„Am Fuße des Leuchtturms von Möwenort, weitab von jedem Dorf und jeder Stadt, wohnte in einem schönen alten Rohrdachhaus Timm Tammer.“… (Die Reise nach Sundevit, Benno Plura)
So beginnt Die Reise nach Sundevit, ein Kinderbuchklassiker von Benno Pludra. 1965 erstmals im Kinderbuchverlag Berlin erschienen, liegt das Buch heute in nahezu unveränderter Form bei Beltz & Gelberg vor – mit den originalen Tuschzeichnungen von Hans Baltzer. Der Text bleibt unverstellt, ruhig erzählt, ohne überflüssigen Ballast.
„Die Reise nach Sundevit“
Timm Tammer ist acht Jahre alt. Er lebt mit seinen Eltern an der Ostsee, nahe eines Leuchtturms. Die Sommerferien sind lang, das Umfeld still. Als eine Pioniergruppe in der Nähe zeltet, freundet sich Timm mit den Jugendlichen an. Sie laden ihn ein, sie auf ihrer Reise nach Sundevit zu begleiten.
Bevor es losgeht, erledigt Timm noch kleine Botengänge: Er bringt eine Brille zu einem Bekannten, liefert einen Schlauch für die LPG, überbringt Tee aufs Feld. Die Zeit läuft davon – und als er zurückkehrt, ist die Gruppe bereits weitergereist. Nur ein Zettel bleibt: „Komm nach.“
Timm geht los. Erst mit dem Fahrrad, später zu Fuß. Er wird aufgehalten, kommt auf ein militärisches Übungsgelände, übernachtet schließlich bei Arbeitern. Am Ende trifft er doch noch auf die Gruppe – und darf sich ihnen anschließen.
Zeitlosigkeit eines DDR-Kinderbuchs
Die Reise nach Sundevit ist kein Abenteuerbuch im klassischen Sinn. Es geht nicht um Prüfungen, nicht um Heldentaten. Es geht um Entscheidungen – kleine, konkrete, nachvollziehbare. Timm tut, was zu tun ist. Ohne Applaus, ohne Anleitung.
Die Sprache bleibt klar und ohne Umwege. Pludra beschreibt, was passiert. Ohne zu deuten. Das macht das Buch auch heute noch gut lesbar, obwohl es stilistisch deutlich aus einer anderen Zeit kommt. Kinder, die heute lesen, finden hier keine erklärten Gefühle, sondern Situationen, die Haltung verlangen.
Ein Kinderbuch über Mut, Freundschaft und Verantwortung
Timm bricht auf, obwohl niemand ihn dazu zwingt. Er hilft, obwohl er es nicht müsste. Er kommt an, weil er nicht aufhört zu gehen. Die Reise nach Sundevit zeigt: Mut ist nicht laut, Freundschaft ist nicht inszeniert, und Verantwortung beginnt oft im Kleinen.
Die Zeichnungen von Hans Baltzer begleiten den Text zurückhaltend. Sie ergänzen, kommentieren nicht. Das Buch erklärt sich nicht – es lässt sich lesen.
Ein Kinderbuchklassiker ohne Ablaufdatum
Die Reise nach Sundevit von Benno Pludra ist ein Buch ohne pädagogischen Überbau, das gerade deshalb Bestand hat. Es erzählt davon, wie ein Kind losgeht – nicht, um zu glänzen, sondern um zu halten, was es zugesagt hat.
Wer Kindern eine Geschichte geben will, die sie ernst nimmt, findet hier ein Buch, das nicht anbietet, sondern einfach erzählt. Und das reicht.