David Szalay gewinnt den Booker Prize 2025 für „Flesh“

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David Szalay gewinnt den Booker Prize 2025 David Szalay gewinnt den Booker Prize 2025 Von TimDuncan - File:DavidSzalay_EIBF2025_i459.jpg, CC0

David Szalay ist der Gewinner des Booker Prize 2025. Der britisch-ungarische Autor erhält die Auszeichnung für seinen Roman Flesh, erschienen bei Jonathan Cape. Die Jury wählte das Werk aus 153 Titeln aus. Die Preisverleihung fand am 10. November in London statt. Szalay ist der erste Autor mit ungarisch-britischem Hintergrund, der diesen Preis erhält. Verbunden mit der Auszeichnung ist ein Preisgeld von 50.000 Pfund.

Ein Roman zwischen Wohnblock und Oberschicht

Flesh ist Szalays sechstes Werk der Belletristik. Der Roman erzählt von István, einem emotional abgekapselten Mann, dessen Leben sich zwischen einem ungarischen Plattenbau und den Luxusimmobilien Londons entfaltet. Erzählt wird mit knapper, präziser Sprache. Die Jury betonte die formale Strenge und die bewusste Reduktion des Romans. Die Handlung zieht ihre Spannung nicht aus dramatischer Zuspitzung, sondern aus struktureller Leere und unterkühlter Beobachtung.

Ein Autor zwischen Sprachen und Staaten

David Szalay wurde in Kanada geboren, wuchs in London auf und lebt heute in Wien. Er ist Autor von sechs literarischen Werken, die in über zwanzig Sprachen übersetzt wurden, sowie mehrerer BBC-Hörspiele. Sein Debütroman London and the South-East wurde mit dem Betty Trask Prize und dem Geoffrey Faber Memorial Prize ausgezeichnet. Internationale Anerkennung erlangte er mit All That Man Is, das 2016 auf die Booker-Shortlist kam und unter anderem den Gordon Burn Prize erhielt. Bereits 2010 wurde Szalay in der Liste der „20 besten britischen Autoren unter 40“ des Telegraphgeführt. 2013 zählte ihn das Magazin Granta zu den „Best of Young British Novelists“.

Jury mit literarischer und medialer Bandbreite

Den Vorsitz der fünfköpfigen Jury hatte Roddy Doyle, selbst Booker-Preisträger von 1993. Er ist der erste ehemalige Gewinner, der dem Preisgericht vorstand. Unterstützt wurde er von der nigerianischen Autorin Ayọ̀bámi Adébáyọ̀, der Schauspielerin und Verlegerin Sarah Jessica Parker, dem Kritiker Chris Power sowie der US-Autorin Kiley Reid. Bewertet wurden Romane, die zwischen dem 1. Oktober 2024 und dem 30. September 2025 in Großbritannien oder Irland erschienen sind.

Auswahlverfahren mit klarer Handschrift

Neben Flesh standen fünf weitere Werke auf der Shortlist: The Land in Winter, The Rest of Our Lives, Audition, The Loneliness of Sonia and Sunny sowie Flashlight. Auf der Longlist waren außerdem Titel wie Misinterpretation, Seascraper, Endling und Universality vertreten. Die Auswahl spiegelt eine Tendenz zu Werken mit formaler Konzentration und gesellschaftlicher Tiefenschärfe.

Ein Text als Risiko

In seiner kurzen Dankesrede sprach Szalay von einem schwierigen Prozess. Das Manuskript sei mehrfach unterbrochen worden, zwischenzeitlich sogar aufgegeben. Die Auszeichnung deutet er als späte Legitimation eines literarischen Risikos: eines Textes, der mehr andeutet als ausformuliert, der Distanz nicht auflöst, sondern produktiv macht.

Ein Roman, der das Erzählen verweigert – und dadurch gewinnt

Mit Flesh wurde ein Roman ausgezeichnet, der sich erzählerischer Konvention weitgehend entzieht. Er verzichtet auf Auflösung, Erklärung, emotionale Identifikation. Die Wahl der Jury zeigt, dass genau darin eine gegenwärtige Relevanz liegt: in der Fähigkeit, Leere auszuhalten und Machtverhältnisse nicht durch Figurenrede, sondern durch narrative Architektur sichtbar zu machen.


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