Der Künstler und die Assassinin (Auszug) Der Künstler und die Assassinin (Auszug)

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»Ein Feuerwerk!«, rief der Meister schließlich selbst, mit einer Geste den Geistesblitz andeutend. »Ein ohrenbetäubendes Spektakel!« Er stieß ein grausiges Gelächter hervor. »Licht und Lärm, Tod und Zerstörung! Ja, es darf gar nichts anderes sein!« Sein Blick sprang von einem zum nächsten, als erwartete er, dass auch ihnen die alternativlose Brillanz seiner Idee jeden Moment klar wurde.

Aber man verstand nicht.

»Ein Feuerwerk?«, fragte Zoe zaudernd und kam hinter dem Thron hervor. »Was soll das bringen?«

Mephisto drehte sich ruckartig um und starrte sie an. Vielleicht hatte er vergessen, dass sie noch da war. Vielleicht überraschte ihn die Frage. »Doch kein tatsächliches Feuerwerk, Dummchen!«, sagte er und lachte mit einer Mischung aus Entgeisterung und Mitleid. Dann zog er einen Mundwinkel hoch. »Für uns wird es allerdings ein Grund zum Feiern sein. Der Beginn einer neuen Ära. Einer neuen verdammten Ära«, wiederholte er, als er die allgemeine Irritation sah, die dieses Wort ausgelöst hatte, »ganz recht. Es wird das Ende der Eliten sein! Kein Reichtum mehr! Keine Hierarchien mehr! Kein Zwang zu über-, nein, unmenschlichen Leistungen mehr! Und vor allem: Keine Kunst mehr, die eine solche Gesellschaft zu erklären und damit zu rechtfertigen versucht!« Der größenwahnsinnige Teufel machte weite Schritte von einem Ende des Podests zum anderen. »Wenn der Wandel von Dauer sein soll«, proklamierte er, »muss alles vernichtet werden, was die Vergangenheit und Gegenwart dokumentiert, was die sogenannten Errungenschaften der Kultur, in der wir zu siechen verdammt sind, glorifiziert!« Er hielt inne und schwieg eine Weile. »Aber beginnen«, sagte er mit ruhiger Stimme, »wollen wir mit Leon Witt.«

Zoe sah sich abermals um. Sah die Faszination in den Augen der anderen. Ob wenigstens einer von ihnen verstand, was hier gerade passierte?

»Leon Witt muss sterben!«, skandierte Mephisto, der mitten vor dem Thron stand.

Zoe hatte keine Hoffnung, dass es nur ein Ausdruck von Wut gewesen war. Dass es ihm rausgerutscht war.

»In Cielterre!«, hatte der Meister ausgerufen. Jetzt erinnerte sich Zoe wieder. Gestern – nein, heute, vor dem Morgengrauen. »Ein Zeichen! Das mussein Zeichen sein!« Das Lachen, das aufgeflammt war wie ein Inferno. Der wilde Schrei eines Wendigos, der Zoe bis ins Mark erschüttert hatte. Und dann hatte der Meister mit der Stimme eines Wahnsinnigen gebrüllt: »Gott ist nicht tot, er ist hier! Doch wir werden ihn töten!«

Gott: das war Leon Witt. Und offenbar lebte er – ja, zufällig! – ganz in der Nähe.

Der Meister hatte also längst Gefallen an der Vorstellung gefunden, den Künstler zu töten, und wenn der Meister an etwas Gefallen fand, entwickelte er eine regelrechte Besessenheit.

Die überraschende Versammlung, die Vorführung des Interviews, die wortgewandte Rede, den scheinbaren Geistesblitz des »Feuerwerks«: Alles war geplant gewesen.

»Leon Witt muss sterben«, wiederholte Mephisto, der auf seinem Thron Platz nahm. »Im Feuer muss er sterben, und aus seiner Asche soll sich die Idee der Revolution erheben wie ein Phönix und sich einbrennen in die Gedanken der Menschen! Nur, wie lässt sich das bewerkstelligen? Wie gelangen wir in seine Nähe, um das Attentat und unseren großen Moment in Ruhe zu planen?« Er schien mit sich selbst zu sprechen, laut genug aber, dass alle es hörten.

Zoe verstand nicht, worin das Problem bestand. Und wurde zu neugierig. »Das Personal in seinem Haus … was spräche denn dagegen, …«

»Es gibt kein Personal in der Villa von Leon Witt!«, spie Mephisto, nach vorn gelehnt. Er krallte sich in die Armlehnen, die aus verschlungenen Metallsträngen bestanden. »Wir haben es auf diesem Wege versucht. Die Herrin des Hauses wünscht keine Hilfe beim Kochen und Putzen. Wie selbstlos! So eine selten dämliche Schlampe«, knurrte er.

Wieder Stille. Minuten verstrichen. Das Kinn auf die Hand gestützt, saß der Meister da und starrte grüblerisch in die Luft. Knirschte mit den Zähnen.

Dann weiteten sich seine Augen plötzlich, und seine schmalen, bleichen Lippen verzogen sich zum teuflischsten Grinsen, das man sich vorstellen konnte. »Das ist es!«, stieß er hervor. Er sprang auf und wandte sich Zoe zu, die zurückwich. »Das ist es!« Er machte einen Schritt auf sie zu – die schweren schwarzen Lederstiefel polterten selbst auf dem Teppich – und krallte seine knochigen Finger in ihre Schultern, dass es schmerzte. »Berlioz«, raunte er, »meine liebe Berlioz.« Schatten lag in den verzerrten Zügen seines Gesichts, aber die Zähne, schmal und spitz, glühten. »Ist es nicht ulkig, dass du gerade jetzt, wo du mir noch einmal nützlich sein kannst, hier oben stehst?« Er warf den Kopf zurück und lachte schallend. »Zoe Berlioz!«, rief er. »Berlioz die Assassinin!«




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