Ein Garten gegen das Vergessen Georgi Gospodinovs „Der Gärtner und der Tod“ ist Buch des Jahres der SWR Bestenliste

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Ein Mann wird zum Garten. So beginnt Georgi Gospodinovs Roman Der Gärtner und der Tod, und so endet er auch – nicht in einer Pointe, sondern in einem Kreis. Dass dieses Buch nun von der Jury der SWR Bestenliste zum „Buch des Jahres 2025“ gewählt wurde, ist keine Überraschung, sondern ein stilles Einverständnis: mit einer Prosa, die sich dem Abschied nicht entzieht, sondern ihm Gestalt gibt.

Georgi Gospodinovs „Der Gärtner und der Tod“ Georgi Gospodinovs „Der Gärtner und der Tod“ Aufbau Verlag

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Der Gärtner und der Tod: Roman

Ein Solitär unter den Büchern über Tod, Abschied und Trauer

Die Jurybegründung spricht von einem „Solitär“ – einem Einzelstück im großen literarischen Feld der Trauerliteratur. Das ist mehr als Lob: Es ist eine Diagnose für ein Werk, das seine Einzigartigkeit nicht durch Lautstärke, sondern durch Genauigkeit behauptet. In der Erinnerung an den krebskranken Vater – einst Gärtner, nun Garten – wächst bei Gospodinov kein Denkmal, sondern eine lebendige Textlandschaft: autobiografisch grundiert, historisch aufgeladen, literarisch durchkomponiert.

„Jetzt ist er ein Garten“, heißt es zu Beginn. Diese Metapher trägt den Roman, aber sie droht nie ins Pathetische zu kippen. Vielmehr gelingt es Gospodinov, das Persönliche ins Anthropologische zu weiten: Der sterbende Vater wird zur Chiffre einer Epoche, eines Landes, einer Welt im Wandel.

Bulgarien zwischen Blüte und Bruch

Gospodinov erzählt nicht nur vom Sterben eines Menschen, sondern vom Ende einer Ära. Sein Vater, eine Figur zwischen Pragmatismus und Poesie, steht für ein Bulgarien vor und nach 1989: ein Land, das vom Sozialismus in die Unsicherheit stolpert, das Geschichte in Bruchstücken trägt – genau wie der Sohn die Geschichten seines Vaters. Alexander Sitzmanns Übersetzung trifft diesen Ton: weich, elliptisch, manchmal fast flüchtig – wie Erinnerungen eben.

Dass „Der Gärtner und der Tod“ kein lautes Buch ist, macht es umso notwendiger. Es stellt sich nicht vor die Zeit, sondern neben sie. Es urteilt nicht, sondern beobachtet. Der Garten wird zum Denkraum, die Erzählung zur Pflege des Vergangenen. Es ist ein Buch über Tod – aber geschrieben aus der Sehnsucht nach Leben.

Literatur als Nachlassverwaltung

Der Erfolg von Gospodinov ist kein Zufall. Spätestens seit seinem Roman Zeitzuflucht, für den er 2023 den International Booker Prize erhielt, gilt er als eine der wichtigsten Stimmen der europäischen Gegenwartsliteratur. Der Gärtner und der Tod ist sein intimstes Buch – und vielleicht sein offenstes. Es erinnert in seiner Struktur an ein herbariumsartiges Archiv: Fragmente, Beobachtungen, Abschiede, mit poetischer Genauigkeit gesammelt.

In einer Zeit, in der öffentliche Diskurse oft polarisieren, bietet dieses Buch etwas anderes: Konzentration. Der Garten ist kein Zufluchtsort, sondern ein Ort der Auseinandersetzung. Zwischen Vater und Sohn. Zwischen Biografie und Geschichte. Zwischen Leben und Vergehen.

Die Wahl als Geste

Dass die SWR Bestenliste diesen Roman zum Buch des Jahres erklärt, ist auch eine Entscheidung für leise Literatur. Gegen Marktlogik. Gegen mediale Lautstärke. Die Liste, seit über vier Jahrzehnten eine Institution jenseits der Bestsellercharts, schafft mit ihrer jährlichen Auszeichnung einen Raum für Werke, die mehr tun, als nur zu unterhalten: Sie erinnern uns daran, dass Literatur ein Ort ist, an dem Trauer nicht endet, sondern beginnt, in Sprache überzugehen.

Ausgewählt wurde Der Gärtner und der Tod aus einer Longlist, auf der Namen wie Dorothee Elmiger, Jonas Lüscher, Natascha Wodin oder Thomas Pynchon standen – Autorinnen und Autoren mit großer formaler und thematischer Bandbreite. Dass Gospodinovs stilles Buch sich gegen sie durchsetzte, zeigt, wie stark der Wunsch nach erzählerischer Tiefe geblieben ist.

Ein Garten im Dezember

Im Dezember 2025, einem Monat der Rückblicke, wird Gospodinovs Roman zur literarischen Pflanzung. Er ist kein Monument, keine Diagnose, kein Traktat. Sondern: ein langsames Buch. Eines, das Zeit braucht – und sich nimmt. Wie ein Garten im Winter: scheinbar ruhend, in Wahrheit voller unsichtbarer Prozesse.


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