rabammel, rabumm.
Was wie ein jahreszeitliches Ritual wirkt, ist mehr als Kindheitstradition. Denn ob die Laterne den Mantel des heiligen Martin beleuchtet oder einfach nur durchs Dunkel getragen wird – das erzählt mehr über unsere Gegenwart als über die Vergangenheit. Kinderbücher zeigen das. Ganz leise.
Zwischen Legende und Alltag
In „Mein Buch von Sankt Martin“ (Coppenrath) steht das ikonische Bild im Zentrum: der Reiter, der Mantel, der Bettler. Die Geschichte wird reduziert auf das Wesentliche. Fühlelemente unterstützen den Text – Pferd, Stoff, Brot. Für Kinderhände gemacht, nicht für lange Erklärungen. Der Heilige als Handlungsfigur, nicht als Predigt.
Anders „Die Geschichte von Sankt Martin“ (arsEdition). Auch hier ist alles klar: Martin sieht, teilt, wird verehrt. Keine Ambivalenzen, keine Fragen. Dafür Reime, Lieder, Laternenzug. Das Buch denkt nicht über Bedeutung nach, sondern zeigt sie. Es nimmt die Figur ernst, ohne sie zu hinterfragen – und das ist vielleicht seine Stärke.
Und wenn es gar nicht um Martin geht?
In vielen Kitas ist das Laternenfest längst losgelöst vom Heiligen. Geblieben ist das Licht. Das gemeinsame Gehen. Das Basteln vorher. Das Singen im Dunkeln. Bücher wie „Meine Laterne leuchtet wie die Sterne“ (Oetinger) greifen das auf: Kein Martin, kein Bettler, kein Mantel. Dafür Sofie und Lasse, Kindergarten, Freude. Die Religion tritt ab, das Ritual bleibt. Und das funktioniert. Auch literarisch.
„Die schönste Laterne der Welt“ erzählt davon, wie das Basteln selbst zur Geschichte wird. Wer hat die schönste? Was bedeutet schön? Im Licht wird sichtbar, was vorher verborgen war – nicht moralisch, sondern spielerisch. Auch das ist eine Form von Erzählen: durch Handlung statt Deutung.
Was Kinderbücher sichtbar machen – und was nicht
Es gibt zwei Erzählweisen in diesen Büchern. Die eine ist ikonisch: Sie arbeitet mit Figuren, Symbolen, mit Übertragung. Martin ist nicht einfach ein Mensch – er steht für etwas. Für Barmherzigkeit, Mut, Licht im Dunkel. Die andere ist alltäglich: Da wird gebastelt, gelacht, gestritten. Licht wird nicht erklärt, sondern erlebt.
Beides hat seinen Platz. Doch während die klassische Martinsgeschichte ein geschlossenes Narrativ bietet – mit Anfang, Mitte, Pointe – lassen die „neutralen“ Laternenbücher mehr offen. Sie leben vom Moment, vom Licht auf dem Gesicht des anderen, vom Lied, das alle kennen und keiner ganz trifft. Das ist literarisch reizvoll – weil es nicht vorgibt, mehr zu wissen als das Kind selbst.
Ich geh mit meiner Laterne...
Es geht darum, Licht in die Dunkelheit zu tragen – als Zeichen der Hoffnung, der Liebe und der Solidarität.
In der christlichen Glaubenslehre sind diese Botschaften verbunden mit der Geschichte von Sankt Martin.
Das Licht im Dunkeln, die Fürsorge und das Teilen sind ein Teil der Menschheitsgeschichte.
Gelebte Verantwortung. Und jedes Jahr eine stille Erinnerung daran, was Gemeinschaft bedeuten kann.
