Einen Versuch ist es wert!, dachte sich der Dresdner Journalist Thomas Bärsch, sein wundervolles Kinderbuch „Die Geschichte von einem kleinen Kuckuck, der nicht einsehen wollte, warum er seine Geschwister aus dem Nest werfen sollte“ im Selbstverlag zu veröffentlichen. Doch ob der hochgehypte Trend Selfpublishing seine Erwartungen erfüllen konnte, hat er in unserem Interview des Monats mitgeteilt.
„Die Geschichte von einem kleinen Kuckuck, der nicht einsehen wollte, warum er seine Geschwister aus dem Nest werfen sollte“ ist Dein zweites Kinderbuch. Was reizt Dich daran, für Kinder zu schreiben?
Es ist der unverkrampfte Blick auf die Welt, die naive, und doch so kluge Art zu denken.
Du hast selbst zwei Kinder, wie kam das Buch bei Ihnen an?
Die große (zehn) war erst ganz wild darauf, hier mit Bilder zu malen, sie kennt die Geschichte und findet sie gut. Für die Kleine ist es zu früh. Die Vorstellung, dass es Vögel gibt, die ihre Geschwister aus dem Nest werfen, möchte ich vielleicht auch noch ein Jahr von ihr fernhalten. Und die große…sie ist zehn und gibt sich manchmal schon ganz schön cool. Wie gesagt kennt die Geschichte, und hat auch schon über einzelne Momente sehr gelacht, aber ob sie sie wirklich richtig gelesen hat, das frage ich sie lieber nicht.
Wie bist Du auf die Geschichte gekommen?
Ich finde es spannend zu fragen, was eigentlich passiert, wenn mal etwas vollkommen aus der Norm fällt. Das war bei dem „Streik der Buchstaben“ (1996) so, und jetzt wieder. Gedankenspiele, was wäre wenn… sowas eben. Naja und Kuckucke sind schon faszinierende Lebewesen, viel komplexer als es am Ende im Buch übrig bleibt – und so hab ich beides zusammengebracht: die Tiere und den Denkansatz. Aber ganz ehrlich: Plötzlich war sie da, die Idee, und geschrieben hat sich die Geschichte dann fast von selbst.
Du arbeitest fürs Fernsehen, hast auch Radiobeiträge und lange Filme gemacht: Was macht für Dich eine gute Geschichte aus?
Vieles: Gut folgen können. Schnell neugierig gemacht werden. Wendungen in der Handlung. Verschiedene Charaktere, die mir auch nicht alle gefallen müssen. Eine nicht abgedroschene Sprache. Ab und zu schmunzeln müssen...
Das Buch ist im Selbstverlag erschienen, welche Hürden müsstest Du nehmen?
Sehr viele: Am Anfang denkt man ja, es ist so, wie die Portale es einem verklickern: „Schick uns dein Manuskript – wir drucken dein Buch“… Was da alles dranhängt, das sagen sie einem nicht. Und auch nicht, dass sie wirklich jeden Mist drucken würden, der vom Autor kommt. Egal wie viele Fehler da noch drin sind, und wie es aussieht. Aus dem Ansatz „Ich habe ja die Geschichte, die veröffentliche ich mal schnell“ wurde dann: „Ich sitze fast drei Monate jede Nacht von elf bis eins am PC und gebe erst auf, wenn mein Kopf auf die Tischplatte fällt.“ Und: Besonders ernüchternd: Durch die Zeichnungen wird das Buch unendlich teuer. Wer soll denn bitte 14 Euro (inkl. Versand) für ein DIN A5-Heftchen bezahlen, in dem 15 Zeichnungen sind? Das ist so teuer, dass ich mich fast schämen würde, es zu bewerben. Und bei den 14 Euro würde ich nicht einen Cent verdienen.
Was sind Deiner Meinung nach die Vor – und was die Nachteile beim Thema Selfpublishing?
Wenn man ganz ehrlich ist: Es gibt keinen Vorteil beim Selfpublishing. Außer eben dem einen, dass du ganz einfach ein Buch veröffentlichen kannst – egal, was für ein Erzeugnis es dann wird. Alles andere (Buchsatz, Layout, Korrektorat, Lektorat, Zeichnungen, Druck, Umschlag, Gestaltung, Papier, Werbung, Preisgestaltung, Vertrieb…) für all das brauchst du eigentlich Profis, es sei denn, du bist so von dir überzeugt, dass du das alles selbst machst. Oder du vergibst es an Externe … und dann kostet es wieder. Ich habe durch das Projekt tatsächlich gelernt, die Bücher im Buchladen wieder zu schätzen. Ich halte das ganze Selfpublishing-Wesen für eine schöne Spielerei. Und für einen Wirtschaftszweig, den die am Leben erhalten, die für ihren Traum, Schriftsteller zu sein, einfach auch bereit sind, sehr viel Geld und Arbeit zu investieren.
Steckt auch ein bisschen von Willi in Dir 😊?
Ja.
Woran arbeitest Du im Moment?
Ich bin grad 50 Jahre alt geworden. Und beim Nachdenken über diese Zahl fiel mir auf, dass ich zeitlich (1967) näher am Kriegsende geboren wurde, als meine kleine Tochter am Mauerfall (2013). Und dass ich vom Alltag im Nationalsozialismus absolut nichts weiß. Damit es meinen Kindern mit der DDR nicht genauso geht, habe ich angefangen, kleine Geschichten aus dem DDR-Alltag zusammenzutragen, wie ich ihn als Kind erlebt hab. Das sind inzwischen viele geworden, und sie verraten alle sehr viel über den doch traurigen Alltag in der Diktatur. Das Projekt steckt in den Startlöchern, und wenn sich kein Verlag findet, werde ich es doch wieder selbst angehen. Auch wenn ich dafür wieder drei Monate lang nachts am Schreibtisch einschlafe. Das gute aber hier: Das Buch hat keine Bilder, es wird preislich akzeptabel sein, und ich kann es mit gutem Gewissen bewerben. Insofern steht einem überwältigenden Erfolg eigentlich nichts im Weg :-)
Über den Autor
Thomas Bärsch wurde 1967 in Leipzig geboren. Seine Eltern wollten kein sächsisch sprechendes Kind und schickten ihn zur Kindersprecherausbildung von Radio DDR. Dort sprach er in Hörspielen mit und bekam Einblicke in die Welt der Dramaturgie und der Geschichten. Diese Welt ließ ihn nie mehr so richtig los. Er studierte Lehramt und schrieb nebenher zwei Hörspiele und ein Kinderbuch ("Der Streik der Buchstaben", 1996). Seine Geschichten tragen Fabelcharakter und folgen oft der Frage: Was wäre, wenn? Während und nach dem Studium arbeitete er als freier Journalist für die ARD. Seine Recherchen führten ihn nach Kenia, nach Bolivien und in die USA.... bis nach Sachsen, wo er seit dem Jahr 2000 als Landeskorrespondent für das ZDF berichtet. Nach einem eigenen Kurzfilm ("Schmidt & Kitty", 2006) entdeckt er nun die Welt des self-publishing für sich.
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