Eine Million Teeniefilme haben uns auf das College vorbereitet – kaum einer auf einen geheimen Bodyguard im Wohnheim. In „Kiss Me Once“ zündet Stella Tack eine sehr deutsche Variante der amerikanischen Campus-Fantasie: reiches Mädchen inkognito, tätowierter Nachbar mit Geheimauftrag, knisternde Nähe – und die Frage, ob Selbstbestimmung und Dauerüberwachung zusammenpassen. Als Auftakt der „Kiss the Bodyguard“-Reihe wurde der Roman zum Bestseller und definierte für viele Leser die heimische New-Adult-/College-Romance neu: humorvoll, clever getaktet, mit einer Heldin, die nicht brav, sondern lustig eigensinnig ist.
Kiss Me Once von Stella Tack – Campus, Chaos, Bodyguard: eine Liebesgeschichte mit Sicherheitslücke
Handlung von Kiss me Once – Ivy & Ryan, Nähe unter Aufsicht
Ivy Redmond will endlich normal studieren – ohne Chauffeur, Boulevard und väterliche Regeln. Deshalb schreibt sie sich inkognito an der University of Central Florida ein. Schon am ersten Tag läuft sie Ryan MacCain über den Weg: grünäugig, brummig, auffällig – und, wie Ivy bald merkt, ihr geheimer Bodyguard, den der Vater angeheuert hat. Im Wohnheim liegen ihre Türen Wand an Wand; im Alltag prallen Unabhängigkeitsdrang und Sicherheitsprotokoll frontal aufeinander.
Tack variiert die Bodyguard-Romance als Campuskomödie: Wortgefechte, Reiz und Reibung, dazu Nebenfiguren, die Ivys Tarnung gefährden. Aus Flurgesprächen werden Grenzverhandlungen: Wer bestimmt die Regeln? Wie privat darf man sein, wenn jemand offiziell zuständig ist, dich „zu beschützen“? Natürlich geraten Gefühle dazwischen – nur: Was ist echt, was Auftrag? Und wie viel Risiko verträgt Liebe, wenn das Risiko Teil des Settings ist? (Konkrete Twists bleiben hier ausgespart; wichtig ist: Das Buch führt Ivy und Ryan nicht durch „großes Drama“, sondern durch viele kleine Entscheidungen, die beide erwachsener machen.)
Selbstbestimmung, Privatsphäre, Machtgefälle
Freiheit vs. Fürsorge: Ivy will Eigenverantwortung, ihr Umfeld Sicherheit. Der Roman fragt ziemlich direkt, ob „beschützen“ nicht oft kontrollieren meint – und wie man sich im Schatten guter Absichten verkleinern kann.
Privileg & Normalität: Ivys Reichtum ist kein Glitzer, sondern Problem: Privileg macht angreifbar, aber es entfremdetauch. Die Tarnung am Campus ist darum mehr als ein Kostüm – sie ist eine Übung in Selbstverortung.
Körperlicher Schutz, emotionale Nähe: Bodyguard-Romance lebt vom Machtgefälle. Tack bremst toxische Muster mit Humor, Konterdialogen und klaren Grenzsetzungen: Nähe entsteht, weil beide lernen, nicht weil einer erlaubt.
Freundschaft & Wahlfamilie: Neben dem Paar trägt der Roman von Sidekicks und Wohnheim-Mikrokosmos. Zugehörigkeit wird gewählt, nicht vererbt – ein wichtiges New-Adult-Motiv.
Warum das so gut funktioniert (auch auf Bookstagram & Co.)
„Kiss Me Once“ bedient ein Bedürfnis nach leichter, aber nicht hohler Eskapade: Campusleben, Witz, knisternde Dynamik – und ein Trope (Bodyguard), das normalerweise in Luxusvillen spielt, hier aber studentisch geerdetdaherkommt. Für den deutschsprachigen Markt war das 2019 ein Glücksgriff: New Adult aus hiesiger Hand, spürbar amerikanisch im Setting, sprachlich hemdsärmlig und dialogstark. Der Erfolg trug die Reihe weiter: Band 2 „Kiss Me Twice“ (Royal-Variante) und Band 3 „Kiss Me Now“ (Prinzessin & Palast-Bodyguard) bauen jeweils auf eigenständige Paare – der Seriencharakter bleibt.
