Beate Hausbichler: "der verkaufte Feminismus" Ich schmier es mir ins Gesicht - Wie der Feminismus zum Label wurde.

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Wie konnte aus einer politischen Bewegung eine Label werden, welches jeder und jede sich innerhalb weniger Sekunden per Klick oder Stippe drauf schaffen kann? Mit großem Ernst untersucht Beate Hausbichler den Image-Wechsel des Feminismus. Bild: Residenz Verlag

Der Kapitalismus ist bekanntlich in seinen Ausrichtungen und Bedürfnissen nicht unmoralisch, sondern amoralisch. Ob hinter der Kapitalakkumulation die behutsame Pflege oder die rabiate Zerstörung eines Körpers steht, ist für den, der Kapital akkumulieren will, zunächst zweitrangig. Die Kapitalistin wechselt ihre tiefen, herzzerreißenden und menschenfreundlichen Überzeugungen mit dem Wechsel der Windrichtung - heute Weltklima und Emanzipation, morgen Öl und Bitcoins. Wie das System in dem sie lebt, ist sie selbst von Grund auf wankelmütig, geschmeidig, unbeständig und flexibel. Sie ist risikobereit und kann auf den Wind setzen. Sie ist all das, was von sich selbst und ihren Idealen felsenfest überzeugte Bewegung gerade nicht sein können: Anpassungsfähig. Zu welchen Kollisionen es führen kann, wenn der gestaltenwandlerische Kapitalismus auf eine vehemente politische Forderung triff, zeigt das Buch "Der verkaufte Feminismus" der österreichischen Journalistin Beate Hausbichler. Gegenwärtig, so legt uns dieser Text nahe, ist es die Wahlfreiheit selbst, die einen emanzipatorischen Anstrich bekommen hat. Hat der Kapitalismus also gewonnen?

Der Feminismus, so ist sich Beate Hausbichler sicher, ist längst inflationär geworden ist. Das wäre gut und erfreulich, wenn wir nicht danach fragen müssten, mit welchen Dynamiken diese "fortwährende Umwälzung", die, wie bereits Marx und Engels im Kommunistischen Manifest konstatieren, eine Existenzbedingung der Bourgeoisie ist, einhergehen. "Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht ..." schreiben Marx und Engels, um die oben bereits angedeutete Verwandlungs- und Umsturzlust des Kapitalismus aufzuzeigen. Es ist dieser ständig flirrende Hintergrund, vor dem sich auch der Image-Wandel des Feminismus vollzogen hat. Ist es nicht so, dass wir die Forderungen nach Gleichberechtigung vor fünf Jahren noch ein klein wenig ernster nehmen konnten? Dass eine solche Forderung damals mehr Debatte nach sich zog, mehr Aufsehen und Provokation? Der Feminismus, das bemerkte die Soziologin Eva Illouz bereits vor einigen Jahren, scheint vom Kapitalismus gekapert worden zu sein. Und wer könnte dem heute noch widersprechen, wo wir doch selbst miterleben konnten, wie aus einer politischen Forderung zunächst eine Ware und schlussendlich ein Label geworden ist; ein Label, welches sich jeder und jede per Klick oder Swipe problemlos und beliebig überstreifen kann. Jeder und jede ist plötzlich feministisch, und die grundlegend wichtigen Anliegen einer aufbegehrenden Bewegung verschwinden zusehends hinter einer Masse sich gegenseitig nivellierender Individualisten.

Die feministische Powerfrau

Jede Powerfrau ist heute zugleich eine Feministin, schreibt Beate Hausbichler in ihrem Buch mit Blick auf den Image-Wandel des Feminismus. Ob Ivanka Trump, Beyoncé oder Christine Lagarde, sie alle bekennen sich offen und lautstark zum Feminismus. Welche feministischen Ideale sie wo vertreten wird dabei nicht ganz klar, der Erfolg wird ganz einfach mit dem Frau-Sein Zwangsverheiratet.

