Das Tagebuch der jungen Anne Frank, in einem Unterschlupf in Amsterdam notiert, ist eines der meistgelesensten Dokumente der Welt. Nun ist ein neues Buch erschienen, welches das schriftstellerische Talent Franks aus anderer Perspektive verdeutlicht.
"Dafür habe ich mich 25 Jahre eingesetzt", sagt die Literaturwissenschaftlerin Laureen Nussbaum und blickt während dessen auf das kleine, knapp 200 Seiten starke Buch vor ihr. Es ist Anne Franks literarisches Vermächtnis, ein "Romanentwurf in Briefen", welcher unter dem Titel "Liebe Kitty" in neuer Übersetzung beim Secession Verlag Berlin erschienen ist.
Laureen Nussbaum, 1927 in Frankfurt/Main geboren, hat lange für diese Neuerscheinung gekämpft. Sie selbst hat die nationalsozialistische Verfolgung in Amsterdam überlebt und stand der Familie Frank sehr nahe. In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur berichtet sie lebhaft über ihre Erinnerungen. „Von den beiden Frank-Mädchen habe ich Margot, Annes ältere Schwester, besser gekannt. Sie war ein Vorbild für mich. Anne war damals für mich ein kleines Kind und in der für Kinder typischen Überheblichkeit habe ich sie nicht sehr ernst genommen.“
Das Tagebuch und der Briefroman
Das schriftstellerische Talent Anne Franks hatte Nussbaum bereits während der Lektüre des Tagebuches erkannt. „Das Tagebuch, das wir alle kennen, ist ein Amalgam, ein Gemisch aus dem spontanen Tagebuch und Annes späterer Überarbeitung“, so Nussbaum.
Die Aufzeichnungen wurden damals von Franks Vater Otto entdeckt, der als einziger der Familie den Holocaust überlebte. Als klar wurde, dass die damals noch als vermisst geglaubte Tochter das Konzentrationslager Bergen-Belsen nicht überlebt hatte, entschied er sich für die Veröffentlichung der Aufzeichnungen. Dabei zog er auch Laureen Nussbaums Eltern zu Rate, die dem Vater eine Veröffentlichung nahelegten. Dieser ließ jedoch einige Pasagen aus, etwa jene, in denen es um den Streit der Eltern im Versteck ging. Außerdem vermischte er Originalaufzeichnungen mit von Anne selbst überarbeiteten Textfragmenten.
Dabei hatte Anne Frank damals bereits eine klare Trennung von Tagebuch und Roman vorgesehen, so Nussbaum. Ihr Vorhaben war es, die Tagebuchaufzeichnungen vollkommen umzuarbeiten und in einen Briefroman zu verwandeln. So schreibt sie ihrer immaginären Freundin Kitty am 29. März 1944: „Stell Dir mal vor, wie interessant es wäre, wenn ich einen Roman über das Hinterhaus herausbringen würde. Allein vom Titel her würde die Leute denken, es sei ein Detektivroman.“
Warum Otto Frank in dem uns bekannten Tagebuch die erzählerischen Ansätze mit den Tagebuchnotizen Notizen vermischte, kann sich Nussbaum nicht erklären. Die Neuveröffentlichung ist für sie eine Art der Wiedergutmachung. „Es ist wichtig, dass wir Anne Frank als Schriftstellerin ernst nehmen, dass man überhaupt junge Menschen ernst nimmt. Dieser Briefroman zeigt, was ein junger Mensch alles kann“.
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