Mit „Drachenberg“ (ET: 10. April 2025, Neptun Verlag) legt Sagenwanderer Andreas Sommer die Vorgeschichte seiner erfolgreichen Helisee-Saga vor – ein fesselnder Fantasyroman aus der Schweizer Sagenwelt. Zwischen Drachenkult, Freundschaft und uralter Magie kämpft ein Junge gegen ein grausames Ritual. Mystisch, spannend und sprachgewaltig erzählt.
Wenn die alten Geschichten aus der Tiefe steigen und das Wispern der Berge zu Worten wird, dann ist man vermutlich in Vendolindium angekommen – jenem sagenumwobenen Landstrich, der sich rund um den heutigen Thunersee spannt, jedoch in Andreas Sommers Romanwelt ganz eigene Gesetze kennt. In Drachenberg geht die „Helisee-Saga“ in eine neue Runde – oder vielmehr zurück an ihren Ursprung. Denn was hier erzählt wird, ist die dramatische Vorgeschichte zur bereits etablierten Fantasy-Reihe des Berner Autors und Sagenwanderers. Eine Geschichte, die für sich allein steht – aber weit über sich hinausweist.
Das Ritual der Sonnenwenden – und ein Aufbegehren
Die Welt, in der Drachenberg spielt, ist archaisch, rau und durchdrungen von einer uralten Ordnung. Zweimal im Jahr, zur Sonnenwende, werden zwei junge Menschen ausgelost, die als Opfergabe einem schrecklichen Drachen übergeben werden. Der Glaube an den Zorn des Ungeheuers und die daraus resultierende Unterwerfung unter das blutige Ritual bilden das Fundament der Gesellschaft im fiktiven Vendolindium.
Doch dann trifft es beinahe Tarvo – den besten Freund des jungen Anérios, Sohn eines Bootsbauers. Und was bisher als gegeben galt, wird infrage gestellt. Anérios beschließt, nicht länger Teil dieses grausamen Systems zu sein. Mit Mut, Widersinn – und einer Handvoll Verbündeter – stellt er sich dem Drachen. Was folgt, ist ein Kampf nicht nur gegen ein mythisches Wesen, sondern gegen Angst, Aberglaube und Machtmissbrauch.
Zwischen Mythen, Magie und Menschlichkeit
Andreas Sommer entfaltet in Drachenberg eine Erzählung von epischer Dichte, durchdrungen von keltischen Motiven, lokalen Legenden und einem tiefen Verständnis für die Dramaturgie mündlich überlieferter Geschichten. Man spürt, dass dieser Autor nicht vom Schreibtisch aus fabuliert, sondern dass er sich das Erzählen wortwörtlich erlaufen, erklommen und erwandert hat – durch Höhlen, über Gipfel, entlang alter Pfade.
Dabei gelingt ihm das Kunststück, eine fremde Welt zu erschaffen, die dennoch vertraut wirkt. Die uralten Rituale, die geheimnisvolle See-Mutter Vendolindia, die keltischen Monatsnamen und das geheimnisvolle "Kleine Volk" – all das ist nicht einfach Fantasy-Requisite, sondern poetische Chiffre für eine tiefe, naturverbundene Weltsicht. Der Roman ist durchzogen von einer stillen Ehrfurcht gegenüber der Landschaft – aber auch von einem feinen Sinn für Widerstand und Eigenwillen.
Sprachlich kraftvoll, atmosphärisch dicht
Sommers Sprache ist bildgewaltig und zugleich präzise. Seine Figuren sprechen in einem leicht archaisierten Ton, der nicht altertümelnd wirkt, sondern stimmig. Besonders hervorzuheben ist die Balance zwischen Spannung und Mystik: Der Text hält den Leser gefangen, nicht durch vordergründige Action, sondern durch das unaufhörliche Vibrieren der Geschichte, durch die Ahnung, dass hinter jedem Baum ein Geheimnis wartet.
Und dann ist da noch das Erzählen selbst – eingebettet in eine Rahmung, die stark an mündliche Überlieferung erinnert. Der Großvater am Kaminfeuer, der alten Sagen neues Leben einhaucht, ist nicht nur ein Kunstgriff, sondern ein Hinweis darauf, wie diese Geschichten zu uns kommen: durch Zuhören, Weitergeben, Erinnern.
Der Autor: Sagenwanderer mit Erzählinstinkt
Andreas Sommer, Jahrgang 1976, hat als Reiseleiter in der Sahara gelernt, was Geschichten ausrichten können. Heute lebt er am Fuß der Berner Voralpen, wo er als Wanderführer, Erzählkünstler und Autor wirkt. In Drachenberg bringt er all das zusammen: die tiefe Kenntnis der heimischen Landschaft, das Gespür für Mythologie und die Lust am epischen Erzählen. Sein Anliegen ist klar: Geschichten sollen nicht nur unterhalten, sondern Räume öffnen – zu anderen Zeiten, anderen Denkweisen und vielleicht auch zu einer anderen Art, Natur zu verstehen.
Ein epischer Auftakt – auch für Neuleser
Obwohl Drachenberg Teil der „Helisee-Saga“ ist, braucht es keine Vorkenntnisse. Die Erzählung steht für sich – als fesselndes, vielschichtiges Abenteuer, als poetischer Mythos über Mut, Freundschaft und den Wunsch nach Freiheit. Es ist eine Geschichte, die von unten kommt, aus den Tiefen der Höhlen, aus dem Flüstern der alten Steine – und die dennoch in die Höhe strebt, ins Licht, gegen die Angst.
Ein Buch für Jugendliche und Erwachsene, für Sagenliebhaber, für Leserinnen auf der Suche nach einer Welt, die verzaubert – und verwandelt.
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