Die feministische Powerfrau geht beinahe immer mit einer bunten Produktpalette hausieren, bewirbt eine Vielzahl an Angeboten, die das Selbstbewusstsein stärken, die Selbstidentifikation vorantrieben, das Selbstwertgefühl steigern. Diese gebetsmühlenartige Wiederholung - "self, self, self" - erinnert ein wenig an das legendäre Interview zwischen Rogar Willemsen und Madonna. Denken Sie an all die Poster von Ihnen, die weltweit in den Kinderzimmern hängen, sagte Willemsen, und schloss die Frage an: Wenn sie Nachts aus diesen Postern hinabsteigen könnten, was würden sie den Kindern sagen? Nach einer langen Pause antwortete Madonna: Du musst vor dir selbst Achtung haben, liebe dich selbst... self, self, self.

Die feministische Powerfrau hält Ausschau nach einer jungen, meist weiblichen, Prä-Powerfrau-Zielgruppe, um dieser ein Angebot zu unterbreiten, welches unbedingt Selbstbewusstsein und Selbstidentifikation verspricht. Die im Anschluss angepriesenen Produkte bekommen einen Transfer-Charakter; beinahe scheint es so, als ginge von Cremes, Shampoos oder make-up-Artikeln eine feministische Kraft aus, frei nach dem Motto: "Du bist was du kaufst". Die freie Wahl wird mit emanzipatorischem Gehalt aufgeladen, so Hausbichler. Letztlich aber zielt diese Wahl zumeist in die exakt falsche Richtung.

Feminismus und weiblicher Erfolg

Dass der hyperindividuelle Feminismus allzu schnell mit weiblichem Erfolg gleichgesetzt und verwechselt wird, wirkt zersetzend auf die politischen Forderungen und der mit ihnen einhergehenden Kampfbereitschaft. Das Streben nach Erfolg ruft immer mehr Self-Care-Influencerinnen hervor, die propagieren, die wichtigste Arbeit sei die Arbeit am Selbst. Somit aber, bekommt der Begriff der Selbstermächtigung, der im feministischen Diskurs seit jeher eine wichtige und tragende Rolle spielte, eine unschöne, ja neoliberale Färbung, so Hausbichler. Es ginge nicht mehr um soziale Anliegen, sondern um selbstdarstellerische Absichten.

Die Autorin verweist noch einmal darauf, dass die feministische Bewegung nur als kollektivistische Bewegung funktionieren kann und nicht als Egotrip einiger weniger, die vorgeben, als starke selbstbewusste Frauen das Patriarchat stürmen zu können. Mit dieser Erzählung komme man schnell an die Grenzen einer zutiefst patriarchalischen Aufmerksamkeitsökonomie im Plattformkapitalismus.

Optimistisch kann Hausbichler nicht auf die gegenwärtige Lage blicken. Und wenn sie, böse und nicht ohne Ironie, schreibt, heute liefe es gut für den Feminismus, da er Inzwischen "Everycoy´s Darling" sei, dann bringt sie das Kernproblem auf den Punkt: Je heterogener und pluralistischer eine Gesellschaft ist, desto schwieriger wird es sein, ein einziges festes Anliegen durchzufechten, selbst wenn dieses Anliegen ein so wichtiges wie die Forderung nach Gleichberechtigung ist. Ein kapitalistisches System hingegen, profitiert von den Fliehkräften in der Gesellschaft. Er setzt sich in jede neue entstandene Lücken, füllt jeden Riss. Die feministische Überzeugung sollte die Kapitalismuskritiker nicht außen vor lassen. Vielleicht ist das die einfach wie wichtige Botschaft in Beate Hausbichlers Buch.


Beate Hausbichler: "Der verkaufte Feminismus. Wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Label wurde"; Residenz Verlag, 2021, 224 Seiten, 22 Euro



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