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rbb und ARD Kultur "Studio Orange" mit Sophie Passmann: Verhöhnung der Literatur?

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Mit der ersten Ausgabe "Studio Orange" begegnet uns eine Literatursendung, deren Konzept zu einem nicht unerheblichen Teil darin besteht, nicht zu sehr über Literatur zu sprechen. Wie alle sich auf die Buchvorstellung konzentrierenden Bildschirmformate, lässt uns auch diese von ARD Kultur und rbb initiierte Sendung voller Nostalgie an das "Literarischen Quartett" von vor 2015 denken.

Die erste Ausgabe der neuen Literatursendung "studio orange" mit Sophie Passmann lässt sich nur mit Abstrichen als Literatursendung bezeichnen. Der Gast Dimitrij Schaad retten die zweite Hälfte des Auftaktes. Bild: rbb/Christiane Pausch

Literatur wird dann interessant offeriert, wenn ein fundierter Inhalt lebhaft und unterhaltsam besprochen wird. Die Literatursendung "Studio Orange" geht gewissermaßen den entgegengesetzten Weg und versucht, ein lässig, halbironisch vorgespieltes Spektakel mit literarischen Inhalten zu unterfüttern. Das macht uns Moderatorin Sophie Passmann gleich zu Beginn der ersten Ausgabe klar, wenn sie erklärt, Worte wie "Intertextualität" wolle man möglichst vermeiden. Ziel sei es, so über Bücher zu reden, wie es "ganz normale Leute" tun würden. Stellt sich nur die Frage, für wen das eigentlich interessant sein soll? Denn um "ganz normale Leuten" über Bücher reden zu hören, braucht es keine rbb- Sendung. Da genügt der eigene Freundes- oder Bekanntenkreis, notfalls die nächstgelegene Studentenkneipe.

Die "ganz normalen Leute"

Die Antwort liefert selbstverständlich ein Blick auf die Teilnehmerliste. Sophie Passmann, Helene Hegemann und Dimitrij Schaad sprechen über Bücher so, als gehörten sie der Gruppe der "ganz normalen Leute" an. Ein Schauspiel also, das die Literatur nur als Vehikel benutzt, das Literarische verhöhnt und an dieser Stelle tatsächlich, vollkommen austauschbar macht. Ebenso gut hätte man in "Studio Orange" auch über Schachweltmeisterschaften oder Flugverbotszonen sprechen können.

Ein weiterer Aspekt ist wohl der, dass die Gespräche "ganz normaler Leute" über Literatur in den meisten Fällen belanglose und oberflächliche sind. Unter diesem Gesichtspunkt gelingt es "Studio Orange" in der Tat, die selbst vorgelegte Konzeption einwandfrei einzuhalten. Denn abgesehen von Schaad, der in der zweiten Hälfte der Sendung doch einigermaßen Substanzielles über Junot Díaz' Roman "Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao" zu sagen hat, bleibt es bei Erzählperspektiven, bei Er, Ich und Du. Am Ende geht es um Rassismus und Sexismus in der Literatur. Von den Büchern selbst hat man bis dahin wenig erfahren.

"Studio Orange" die kommenden Ausgaben

In der kommenden Ausgabe (14.12.2022) werden die Schriftstellerin Mithu Sanyal und der Publizist Michel Friedman zu Gast sein. Bücher der Sendung sind: "Mithu Sanyal über Emily Brontë"; "Fremd" von Michael Friedmann; "Alle Menschen sind sterblich" von Simone de Beauvoir und "Die See der Abenteuer" von Enid Blyton.

In der dritten Ausgabe spricht Passmann mit Nilz Bokelberg und Theresa Enzensberger. Bücher der Sendung sind: "Nice to Meet You, Köln!" von Nilz Bokelberg, "Ein herzzerreißendes Werk von umwerfender Genialität" von Dave Eggers und "Auf See" von Theresia Enzensberger.

Das Literarische Quartett

Wer auf der Suche nach dichten, unterhaltsamen Literatursendungen ist, kann nach wie vor alle Ausgaben des Literarischen Quartetts auf YouTube finden. Wer auf der Suche nach guten, anregenden Büchern ist, kann sich auf Grundlage der dortigen Diskussionen ein differenziertes Bild machen.

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