Schützengraben

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An Weihnachten seid Ihr wieder daheim, hatten sie gesagt, in vier Wochen habt Ihr die verfluchten gottlosen Franzmänner besiegt, hatten sie gesagt...
Und nun hocken wir seit Wochen fest im schlammigen Schützengraben. Man nennt es Stellungskrieg. Gestern haben wir einhundert Meter gewonnen, heute zweihundert verloren, und dabei sterben wir hier wie die Fliegen. Sturm! Hatte der Hauptmann geschrien, neben mir mein Kamerad Franz, der mir zurief: „Nur Mut!“ Doch als ich wieder hinsah, war auf einmal sein Gesicht nicht mehr da, ein Schrapnell hatte es in Brei verwandelt. Niemand von Euch zu Hause kann sich vorstellen, wie entsetzlich, grausam und voller Schrecken wir hier dem Tod ins bleiche Antlitz sehen, und das zwanzig mal jeden Tag. Explosionen, junge Kameraden, die, furchtbar langsam sterbend, dahin scheidend im Stacheldraht gefangen, nach ihrer Mama schreien. Manche von ihnen, und es werden immer mehr, sind ja fast noch Kinder, Kanonenfutter.

Wer hier keinen Todesmut hat, keinen dicken Schutzpanzer um die Seele trägt, wird, wenn er nicht stirbt, wahnsinnig vor Angst im Trommelfeuer. Die Momente, wenn wir den Sturmbefehl bekommen, wir aus dem feuchten GRABen mitten ins Maschinengewehrfeuer der Franzosen laufen, um einige Meter Boden zu gewinnen, sind unbeschreiblich, voller Grauen. Und doch gibt es, gerade hier, Momente, in denen ich mich extrem lebendig fühle, wo doch dort drüben der Tod auf mich wartet, eine Zigarette rauchend, oder in den kurzen Feuerpausen.

Ich erinnere mich noch an die Botschaften, die sie mit Kreide auf die Wände der Transportzüge gekritzelt hatten. Jeder Schuss ein Russ`, jeder Stoß ein Franzos`, auf in den Kampf, mir juckt die Säbelspitze.

Wenn sie geahnt hätten, was uns hier erwartet...

Euphorisch, süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben...

Die besten, die Jüngsten von uns gehen hier zugrunde, zu tausenden, ohne je bei einer Frau gelegen zu haben, aus der Schule gerissen, den Kopf voller Lügen über Ehre, Vaterland und glorreichen Siegen.

Gottesmänner auf beiden Seiten der Front predigen: „Gott ist bei Euch, auf Eurer Seite.“ Hier protestantisch, dort katholisch. Wo ist denn dieser Gott? Wie kann er zulassen, was hier unaussprechliches geschieht, jeden Tag, jede Stunde?!

Ich werde nie wieder derselbe sein, zu grausam, was ich hier erlebte, wenn ich zu Hause bin, wenn ich überlebe. Ich habe gehört, dass es immer mehr Verletzte, Heimkehrer gibt, die wahnsinnig wurden, unkontrollierte, zwanghafte Tremor-Bewegungen machten, sogenannte Zittermänner.

Ein Erlebnis hat mir nochmal deutlich gemacht, dass wir hier gegen unsere Brüder kämpfen und nicht gegen unsere Feinde. An Heiligabend, zur Nacht, war plötzlich Stille, die Kanonen, die Maschinengewehre schwiegen, wir zündeten Kerzen an, und auch drüben sahen wir kleine Lichter. Zwei besonders mutige Kameraden, einer Franzmann, einer deutsch, trafen sich in der Mitte und tauschten Wein und Kuchen. Joyeux Noel! Fröhliche Weihnachten! Wir sangen, tranken und aßen. Beim nächsten Morgengrauen ging der Wahnsinn weiter...

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