Am 9. Oktober spricht Denis Scheck in seiner Literatursendung "Druckfrisch" über die aktuellen Romane von Thomas Hürlimann ("Der Rote Diamant") und Sigrid Nunez ("Eine Feder auf dem Atem Gottes") Außerdem kommentiert der Literaturkritiker in gewohnt ungenierter Weise die aktuelle Spiegel Bestsellerliste (Belletristik).
In der kommenden Ausgabe der Literatursendung "Druckfrisch" spricht Denis Scheck mit dem Schweizer Autor Thomas Hürlimann über seinen aktuellen Roman "Der Rote Diamant". Darin wird die Geschichte des elfjährigen Arthur Goldau erzählt, der im Herbst 1963 in ein Klosterinternat hoch oben in den Schweizer Bergen abgeliefert wird. Im September fällt hier schon der Schnee, einmal im Jahr kommt die österreichische Exkaiserin Zita zu Besuch, die Zöglinge lernen, was Generationen vor ihnen bereits zu hören bekamen. Die triste Wiederholung wird jedoch bald durchbrochen. Plötzlich ist irgendwo Bob Dillan zu hören, und die Erzählung eines sagenhaften Schatzes macht die Runde. Ein Geheimnis. Ein Diamant aus der Krone der Habsburger. Es dauert nicht lang, und die ersten konspirativen Treffen werden arrangiert...
"In einem der zahllosen Schränke tickte eine Uhr - vielleicht war sie eingeschlossen, weil der Heilige nur die Ewigkeit gelten ließ. Aber dann bimmelte es kurz. Viertel nach. Offenbar wurde selbst ein Heiliger die Zeit nicht los. Wir sahen durch ein hohes Fenster in die Nacht hinaus, wo es unaufhörlich schneite, und auf einmal spürte ich ein leises Schnauben in meinem Nacken. Ich drehte mich langsam um, und, mein Gott, er war da, herangeschwebt: der Heilige!"
Elegant, spielerisch und mit bösem Witz kommt dieser Roman daher, der Schauergeschichte, Jugendbuch, Kriminalroman, Heimatliteratur und Liebesgeschichte verbindet. Dass Hürlimann dabei mit profunder Kenntnis klösterlicher Verhältnisse und historischer Hintergründe aufwarten kann, macht "Der Rote Diamant" nur noch fesselnder.
Siegrid Nunez - "Eine Feder auf dem Atem Gottes"
Außerdem wirft Scheck einen Blick auf das neue Buch der US-amerikanischen Schriftstellerin Siegrid Nunez. In "Eine Feder auf dem Atem Gottes" begibt sich Nunez auf familiäre Spurensuche. Ein schweigsamer Vater, der Tag und Nacht in den Restaurants von Chinatown am arbeiten ist; eine Mutter die jammert, putzt und sich zurück in ihre alte Heimat träumt, die scheinbar irgendwo im Nachkriegsdeutschland zu finden ist. Insgesamt keine so goldigen Startbedingungen für ein ambitioniertes Mädchen wie Siegrid Nunez eines war. Als Schriftstellerin gelang es ihr, die in Kinderjahren erlebte Tristesse in Poesie zu übersetzen.
"Wir müssen ihm so fremd erschienen sein wie er uns. Für ihn müssen wir immer 'andere' gewesen sein. Frauen. Dämonen. Nicht anders als andere Dämonen, die einen Asiaten nicht vom anderen unterscheiden konnten, die meinten, chinesisches Essen sei Chopsuey und chinesische Bräuche seien Stoff für Witze. Ich müsste viel älter werden, und er müsste sterben, bevor mir der ganze Horror ins Bewusstsein drang. Und dann drang er tief ein, qualvoll wie ein Pfeil, der sein Ziel trifft."
Nunez beobachtet präzise, beschreibt geduldig, lotet aus, schafft es, Menschen sichtbar zu machen, all den verborgenen und ungesagten Leidenschaft, Ängsten und Träumen Konturen zu verleihen. Sie erzählt über Vater und Mutter, über das Konstrukt Familie so, dass keiner der Besprochenen, trotz all der sich auftuenden Abgründe, am Ende gegen diese Form der Beschreibung aussprechen würde. Denn immer ist da auch der aufgeschlossene, warme Blick einer Autorin, die in Verzweiflung, Verachtung, Wut und Schweigen Verweise auf Menschlich erkennt.
Schecks Empfehlung
Außerdem, wie immer: Denis Schecks Kommentar zu den Büchern auf der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste (diesmal Belletristik) und eine ganz persönliche Empfehlung: Birgit Weyhe mit "Rude Girl!"
"Druckfrisch" sehen
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Druckfrisch in der ARD am 9. Oktober um 23:50 Uhr
- Druckfrisch in der ARD Mediathek (am Sendetag)
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