Anne de Marckens Es währt für immer und dann ist es vorbei nutzt die Zombie-Metapher, um Fragen nach Identität, Erinnerung und Liebe zu stellen. Dabei meidet sie platte Gruselmomente und setzt stattdessen auf poetische Bilder und einen inneren Monolog, der das «Untotsein» als neuen Ausgangspunkt dramaturgischer Psychosen entfaltet. Diese erweiterte Rezension zeigt euch, warum der Roman Genre-Grenzen sprengt und welche praktischen Anregungen er für eure eigene Auseinandersetzung mit Verlust und Sehnsucht bereithält.
Anne de Marckens „Es währt für immer und dann ist es vorbei“ – Philosophischer Zombie-Thriller
Worum geht es in Es währt für immer und dann ist es vorbei: Eine „Zombiefrau“ auf der Suche nach dem Kern
Die namenlose Protagonistin erwacht in einem zerfallenen Herrenhaus, das sowohl Zuflucht als auch Theater untoter Gestalten ist. Sie besitzt nur einen Arm, hat sich ihren Brustkorb ausgehöhlt und dort eine tote Krähe eingemauert – ein makabrer Beweis dafür, dass sie mehr Mensch bewahren möchte, als ihr Körper hergibt.
Ohne Rückblenden oder lineare Chronologie begleitet der Roman ihre suche nach Erinnerung: Die Erzählerin tastet sich durch verlassene Korridore, stumme Gespräche mit lebenden Fremden und das Flirren vergessener Gefühle. Jedes Kapitel endet mit einer Andeutung, die neugierig auf das nächste Fragment macht – und dabei niemals den zentralen Twist verrät.
Lesetipp: Notiert euch die wiederkehrenden Symbole (Krähe, Hotelkoridor, Meeresrauschen) – ihre Variation verrät euch nach und nach das innerste Thema.
Aus der Leere entsteht Bedeutung
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Identität jenseits des Körpers
Die Protagonistin definiert sich nicht über physische Vollständigkeit, sondern über Erinnerungsfetzen und symbolische Handlungen (das Eintapezieren der Krähe). -
Erinnerung als Widerstand
In einer Welt, in der alles zerfällt, wird das Erinnern zum letzten Akt der Freiheit – und zur einzigen Waffe gegen das Vergessen. -
Liebe als Konstante
Selbst im Zustand halbvergangener Existenz lodert die Sehnsucht nach Verbundenheit weiter – als Bewährungsprobe für den menschlichen Kern. -
Trauer-Komik
De Marcken verwebt dichte Trauermetaphorik mit schrägem Humor (z. B. Zombie-Klischees als Social-Event), um die Absurdität menschlicher Rituale zu entlarven.
Praxis-Impuls: Reflektiert nach jeder Lese-Session, welche Passage euch am stärksten berührt hat – und warum. Das vertieft den Zugang zum subversiven Humor und zur existenziellen Tiefe.
Zombie-Endzeit als Spiegel unserer Ängste
Postapokalyptische Literatur steht selten so dicht an persönlichen Fragen wie de Marckens Roman. Die globale Pandemiemüdigkeit, die Vereinsamung in digitalen Welten und die Angst vor dem kollektiven Vergessen finden hier eine literarische Entsprechung: Untote symbolisieren nicht nur den körperlichen Zerfall, sondern auch das Ringen um soziale und emotionale Resilienz.
Diskussionsidee: Veranstaltet mit Freund:innen ein Mini-Literaturcafé und besprecht, in welchen realen Krisen die „Zombiemetapher“ für euch am stärksten wirkt.
Fragmentarisch, klar und skurril
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Fragmenthafte Erzählweise: Jeder Textblock gleicht einem Gedächtnisfetzen – ideal, um das Thema Vergessen formal nachzuempfinden.
