American Sniper – Rezension: Autobiografie und Film über den tödlichsten Scharfschützen der US-Militärgeschichte
American Sniper: The Autobiography of the Most Lethal Sniper in U.S. Military History ist die 2012 erschienene Autobiografie von Chris Kyle, Scott McEwen und Jim DeFelice. Kyle, ein Navy SEAL des Seal Team 3, führte zwischen 1999 und 2009 vier Kampfeinsätze im Irakkrieg durch und gilt mit offiziell bestätigten 160 Feindtreffern als tödlichster Scharfschütze in der amerikanischen Militärgeschichte . Das Buch wurde im Januar 2012 von William Morrow and Company veröffentlicht und stand insgesamt 37 Wochen auf der New York Times Bestsellerliste .
Inhaltsangabe – Chris Kyles Lebensweg vom texanischen Bauernsohn zum Elite-Scharfschützen
Chris Kyle wird 1974 in Odessa, Texas, geboren und wächst auf der Ranch seiner Familie auf. Nach dem Schulabschluss bewirbt er sich bei den Navy SEALs und durchläuft das gefürchtete BUD/S-Training – eine der härtesten militärischen Ausbildungseinheiten weltweit . Nach der Versetzung in Seal Team 3 folgt sein erster Einsatz im Irakkrieg 2003.
Der Kern der Autobiografie schildert vier Einsätze in den Städten Ramadi, Falludscha und Sadr City. Kyle beschreibt detailliert seine Missionen, bei denen er mehrfach Insurgenteneinheiten aufspürt und bekämpft. Er berichtet von Schüssen aus Entfernungen bis zu 1 500 Metern und von der psychischen Belastung, Gefährten zu schützen. Gleichzeitig gewährt er Einblicke in das Bordleben der SEAL-Einheit, den Zusammenhalt unter Kameraden und die Rückkehr in die US-Heimat, wo er mit posttraumatischem Stress (PTSD) und familiären Problemen ringt.
Im Rückblick stellt Kyle sein Handeln in gut-und-böse-Termini dar: Er sieht sich selbst als Beschützer der Zivilbevölkerung, der feindliche Kämpfer neutralisiert, bevor diese US-Soldaten oder Iraker töten können. Politische Hintergründe zum Kriegsausbruch oder kritische Reflexionen zur US-Außenpolitik bleiben weitgehend außen vor. Stattdessen stehen persönliche Erlebnisse und Anekdoten im Vordergrund.
Themen und Motive – Patriotismus, Trauma und Moral im Krieg
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Patriotismus und Dienstliebe: Kyle betont mehrfach seinen Stolz, Navy SEAL zu sein, und seinen Einsatz für Kameraden und Nation.
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Kameradschaft und Opferbereitschaft: Enge Freundschaften und das ständige Risiko von Verlust prägen seinen Alltag.
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Kriegstraumata und Nachkriegsleben: Kyle schildert Schlafstörungen, Schreckreaktionen und seine Rolle als Ausbilder für andere Veteranen.
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Moralische Ambivalenz: Getötet wird aus Pflichtgefühl, doch Kyle beschreibt auch, wie er die Tötung eines Jugendlichen als „besten Schuss aller Zeiten“ feiert – ein Satz, der kontroverse Diskussionen auslöste .
Gesellschaftlicher Kontext – Militärmemoiren und die Kriegsdebatte
Militärische Memoiren wie American Sniper erfreuen sich großer Beliebtheit, da sie persönlichen Erlebnissen eine Stimme geben und Kriegsrealität anschaulich machen . Kyles Buch fällt in eine Welle von Veteranenautobiografien nach 9/11, die „You-Are-There“-Erfahrung bieten. Gleichzeitig wirft es Fragen auf: Wie glorifizieren wir Gewalt? Welche Verantwortung trägt der Autor für seine Sprache?
Stil und Sprache – Klarer Erzählton und eindringliche Details
Die Co-Autoren McEwen und DeFelice strukturieren Kyles Erinnerungen in knappen Kapiteln, die chronologisch seine Einsätze, Rückkehr und Familienleben abdecken. Technische Details zu Gewehrtyp, Schussdistanz und ballistischer Berechnung zeugen von Kyle’s Expertise, überfordern aber gelegentlich Laien . Emotional aufgeladene Passagen, etwa über gefallene Kameraden, kontrastieren mit nüchternen Gefechtsberichten. Der Wechsel sorgt für ein intensives, aber nicht immer kohärentes Leseerlebnis.
Für wen eignet sich American Sniper?
Es war schon immer eine wichtige Frage, was in Menschen vorgeht, die in Kriegssituationen töten. Dazu ist Chris Kyles "American Sniper" durchaus ein wertvoller Beitrag. Ihnen wird das Buch gefallen, wenn Sie beispielsweise "Soldaten" von Sönke Neitzel und Harald Welzer interessiert hat. Ebenfalls nicht direkt vergleichbar, aber thematisch nah dran ist Jürgen Todenhöfers "Inside IS". Auch wenn für viele die Aussagen von Chris Kyle schwer zu ertragen sein werden, ist "American Sniper" ein wichtiges Buch.
Kritische Einschätzung – Stärken und Schwächen
Stärken
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Autorisierter Einblick in die SEAL-Einheit durch die ungekürzten Erlebnisberichte von Chris Kyle
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Hochspannende Gefechtsdarstellung mit präzisen Schilderungen – von Einzelschuss bis Großgefecht
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Langfristige Reflexion von Kriegstrauma und familiären Folgen
Schwächen
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Einseitige Darstellung: Politischer Kontext und kritische Selbstreflexion fehlen weitgehend
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Glorifizierung des Tötens: Radikale Formulierungen wie „ist das klasse“ empfinden viele Leser:innen als verstörend
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Defamation-Kontroverse: Teile wurden später entfernt, weil Chris Kyle Jesse Ventura fälschlich beschuldigte .
Verfilmung – Clint Eastwoods American Sniper
2014 adaptierte Clint Eastwood Kyles Autobiografie unter dem Titel American Sniper für die Leinwand. Bradley Cooper verkörpert Chris Kyle und erhielt eine Oscar-Nominierung als bester Hauptdarsteller . Der Film hatte seine Premiere am 11. November 2014 beim American Film Institute Festival, startete limitiert am 25. Dezember 2014 und breit am 16. Januar 2015 in den USA .
Eastwood fing die Intensität der Gefechte ein und legte stärkeres Gewicht auf Kyles psychische Belastung. Kritiker lobten die Authentizität der Militärszenen und Coopers Performance, bemängelten jedoch eine zu unkritische Heldenverehrung. International spielte der Film über 547 Millionen Dollar ein und gewann den Oscar für den besten Tonschnitt.
Ein kontroverser Einblick in Krieg und Trauma
American Sniper liefert unverstellte Augenzeugenberichte eines Eliteschützen und öffnet das Verständnis für die Härte moderner Kriegsführung. Wer taktische Details und persönliche Kriegserlebnisse sucht, findet hier einen fesselnden Bericht. Gleichzeitig regt die einseitige Heldenperspektive zur kritischen Auseinandersetzung mit Gewaltsteigerung und Patriotismus an.
Über die Autoren – Chris Kyle, Scott McEwen & Jim DeFelice
Chris Kyle (1974–2013) diente vier Mal im Irak, wurde 2013 in Texas erschossen und gilt als Legende unter Scharfschützen. Scott McEwen und Jim DeFelice sind professionelle Ghostwriter, die Kyle halfen, seine Memoiren zu strukturieren. Gemeinsam erschufen sie einen der erfolgreichsten Militärautobiografien unserer Zeit.
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