Heute beginnt in Darmstadt die Jahrestagung des PEN-Zentrums Deutschland. Eine Woche lang wird dort nicht nur gelesen, sondern verhandelt, was Sprache darf – und was sie muss. Im Mittelpunkt: Freiheit, Demokratie und das, was davon übrig bleibt, wenn Autorinnen und Autoren in den Iran zurückblicken.
Seit 100 Jahren unbequem – und heute nötiger denn je: Der PEN im Weltzustand
Eine Stadt, viele Bühnen – und ein Stadion voller Worte
Darmstadt gibt sich gastfreundlich: Vom Literaturhaus bis zum Marktplatz, von der Orangerie bis ins Merck-Stadion reicht das Gelände dieser literarisch-politischen Festspiele. Mehr als 2.000 Schülerinnen und Schüler sollen dort am Donnerstagvormittag einen Leseweltrekord versuchen – ein symbolischer Kraftakt für das gesprochene Wort, das sonst nur zwischen Schulbuch und Smartphone pendelt.
Doch der Rekordversuch ist nicht das Zentrum. Das Zentrum liegt im Schatten. Es heißt: Writers-in-Exile. Autorinnen und Autoren, die ihr Land verlassen mussten, weil sie das geschrieben haben, was andere nicht lesen wollen. Der PEN bietet ihnen Zuflucht – eine Wohnung, ein Stipendium und vor allem: eine Stimme.
„Das Regime muss weg – aber mit Sprache“
Diese Stimme wird gehört. Am Dienstag sprechen iranische Exilautoren über Perspektiven für ein anderes Iran. Die Aussage ist klar: „Das Regime muss weg – aber auf friedliche Weise, mit Kunst, Sprache und gemeinsamem Engagement“, so Astrid Vehstedt, PEN-Vizepräsidentin. Es klingt wie ein Aufruf zur Revolution mit literarischen Mitteln. Und vielleicht ist es das auch.
Die Lesungen dieser Woche, etwa mit María Teresa Montaño aus Mexiko oder den Gästen aus Myanmar, Syrien und Belarus, geben dem Abstrakten ein Gesicht. Und zeigen, dass das Exil nicht nur Verlust bedeutet, sondern auch Neuformierung – in einer Sprache, die sich nicht enteignen lässt.
Literatur und Macht: kein Liebespaar, aber ein Gespräch
Am Donnerstagabend wird es grundsätzlicher. Olaf Zimmermann, Sprecher des Deutschen Kulturrats, spricht über Kulturpolitik. Der Rahmen: die Centralstation, das Thema: Literatur und Macht. Mit auf dem Podium: der Darmstädter Oberbürgermeister und der Bestsellerautor Klaus-Peter Wolf. Es wird diskutiert, wo Förderung aufhört und Einfluss beginnt. Und ob die Literatur wirklich frei ist – oder nur freier als andere.
Am Freitag dann die Wahl: Das PEN-Präsidium wird neu bestimmt. Verbandsintern ein bedeutendes Ritual, literarisch betrachtet ein Hinweis darauf, dass Organisation auch im Wortbetrieb nicht ausstirbt. Abends dann: ein Panel zur Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Exilliteratur. Der Titel ist kein Zufall: „Die Enteignung der Sprache durch KI“. Es geht um Originalität, Autorschaft – und um die Angst, dass der Algorithmus bald schneller schreibt als das Leben.
Samstag ist Tag der Literatur – oder: Was das Wort noch darf
Am Samstag bezieht der PEN Stellung. Wortwörtlich. Auf dem Wilhelminenplatz werden literarische Stimmen für die Demokratie erhoben. Im Literaturhaus folgen Gespräche über Anthologien, über die Wirksamkeit des freien Wortes in Ost und West, über Zensur, Widerstand und die Frage, ob Literatur in der Lage ist, mehr zu sein als Dekoration.
Am Sonntag klingt die Woche aus. Eine Matinee mit hessischen Autorinnen und Autoren – eher ein Nachklang als ein Finale. Doch auch das hat seinen Reiz: zu sehen, wie viel Gegenwart in der Region steckt, und wie sehr das Lokale das Globale spiegeln kann.
Ein Ort, an dem die Freiheit spricht
Die PEN-Jahrestagung 2025 ist kein Literaturfestival im klassischen Sinn. Und kein politischer Gipfel. Aber sie ist ein Ort, an dem beides zusammenkommt – Literatur und Haltung, Sprache und Position. Eine Woche lang wird in Darmstadt nicht nur vorgelesen, sondern hingehört. Und das ist mehr, als man von mancher politischen Rede behaupten kann.
Die genauen Termine sind zu finden unter: https://www.pen-deutschland.de/pen-tagt-vom-23-29-6-in-darmstadt/