Stil & Sprache – Tempo, Timing, Tanzfläche für Dialoge
Tack schreibt, als säße man neben Ivy im Flur: nah, schnell, pointiert. Die Kapitel sind auf Cliffchen getaktet, nicht auf Showdowns; die Komik kommt aus Kontrasten (Ivy impulsiv, Ryan dienstlich grummelig). Der Ton bleibt jugendlich, aber nicht kindlich; Sprachwitz ersetzt Pomp. Körperliche Anziehung ist klar präsent, bleibt aber altersangemessenerzählt – ein Grund, warum der Roman in die YA/NA-Schnittmenge fällt.
Zielgruppe – Wer wird hier glücklich?
-
Leser, die College-Romances mit Bodyguard-Trope mögen – slow burn plus banter.
-
New-Adult-Fans, die Humor schätzen und weniger Wert auf „harte“ Konflikte legen.
-
Einsteiger, die eine zugängliche deutsche Stimme im NA-Bereich suchen.
-
Weniger geeignet für Leser, die realistische Sicherheitslogik erwarten: Die Prämisse ist bewusst romCom-haft.
Kritische Einschätzung – Stärken & Schwächen
Stärken
-
Chemie & Dialoge: Ivy/Ryan funktionieren – funkt, knistert, kontert.
-
College-Atmosphäre: Wohnheim, Alltagschaos, Wahlfamilie – glaubwürdig und feelgood.
-
Grenzen mit Humor: Das Machtgefälle wird verhandelt, nicht romantisiert.
Schwächen
-
Sicherheits-Setup: Ein geheimer Bodyguard im Wohnheim braucht Glauben – wer Realismus will, stolpert.
-
Wiedererkennbare Tropes: Manche Beats (Missverständnisse, „No dating“-Regel) sind genretypisch.
-
Konflikttiefe: Der Ton bleibt light; wer seelische Schwergewichte sucht, greift anderswo zu.
Wenn du nach dem Lesen weiterdenken willst
-
Boundary Setting am Campus: Was ist Schutz, was Grenzverletzung? Notier dir Szenen, in denen Ivy Regeln umdefiniert – genau darin liegt ihre Entwicklung.
-
Privilegien-Check: Wie beeinflusst Ivys Herkunft Freundschaften? Woran merkt man, dass die Tarnung funktioniert – und wo bricht sie?
-
Trope-Spotting: Bodyguard, Enemies-to-Lovers-light, Close Proximity – welche Tropes liebst du, welche nerven? Das Buch eignet sich als Trope-Landkarte für NA.
Über die Autorin – Stella Tack (konkret & knapp)
Stella Tack (*1995) ist eine österreichische Autorin, die mit „Kiss the Bodyguard“ ihren Durchbruch im deutschsprachigen Young Adult/New Adult feierte; alle drei Bände landeten auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Abseits der Reihe hat sie mit „Night of Crowns“, „Black Bird Academy“ und der Märchen-Trilogie „Ever & After“ weitere sehr erfolgreiche Projekte vorgelegt. Tacks Markenzeichen: Tempo, Wortwitz, Charakterchemie – und Settings, die wie Spielplätze für Dialoge funktionieren. 2025 erschien zudem die Graphic Novel zu „Kiss Me Once“.
Fazit – Leicht, witzig, mit klarem Herzschlag
„Kiss Me Once“ ist das Buch, das man nach einem langen Tag aufschlägt und zu früh wieder zuschlägt, weil man „nur noch ein Kapitel“ lesen wollte. Es liefert, was College-Romance verspricht – Funkenflug, Freundschaft, erste große Entscheidungen – und hat genug Selbstironie, um das Bodyguard-Setup nicht zu verherrlichen, sondern auszuloten. Wer Chemie, Humor und Herz sucht, wird hier fündig. Wer harte Realismen erwartet, nimmt lieber einen True-Crime-Band. Für alle anderen gilt: Willkommen im Wohnheim – und bitte Türen abschließen, nur so zur Übung.
In welcher Reihenfolge weiterlesen?