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Poetische Schärfe: Prosa als Bildgewebe („Die Leere in mir ist größer als alle Leere dieser Welt.“)
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Ironie als Distanzierungsstrategie: Humorvolle Brechungen („Zombies, die letzten Romantiker?“) schaffen Erleichterung im Angesicht des Morbiden.
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Dialog mit dem Inneren: Die stumme Krähe in der Brust fungiert als Echo des Selbstzweifels und als szenischer Partner im Monolog.
Lesetipp: Achtet auf Satzrhythmen – kurze Stakkato-Phrasen markieren Schockmomente, längere Flüsse stehen für Trauer und Reflexion.
Wer Es währt für immer und dann ist es vorbei lesen sollte
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Hobby-Psycholog:innen: Zugang zu narrativen Experimenten, wie man das Ich zerlegt und neu zusammensetzt.
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Literatur-Communities: Stoff für Mikro-Workshops über Postapokalypse und Selbstbild.
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Feuilleton-Leser:innen: Eine auffällige Abwechslung zu herkömmlichen Bellettristik-Empfehlungen.
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Lehrende: Einführung in fragmentarisches Erzählen und Genre-Hybridisierung.
Stärken & mögliche Einstiegshürden
Stärken:
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Radikale Originalität: Ein Zombie-Roman, der sich traut, Gedächtnislücken zu thematisieren.
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Sprachliche Dichte: Poetische Passagen, die hängen bleiben und Nachhall erzeugen.
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Humorvolle Ironie: Bricht Horror-Klischees meisterhaft auf.
Hürden:
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Kein traditioneller Plot: Wer lineare Handlungsstränge sucht, könnte orientierungslos werden.
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Hohe Interpretationsarbeit: Symbolik und Fragmentierung erfordern aktive Leseleistung.
Warum du diesen Roman lesen solltest
Es währt für immer und dann ist es vorbei bietet weit mehr als Zombie-Action: Es ist ein Spiegel für Erinnerungskulturen und ein literarischer Baukasten für existenzielle Fragen. Anne de Marcken zeigt, dass selbst in der Zombie-Leere Sinnund Begeisterung keimen können – wenn man sich traut, den eigenen Kern zum Gespräch einzuladen.
Take-Away für Leser: Geh mit einem Notizbuch ans Werk, halte deine Assoziationen fest und nutze diesen Text als Sprungbrett für Diskussionen über Verlust, Zukunftsangst und die Kunst, im Morbiden Schönheit zu finden.
Über die Autorin: Anne de Marcken
Anne de Marcken studierte Literaturwissenschaft in Berlin und machte sich mit literarisch-philosophischen Romanen einen Namen. Nach dem Debüt Mit ihr. In den Dünen. legt sie mit diesem Werk eine radikale Neudefinition des Zombie-Genres vor. Unter Literaturkritikern gilt sie als Autorin, die Genre-Konventionen nicht nur erweitert, sondern sprengt. De Marcken lebt und schreibt in Frankfurt am Main, wo sie gerade an einem Essayband zur postapokalyptischen Kultur arbeitet.
FAQ: Deine Fragen zum Roman
1. Brauche ich Vorkenntnisse im Zombie-Genre?
Nein – der Roman führt alle Genre-Codes selbstironisch ein und löst sie zugleich auf.
2. Wie lang dauert die Lektüre?
Je nach Tempo 5–8 Stunden; die Fragmentstruktur erlaubt Pausen zwischen den Kapiteln.
3. Ist der Roman abgeschlossen?
Ja, sowohl inhaltlich als auch stilistisch – es gibt keine angekündigte Fortsetzung.
4. Gibt es Sekundärtexte oder Interviews?
Anne de Marcken gab Interviews in der Zeit und im Podcast LiteraturSpiegel, in denen sie über die Hintergründe ihrer Zombie-Metapher spricht.
5. Wie kann ich tiefer einsteigen?
Lesegruppen können Abschnitte als Ausgangspunkt für Debatten über Erinnerungskultur und postapokalyptische Weltentwürfe nutzen.
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