Rund 90.000 Bücher erscheinen jedes Jahr. Eine Wahnsinnszahl. Jeder, der schreibt oder sich damit beschäftigt, weiß, wie schwer es ist, hier als Autor gefunden bzw. gelesen zu werden. Im klassischen Buchmarkt ist wohl das entscheidendste, bei welchem Verlag man landet. Und dabei helfen Literaturagenten. Unzählige gibt es in Deutschland. Einer von Ihnen André Hille von „Hille und Jung“. Lesering sprach mit ihm unter anderem über seine Arbeit als „Literaturspürnase“, die Qualität der diesjährigen Herbstlese und über Selfpublishing.
Wie bist Du Literaturagent geworden?
André Hille: Das hat sich aus meiner Autorenschule Textmanufaktur heraus ergeben. Ich habe in den Seminaren oder im Fernstudium immer wieder Talente entdeckt oder wurde von Autoren angesprochen, ob ich sie nicht vertreten kann. 2012 war es dann so weit und wir haben die Hille & Jung Literatur- & Medienagentur GmbH gegründet.
Was macht einen guten Literaturagenten aus?
André Hille: Aus Sicht der Autoren primär natürlich die Vermittlung des Manuskripts an einen Verlag. Das bleibt auch Kernaufgabe einer Agentur. Doch ich sehe es genauso als Aufgabe, den Autor inhaltlich und strategisch weiterzuentwickeln. Ich denke sehr langfristig, in Jahren oder Jahrzehnten, denn das Schreiben ist eine Lebensvision. Im Idealfall entstehen zwischen Autor und Agent eine Arbeitsfreundschaft und ein großes Vertrauen.
Worauf sollten Autoren bei der Auswahl achten?
André Hille: Sie sollten am besten auf Empfehlungen hören, ansonsten auf eine seriöse Website achten und darauf, dass ein Agent nur auf Provisionsbasis arbeitet (15-20 Prozent). Der Agenturvertrag sollte verständlich und jederzeit kündbar sein - falls es mit der Chemie doch nicht so stimmt oder der Erfolg langfristig ausbleibt.
Wieviel Manuskripte bekommst Du im Monat? Wie wählst Du dann „Deine“ Autoren aus?
André Hille:Wir erhalten zwischen 30 und 50 Manuskripte pro Monat und wir schauen uns alles an. Das allermeiste passt dann aber nicht zu uns oder entspricht nicht unseren Vorstellungen von Literatur. Ich wähle auf der einen Seite nach objektiven Kriterien aus (wie professionell wirkt das Exposé und das Anschreiben, beherrscht der Autor sein Handwerk), aber immer auch nach Bauchgefühl. Ein Projekt muss mich sofort ansprechen, es muss etwas in mir zum Klingen bringen. Das ist immer auch ein Stück weit subjektiv.
Was macht für Dich ein gutes Buch aus ? Was ein schlechtes ?
André Hille: Ein gutes Buch findet ein starkes Thema und setzt es so in Sprache um, dass es mich berührt. Insofern kann man „gut“ oder „schlecht“ immer nur zum Teil objektivieren, da jeden von uns in verschiedenen Lebensphasen verschiedene Themen interessieren und da wir ein unterschiedliches Verständnis von künstlerischer Qualität haben. Auf irgendeine Art muss es ein Buch schaffen, einen Sog zu erzeugen, und es muss für mich eine existenzielle Ebene haben, also das Menschsein berühren.
Wie beurteilst Du die literarische Qualität des diesjährigen Herbstes?
André Hille: Das kann ich nicht sagen, dazu fehlt mir der Überblick. Das Dilemma eines Lektoren oder Agenten ist, dass er mehr unfertige als fertige Bücher liest.
Auf welche Bücher - aus Eurem Haus - bist Du besonders stolz?
André Hille: Auf viele. Wir haben einen kleinen Schwerpunkt im psychologischen Spannungsbereich, hier kann ich Annette Wieners oder Angelika Felenda erwähnen. Im literarischen Bereich freue ich mich auf die nächsten Bücher von Isabella Straub oder Jan Himmelfarb.
Was hältst Du von Selfpublishing?
André Hille: Es ist für Autoren eine gute Möglichkeit, zu publizieren, führt allerdings dazu, dass immer mehr originäre Verlagsarbeiten ausgelagert werden. Man muss alles alleine machen, und die Wahrscheinlichkeit, hier gegen die großen Verlage zu bestehen, is eher gering - zumal die Leser dieselben Qualitätsansprüche haben. Letztlich ist das Produkt Buch einfach zu komplex, als dass einer alles allein machen kann, und wir beobachten, dass sich Selfpublisher auch wieder Agenten oder am Ende Verlage suchen, damit sie sich ganz auf ihre Profession konzentrieren können: das Erzählen guter Geschichten.
Welches Buch würdest Du niemals weggeben?
André Hille: Walt Whitman: Grashalme, aber auch viele andere.
André Hille ist Jahrgang 74, geboren in der Altmark, war Kritiker, Lektor und Programmleiter; 2009 Gründung der Textmanufaktur, 2012 der Literaturagentur Hille & Jung. Hille lehrte und lehrt Prosaschreiben und Lektorat u.a. an der Universität Saarbrücken, der HTWK, der Uni Leipzig und ist Dozent für Prosaschreiben am mediacampus Frankfurt.
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