-
Band 1: Kiss Me Once (Ivy & Ryan)
-
Band 2: Kiss Me Twice (Silver & Prescot, Royal-Setting)
-
Band 3: Kiss Me Now (Eve & Kingsley, Palast/Internat)
Hier bestellen
Topnews
Ein Geburtstagskind im November: Astrid Lindgren
Geburtstagskind im Oktober: Benno Pludra zum 100. Geburtstag
Das Geburtstagskind im September: Roald Dahl – Der Kinderschreck mit Engelszunge
Ein Geburtstagskind im August: Johann Wolfgang von Goethe
Hans Fallada – Chronist der kleinen Leute und der inneren Kämpfe
Ein Geburtstagskind im Juni: Bertha von Suttner – Die Unbequeme mit der Feder
Ein Geburtstagskind im Mai: Johannes R. Becher
Ein Geburtstagskind im April: Stefan Heym
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
Biss zur Mittagsstunde von Stephenie Meyer – Wenn Liebe schweigt und Wölfe sprechen
Nächstes Jahr am selben Tag von Colleen Hoover: Ein einziger Tag pro Jahr – kann das Liebe tragen?
After Forever von Anna Todd – Vergebung und Abrechnung im Dunkel der Gefühle
„Nur noch ein einziges Mal“ von Colleen Hoover – Eine schonungslose Geschichte über Liebe, Gewalt und die Kraft des Neuanfangs
Die mysteriöse Taschenuhr
Biss zum Ende der Nacht von Stephenie Meyer – Hochzeit, Blut, Gesetz: Der Schlussakkord mit Risiken und Nebenwirkungen
Biss zum Abendrot von Stephenie Meyer – Heiratsantrag, Vampirarmee, Gewitter über Forks
Der große Sommer von Ewald Arenz– Ein Sommer, der vom Schwimmbad aus die Welt erklärt
Ein ganz neues Leben von Jojo Moyes – Trauerarbeit mit Tempo: Wenn Weiterleben kein Verrat ist
Zurück ins Leben geliebt von Colleen Hoover – Regeln, die Herzen brechen
Für immer ein Teil von dir von Colleen Hoover – Schuld, Scham, zweite Chancen
„Culpa Nuestra – Unsere Schuld“ von Mercedes Ron - Endspiel mit Herzklopfen: Was bleibt von „für immer“?
Culpa Tuya – Deine Schuld von Mercedes Ron – Liebe auf Risiko, Runde zwei
Culpa Mía – Meine Schuld von Mercedes Ron – Verbotene Funken, viel PS und noch mehr Herz
Was du siehst von Laura Maaß – Liebesgeschichte, Landluft, Lebensfragen
Aktuelles
Zwischen Vers und Verwandlung – Fitzebutze als poetische Kindheitsform
Kiss Me Once von Stella Tack – Campus, Chaos, Bodyguard: eine Liebesgeschichte mit Sicherheitslücke
Michael Danzinger: (unbenannt)
Frank Schwieger: Trümmerkinder – Wie wir die Nachkriegszeit erlebten
Seele von Jeannette Schmieder
Miljenko Jergović erhält Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2026
Wie der Grinch Weihnachten gestohlen hat von Dr. Seuss
Jana Mühlbach: „Für immer Jetzt“ – ein Song in Erinnerung an Richard
So ein Struwwelpeter von Hansgeorg Stengel & Karl Schrader
SPIEGEL-Sachbuch November 2025 – kommentiert von Denis Scheck
Hanns-Josef Ortheils „Schwebebahnen“ – Kindheit über Abgründen
JenK: Im eigenen Element
Louis C.K.s Ingram
Elizabeth Shaw: Der kleine Angsthase
Gabriele Ludwig: Der Weihnachtsmannassistent
Rezensionen
Totenfang von Simon Beckett – Gezeiten, Schlick, Schuld: Wenn das Meer Geheimnisse wieder ausspuckt
Biss zum Ende der Nacht von Stephenie Meyer – Hochzeit, Blut, Gesetz: Der Schlussakkord mit Risiken und Nebenwirkungen
Das gute Übel. Samanta Schweblins Erzählband als Zustand der Schwebe
Biss zum Abendrot von Stephenie Meyer – Heiratsantrag, Vampirarmee, Gewitter über Forks