Der schlauste Mann der Welt von Andreas Eschbach: „Nichts tun“ als radikale Idee – und als Rätsel

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Mit „Der schlauste Mann der Welt“ (2023) legt Andreas Eschbach einen kurzen, pointierten Roman vor, der nicht wie seine großen Tech- und Zukunftsepen funktioniert – und gerade deshalb hängen bleibt. Erzählt wird das Leben von Jens Leunich, einem Millionär, der beschlossen hat, nichts zu tun – aus Überzeugung, dass genau das der beste Weg sei, die Welt nicht weiter zu schädigen. In zehn Tagen will er sein Lebensmodell aufschreiben – denn danach, so kündigt er an, wird er tot sein. Ein Setup zwischen Beichte, Satire und Gesellschaftsdiagnose.

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Der schlauste Mann der Welt: Ein Roman, der zeigt, dass Arbeit nicht alles im Leben ist

Handlung von „Der schlauste Mann der Welt“ : Zehn Tage, zwei Koffer und viele blinde Flecken

Leunich lebt minimalistisch-maximal: zwei Koffer, Luxushotels, genug Zinsen, um jeden Tag in einem neuen Ort aufzuwachen – und nichts zu „arbeiten“. Sein Mantra: Jeder nicht verursachte CO₂-Ausstoß, jede nicht konsumierte Sache, jede vermiedene Aktivität sei ein Gewinn fürs Ganze. Die Gegenwart: Er sitzt in einem Hotelzimmer und diktiert seine Lebensform, rechnet sie schön, verteidigt sie gegen Einwände, erzählt von Beziehungen, Finanzberater, Spekulationen und Rückschlägen. Es gab Momente, in denen der Plan zu scheitern drohte – Geld ist eben nicht nur Sicherheit, sondern Risikokette. Nun bleiben zehn Tage, um Bilanz zu ziehen, die eigene Konsistenz zu prüfen und ein Ende vorzubereiten, das er als logische Konsequenz präsentiert. (Die offizielle Inhaltsangabe fasst das Setting mit „nichts tun“ und „zehn Tage“ zusammen, ohne Auflösung.)

Leise Spannung entsteht nicht aus Verfolgungsjagden, sondern aus Widersprüchen: Wenn Nichtstun „gut“ ist – warum braucht es dann Luxus? Wer profitiert von Scheinheiligkeit, wer leidet an Klarheit? Und: Hält Leunichs Logik noch, wenn Gefühle ins Spiel kommen?

Minimalismus, Moral und die Ökonomie des Unterlassens

  • Minimalismus vs. Moral-Bilanz: Leunichs Modell fordert gängige Leistungsethik heraus. Er ersetzt „Was hast du geleistet?“ durch „Was hast du unterlassen?“ – eine provokante CO₂-Ethik des Nichtstuns. (So rahmt es der Verlag: „Die Kraft liegt in der Ruhe“.)

  • Geld als Freiheit – und als Abhängigkeit: Zinsen finanzieren den Rückzug, aber Märkte sind volatil. Eine falsche Beziehung, eine Finanzkrise, und das Kartenhaus wankt. (Leserstimmen/Rezensionen heben genau diese Bruchstellen hervor.)

  • Narrative Selbstrettung: Leunich schreibt, um sich zu überzeugen – und uns. Der Roman zeigt, wie Menschen Erzählungen bauen, um Entscheidungen zu rechtfertigen.

  • Konsumkritik & Flugscham: Zwischen Luxusbewegung und Askese verhandelt der Text Gegenwartsdebatten: Reisen, Besitz, Klimakrise – und die Frage, ob individuelles Verhalten strukturelle Probleme wirklich löst. (Pressestimmen benennen diesen Zeitbezug explizit.)

Leitmotivische Objekte:

Koffer (bewegliche Identität), Hotelzimmer (Ort ohne Vergangenheit), Kontostand (Ersatz für Sinn), Kalender (zehn Tage als Taktgeber).


