Die mediale Darstellung des Krieges hat sich in den letzten Jahrzehnten zweifellos stark verändert. Insbesondere die Etablierung Sozialer Netzwerke wie Facebook, Instagram oder TicTok lässt den Begriff "Kriegsberichterstattung" in einem völlig anderen Licht erscheinen. Wie und was Medien über Kriege und andere Krisen berichten, wie das Grauen auf sämtlichen Kanälen pausenlos dargestellt und nachgespielt wird, scheint mit Begriffen wie "Propaganda" oder "Infokrieg" nicht mehr hinreichend umschrieben. Denn während man hinter diesen Begriffen so etwas wie einen bestimmbaren Aggressor vermutet, muss man angesichts diverser Instagram, Facebook und TikTok-Posts - die in diesen Tagen den Russland-Ukraine-Krieg auf perfide Weise konsumierbar machen - feststellen, dass es kaum mehr Unterschiede zwischen Aggressor und Opfer zu geben scheint. Wieder müssen wir uns fragen: Inwiefern ist Krieg Entertainment? Ist Kriegsberichterstattung mehr als nur ein etwas authentischerer Action-Film? Und wann hat das angefangen?
Die Geschichte der Kriegsberichterstattung beginnt dort, wo man Geschichten und Erfahrungen noch nicht hat aufschreiben können; lange vor der Erfindung der Schrift also. Während die heimgekehrten Soldaten zur Zeit Alexander des Großen jedoch als Augenzeugen berichteten, haben wir es heut - und in den letzten Tagen vermehrt - mit "Inhalten" zu tun, in denen selbst das gesprochene Wort wegfällt und lediglich die destillierte Performance bleibt. Memes, Fotos, Kurzvideos, in denen tanzende Soldaten zu sehen sind, deren Gewehre performance-getreu zu Gitarren umfunktioniert werden. All diese Inhalte erzählen von einem Krieg. Jedoch nicht von jenem archaischen, den Russland mit dem Angriff auf die Ukraine begonnen hat. Viel mehr scheint es sich hierbei um einen Kampf gegen eine brachial eindringende Realität zu handelt, um eine überstürzte Reaktion auf einen plötzlich eingetretenen Ernstfall, den man - gerade im vom Symbolischen in Beschlag genommenen Westen - bis zuletzt nicht für möglich gehalten hatte. Der Angriffskrieg Russlands brachte eine "andere Welt" auf den Plan. Und anhand unseres Umganges mit dieser "anderen Welt" zeigt sich, dass wir, die wir in der besten allen Welten leben, zu sehr damit beschäftigt waren, in dieser besten aller Welten etwas furchtbar Schreckliches zu finden.
Objektive Berichterstattung, ist das möglich?
Aber kehren wir kurz noch einmal zu Alexander den Großen zurück. Bereits damals hatte man erkannt, das der Augenzeugenbericht mehr ist als eine einfache Auskunft über Sieg oder Niederlage. Bewusste Manipulation und Desinformationen zur Durchsetzung eigener machtpolitischer Ziele stand bereits 300 Jahre vor Christus hoch im Kurs. Der berühmte Bericht "De bello Gallico" des römischen Feldherrn Gaius lulius Caesar über den Gallischen Krieg ist nur ein Beispiel dafür, wie das Eigeninteresse eines Autors reale Begebenheiten verzerrt.
Spätestens mit diesem "De bello Gallico"-Bericht kommen Fragen in die Welt, die seit her am Journalismus kleben und auch heut wieder aufgeworfen werden sollten: Ist eine objektive Berichterstattung überhaupt möglich? Kann - beziehungsweise soll - der Bericht eines Kriegsreporters neutral sein? Welch eine Wahrheit soll hier beschrieben werden? Haben wir es noch mit Erkenntnis liefernden Informationen zu tun, oder sind Kriegsberichterstattungen längst zu bloßen Unterhaltungsinhalten geworden, deren Qualität sich an der Blutrünstigkeit eingefangener Bilder und Motive misst?
Der Knall, der Effekt!
Es wird nicht wenige geben, die Letzterem zustimmen und davon überzeugt sind, dass die Bilder eines furchtbaren Krieges, die Berichte über schreckliche Morde und das Verfolgen von unglaublichen Verbrechen eher entertainen als abschrecken. Und schrecken sie ab, so wird die Abschreckung selbst, kaum ist sie verflogen, zum Inhalt aufregender Gespräche. Man teilt dann diesen kurzen, schockierenden Augenblick, der endlich wieder, wenn auch nur sekündlich, fühlen ließ; der irgendetwas wachrüttelte, was kurze Zeit später schon wieder, unter dem Angebotsüberschuss verschüttet, wortwörtlich unbegreiflich scheint.
Der von Russland geführte "Informationskrieg", der bereits seit Jahren seine Opfer im Westen fordert, der Donald Trump an die Spitze eines Landes und die AFD in den Deutschen Bundestag verhalf, gelingt, weil wir konsumieren wie wir konsumieren. Und so fällt schließlich die von russischer Seite ersehnte und provozierte Destabilisierung der Demokratischen Ordnung ganz augenscheinlich mit der Art und Weise zusammen, wie wir vor wenigen Wochen noch die Corona-Entwicklungen, und jetzt eben den Krieg konsumieren. Damit, dass wir uns gegen diesen "realen Krieg" medial zur Wehr setzen, indem wir tanzende Soldaten anschauen, Soldatinnen-Selfies liken, Bruce Willes und Blau-Gelb und so weiter. Es gibt kein richtiges Konsumieren im Social-Media-Zeitalter. Es gibt keinen propagandafreien Fleck.
Wahrscheinlich - so kann man aus all dem schließen - ist der Begriff der "Kriegsberichterstattung" unter diesen Phänomen und Gebilden überflüssig geworden. Zwischen Paul Ronzheimers Berichterstattung und irgendeinem beliebigen TikTok-Account passt kaum ein Blatt. Das schnellste, hektischste Video ersetzt die Kontemplation, die Explosion die Anhörung. Schicksale werden in Headlines gepresst, hinter jeder Ecke lauert das Produkt, wir selbst. Daher stimmen wir, gewissermaßen tagtäglich, allesamt gemeinsam für die Degeneration, die Medien ebenso wie die Konsumenten, in einer Landschaft der Überinformation, in der die aufrichtige und mühselige Auseinandersetzung längst dem Knall, dem Effekt gewichen ist.
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