Bastelanleitung für Laterne

------
Topnews
Ein Geburtstagskind im November: Astrid Lindgren
Geburtstagskind im Oktober: Benno Pludra zum 100. Geburtstag
Das Geburtstagskind im September: Roald Dahl – Der Kinderschreck mit Engelszunge
Ein Geburtstagskind im August: Johann Wolfgang von Goethe
Hans Fallada – Chronist der kleinen Leute und der inneren Kämpfe
Ein Geburtstagskind im Juni: Bertha von Suttner – Die Unbequeme mit der Feder
Ein Geburtstagskind im Mai: Johannes R. Becher
Ein Geburtstagskind im April: Stefan Heym
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
„Wünsche“ von Mượn Thị Văn gewinnt den Deutschen Jugendliteraturpreis 2024 in der Sparte Bilderbuch
Kein Dach, kein Zuhause – The Family Under the Bridge und das andere Weihnachten
Weihnachten in Bullerbü– Astrid Lindgrens Bullerbü als Bilderbuch
Astrid Lindgrens „Tomte Tummetott“ – Ein Weihnachtsbuch ohne Lametta
Freunde von Helme Heine
Zum Tod von Helme Heine (1941–2025)
Andreas Sommer – Drachenberg
"Warum sich auch Monster fürchten" – Ein liebevolles Kinderbuch über Mut und Freundschaft
Karibu Verlag und Plan International Deutschland: Ein gemeinsames Buchprojekt zur kulturellen Vielfalt
Die Weihnachtsgans Auguste – Eine besondere Weihnachtsgeschichte
Die kleinen Holzdiebe und das Rätsel der Juggernaut – Eine kindgerechte Einführung in soziale Gerechtigkeit und Kapitalismuskritik von Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt
Wie werden kleine Tiere groß?
"Was tun?", sprach Alex!
Weck nicht den Panda!
Das große Winterabenteuer von Hierony-Maus
Aktuelles
Ludwig Tiecks „Der Weihnachtsabend“ – eine romantische Erzählung über Armut, Nähe und das plötzliche Gute
Krieg in der Sprache – wie sich Gewalt in unseren Worten versteckt
Literaturhaus Leipzig vor dem Aus: Petition und Stadtratsdebatte um Erhalt der Institution
Thomas Manns „Buddenbrooks“ – Vom Leben, das langsam durch die Decke tropft
Grimms Märchen – Zuckerwatte, Wolfsgeheul und ganz viel „Noch eins!“
Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt von Maya Angelou – Ein Mädchen, eine Stimme, ein Land im Fieber
Johanna Hansen: SCHAMROT: Eine niederrheinische Kindheit
Mignon Kleinbek: Wintertöchter – Die Kinder
Wau! – Daniel Kehlmann unter den besten Büchern der New York Times
Der Freund von Freida McFadden – Dating, das nach Angst riecht
Kein Dach, kein Zuhause – The Family Under the Bridge und das andere Weihnachten
Stimmen aus der Stille von Yahya Ekhou: Frauen in Mauretanien, Selbstbestimmung und die Kraft biografischer Literatur
Der gefrorene Fluss von Ariel Lawhon – Eis, Recht und eine Frau, die Protokolle zur Waffe macht
Goreng – 33 urdeutsche Gerichte von Horst Kessel – Wenn die Küche Beige trägt (und wir trotzdem lachen)
Winter mit Jane: Über Bücher, Bilder und das alljährliche Austen-Gefühl
Rezensionen
Die Frauen von Ballymore von Lucinda Riley- Irland, eine verbotene Liebe und ein Geheimnis, das nachhallt
Die stille Heldin von Hera Lind – Eine Mutter hält die Welt zusammen
Kiss Me Now von Stella Tack – Prinzessin, Personenschutz, Gefühlsernst
Kiss Me Twice von Stella Tack – Royal Romance mit Sicherheitsprotokoll
Kiss Me Once von Stella Tack – Campus, Chaos, Bodyguard: eine Liebesgeschichte mit Sicherheitslücke
Die ewigen Toten von Simon Beckett – London, Staub, Stille: Ein Krankenhaus als Leichenschrein
Totenfang von Simon Beckett – Gezeiten, Schlick, Schuld: Wenn das Meer Geheimnisse wieder ausspuckt
Verwesung von Simon Beckett – Dartmoor, ein alter Fall und die Schuld, die nicht verwest
Leichenblässe von Simon Beckett – Wenn die Toten reden und die Lebenden endlich zuhören
Kalte Asche von Simon Beckett – Eine Insel, ein Sturm, ein Körper, der zu schnell zu Staub wurde
Die Chemie des Todes von Simon Beckett– Wenn Stille lauter ist als ein Schrei
Knochenkälte von Simon Beckett – Winter, Stille, ein Skelett in den Wurzeln
Biss zum Ende der Nacht von Stephenie Meyer – Hochzeit, Blut, Gesetz: Der Schlussakkord mit Risiken und Nebenwirkungen
Das gute Übel. Samanta Schweblins Erzählband als Zustand der Schwebe