Pünktlich zur Urlaubszeit zieht Amazon Bilanz: Welche Bücher liegen diesen Sommer besonders häufig auf Liegestühlen, Balkontischen und Nachtkästchen? Die Antwort fällt erwartungsgemäß heterogen aus – und doch sagt sie einiges über das literarische Konsumverhalten der Republik.
Psychospiel, Herzklopfen und ein bisschen Lebenshilfe
Ganz vorne in der Gunst der Lesenden: Sebastian Fitzek, der es einmal mehr versteht, seelische Abgründe mit schrägem Witz zu garnieren. Sein neuer Titel „Horror-Date: Kein Thriller (Obwohl man beim Dating auf viele Psychos trifft)“belegt Platz eins – halb Satire, halb Nervenkitzel, ganz klar: auf Wirkung geschrieben.
Wem das zu aufregend ist, der greift lieber zur bewährten Sommerlektüre: Svenja Lassens Ostsee-Roman „Suche Traummann, biete Nachbarn“, samt limitierter Sonderausgabe, liefert das gefällige Kontrastprogramm. Zwischen Nachbarschaftsplausch und Herzflattern bleibt kein Sandkorn in der Seele stecken. Für den krimibedürftigen Mittelmeerfreund steht Pierre Martins zwölfter Band um Madame le Commissaire bereit – Routine trifft Riviera, mit einer Prise französischer Melancholie.
Auch Sachbücher behaupten sich im Schatten von Liegestühlen.„Woman on Fire“ von Dr. Sheila de Liz spricht mit entwaffnendem Humor über die Wechseljahre und zeigt, dass auch medizinische Aufklärung in Bestsellerform funktioniert – sofern sie lakonisch daherkommt.
Wenn Self-Publishing zur Urlaubslektüre wird
Bemerkenswert ist der hohe Anteil selbstverlegter Titel unter den meistverkauften Büchern. Der Trend ist nicht neu, doch in diesem Sommer besonders sichtbar. Namen, die nicht aus Verlagskatalogen stammen, sondern aus Kindle-Uploads, finden sich erstaunlich häufig in den oberen Reihen der Bestsellerlisten – ein stiller Triumph der Unabhängigkeit.
Vor diesem Hintergrund rückt der Kindle Storyteller Award 2025 erneut ins Blickfeld. Der von Amazon ausgelobte Wettbewerb läuft noch bis zum 31. August, Teilnahmeberechtigt sind alle Autor:innen ab 18, die ihr Werk seit dem 1. Mai 2025 über KDP veröffentlicht haben. Bereits jetzt liegt die Zahl der Einreichungen über dem Vorjahresniveau – ein Hinweis auf das wachsende Selbstbewusstsein der Indie-Szene. Zu gewinnen gibt es 20.000 Euro, einen Verlagsdeal bei Amazon Publishing und ein Audible-Hörbuch. Entscheidend sind Verkaufszahlen, Leser:innen-Feedback und die Jurywertung – ein Spagat zwischen Popularität und Qualität, der nicht jedem Titel gelingt.
Eine Republik und ihre Lieblingsbücher
In Frankfurt, Köln, Berlin, Hamburg, München und Leipzig lassen sich überregionale Gemeinsamkeiten ebenso beobachten wie regionale Ausreißer. Caroline Wahls „22 Bahnen“ hat es offenbar geschafft, die seltene Kunst des Stadt- und Sommerromans zu meistern – die Geschichte einer Schwimmerin zwischen familiärem Stillstand und jugendlicher Aufbruchslust trifft offenbar einen Nerv.
Ebenfalls landesweit vertreten:Angela Merkels Memoiren „Freiheit“, die politisches Zeitdokument und persönliche Rückschau zugleich sein wollen. Dass sich dieses Buch quer durch die Städte hält, spricht weniger für literarischen Tiefgang als für ein ungebrochenes Interesse an der Kanzlerin a.D.
Daneben tummeln sich altbekannte Dauergäste der Bestsellerlisten: Philip Hopfs Selbstoptimierungstitel „Jeden Tag einen Schritt“,Sebastian Fitzeks Zweitauftritt mit „Das Kalendermädchen“ sowie James Clears Methode für mehr Prozent im Leben. Die Mischung aus Effizienz, Spannung und biografischer Bedeutungsschwere scheint deutschlandweit gut zu ziehen.
Und dann wäre da noch Leipzig. Während andernorts die Bestseller vorhersagbar wirken, erobert dort ein Dark-Fantasy-Roman die Herzen: „Shol: Wenn sich der Tod in dich verliebt“ – der Titel allein verrät genug. Hier zeigen sich die Ränder des literarischen Spektrums, das in der Fläche eher auf Nummer sicher geht.
Zwischen Sichtbarkeit und Sättigung
Die sommerliche Lektüreliste 2025 verrät viel über die Vorlieben eines Landes, das gerne liest, aber selten riskiert. Der Erfolg des Self-Publishing ist durchaus bemerkenswert – weniger als literarischer Umbruch, mehr als Markterfolg. Denn was gut verkauft wird, ist nicht automatisch gut geschrieben. Doch mit dem Kindle Storyteller Award existiert immerhin ein Instrument, das jenseits von Verkaufszahlen auch auf Stil und Originalität achtet. Die nächsten Wochen entscheiden, wer es schafft, sich aus der Masse emporzuschreiben.
Leselust zwischen Kalkül und Kuriosität
Zwischen Fitzek und Feel-Good, Merkel und Märchen zeigt sich: Der deutsche Sommer bleibt lesefreudig, aber wenig experimentierfreudig. Self-Publisher:innen erhalten mehr Raum, der Kindle Award verspricht Rückenwind – doch die Bestsellerlisten lassen auch 2025 wenig Raum für literarische Überraschungen. Vielleicht ist das der wahre Horror dieses Sommers.
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