Gesellschaftlicher Kontext: Gegenwartsroman statt Zukunftsthriller

Eschbach ist bekannt für große Was-wäre-wenn-Szenarien (Eine Billion Dollar, Herr aller Dinge, NSA). Hier wechselt er ins Hier und Jetzt: Klimadiskurs, Minimalismus, Entschleunigung – Debatten, die seit Jahren Konjunktur haben. Rezensionen betonen: Das Buch sei ungewöhnlich kurz für Eschbach und kein Science-Fiction-Roman. Gerade das erdet die Idee: Utopie im Kleinen, ausprobiert am Beispiel eines Einzelnen.

Ist „nichts tun“ eine Lösung – oder ein Privileg? Der Roman zwingt, diese unbequeme Frage mitzudenken.

Beichte mit Biss – humorvoll, sarkastisch, anekdotisch

Die Erzählstimme ist Ich-zentriert, oft trocken-witzig, mit Selbstironie. Leunich argumentiert, doziert, rechnet vor – und tritt sich dabei permanent selbst auf die Füße. Szenen wechseln zwischen Anekdoten (Reisen, Begegnungen), Wirtschaftsdetails (Anlage, Zinserträge) und Gedankenexperimenten (Was kostet ein Tag Aktivität?). Das ergibt Tempo, obwohl äußerlich kaum „etwas passiert“. Kritiken sprechen von kurzweilig, unterhaltsam und zum Nachdenken anregend – bei überschaubarer Länge.

Zielgruppe: Für wen sich der Roman besonders lohnt

  • Zeitdiagnostiker: Wer über Konsum, Klimahandeln und Work-Life-Ideale nachdenkt, findet hier Reibungsfläche.

  • Eschbach-Fans, die eine leichtere Form mit schwerem Subtext mögen – ohne Tech-Overkill. (Auch Verlags-/Perry-Rhodan-Hinweise betonen den untypisch kurzen, nicht-SF-Charakter.)

  • Buchclubs & Lesekreise: Diskussionsstoff satt: Privileg vs. Prinzip, Moral vs. Rechnung, Individuum vs. System.

Kritische Einschätzung – Stärken & mögliche Schwächen

Stärken

  1. Pointiertes Konzept: Zehn Tage, eine Stimme, eine steile These – klarer Rahmen, der Sog erzeugt.

  2. Zeitgeist-Radar: Minimalismus, Klimadebatten, „Flugscham“, Finanzabhängigkeit – präzise getroffen. (So auch in Pressestimmen.)

  3. Erzählökonomie: Kurze Kapitel, messerscharfe Beobachtungen, Humor als Erkenntnisinstrument.

Mögliche Schwächen

  1. Monoperspektive: Wer viel Plot oder Ensemble erwartet, findet hier eher Gedankenprosa.

  2. Provokation ohne Endbeweis: Der Roman stellt Fragen, statt sie zu lösen – für manche unbefriedigend.

  3. Privilegienblindheit (bewusst gezeigt): Dass Leunichs Lebensmodell Geld voraussetzt, ist Teil der Pointe – aber es kann Abwehr auslösen.


Ist das noch Eschbach – ohne große Zukunftsvision? Antwort: Ja, nur näher an der Gegenwart, mit derselben Lust an logischen Extremen – und deutlich kürzer.

Über den Autor: Andreas Eschbach

Andreas Eschbach ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Erzähler zwischen Gegenwarts-, Technik- und Ideenliteratur. Bekannt wurde er u. a. mit „Das Jesus-Video“, „Eine Billion Dollar“, „Herr aller Dinge“ und „NSA“. Mit „Der schlauste Mann der Welt“ zeigt er seine leichtere, essayistisch gefärbte Seite: kein Thriller, keine Zukunftsmaschine – sondern ein Gedankenroman im Heute. (Einordnung als „ungewöhnlich kurz“ und „nicht-SF“ vgl. Empfehlung der Perry-Rhodan-Redaktion.)

Kleine Form, große Reibung

„Der schlauste Mann der Welt“ ist ein geistreiches Gedanken-Experiment über Verzicht, Verantwortung und Selbsttäuschung. Eschbach liefert keine Heilslehre, sondern eine Einladung, eigene Gewissheiten zu prüfen: Was wäre, wenn Nichtstun wirklich Folgen hätte – gute und schlechte? Wer Lust auf einen kurzen, klugen Roman mit langen Nachwirkungen hat, liegt hier richtig. (Und wer Eschbachs große Ideen liebt, entdeckt hier ihr Gegenstück im Handgepäckformat.)

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