Markus Eulig Die obskure Leichtigkeit des Zufalls

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„Die obskure Leichtigkeit des Zufalls“ von Markus Eulig: 42 Abstecher in eine bewegte Vergangenheit Cover: Pro Momentum GmbH

In Zeiten, in denen persönliche Zusammenkünfte oft auf das Allernötigste beschränkt waren, wurde geradezu schmerzhaft deutlich, wie sehr unser Leben durch Zusammentreffen mit anderen geprägt wird. Und es wurde offensichtlich, wie sehr diese fehlen, wenn sie durch Umstände außerhalb unserer Kontrolle unmöglich gemacht werden. Dem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach sozialem Miteinander setzt Markus Eulig mit seinen autobiografischen Buch "Die obskure Leichtigkeit des Zufalls: 42 Begegnungen" gleichsam ein Denkmal. Der gebürtige Hamburger erzählt von 42 zufälligen Begegnungen in aller Welt, die trotz ihrer Flüchtigkeit einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen haben. Und teilt diese Erfahrung in ebenso vielen Kurzgeschichten mit den Leserinnen und Lesern.

Von Hamburg über New York und Paris bis Abu Dhabi und durch 50 Jahre seines Lebens führen die Geschichten von Markus Eulig - und erzählen von Begegnungen mit Menschen, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Oft handelt es sich dabei um Wildfremde, gelegentlich aber auch um bekannte Namen und Gesichter. Bekannte Persönlichkeiten wie Helmut Schmidt, Willy Brandt oder Richard von Weizsäcker wechseln sich ab mit ganz gewöhnlichen Menschen von nebenan, die dennoch alle eins gemein haben: Sie sind Teil einer Sammlung von unvergesslichen Erinnerungen einer bewegten Vergangenheit. Geprägt sind die Anekdoten dabei nicht nur von der Zufälligkeit der Begegnungen, sondern vor allem auch von der Offenheit und Neugier, die der Autor seinem jeweiligen Gegenüber entgegenbringt.

Ein fluchender Prinz Philip, dessen mit englischen "four letter words" gespickte Reaktion auf ein Missgeschick beispielsweise wird mit einem Augenzwinkern als Schuldiger für die spätere Wahl des Englisch-Leistungskurses identifiziert. Die flüchtige Begegnung auf einer Toilette erwies sich dank dieser Entscheidung letztendlich sogar mitverantwortlich für ein Stipendium an einer US-amerikanischen Universität. Auch ein zufälliges Zusammentreffen mit Andy Warhol sollte nachhaltige Wirkung zeigen: Der Autor schreibt den Umstand, dass er außer drei Paar Socken und einem Beerdigungsanzug keinerlei schwarze Kleidungsstücke besitzt, einer Tirade des Künstlers bei einer Restauranteröffnung zu: Der bekannte Exzentriker hatte die schwarze Kleidung vieler Gäste als die Uniform der Fantasielosen niedergemacht.

Weniger prominent hingegen ist Zentrifugen-Paule. Der Arzt hat sich nicht nur aufgrund seines lustigen Spitznamens als erinnerungswürdig erwiesen. Als Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln-Porz hat er Markus Eulig eine Woche lang als Testsubjekt einer Studie malträtiert und unter konstanten Stress gesetzt. Trotz dieser Erfahrung mit Sonden in Körperöffnungen, die an dieser Stelle anstandshalber unerwähnt bleiben sollen, gibt der Autor am Ende der Anekdote einen Link für jene Leser an, die daran interessiert sein könnten, als Probanden an ähnlichen Studien teilzunehmen.

So gut wie alle Geschichten werden nicht nur von einem passenden Zitat eingeleitet und mit Bildern aufgelockert, sondern auch durch Verweise auf weiterführende Materialien wie Videos und Wikipedia-Einträge ergänzt. Hier warten nicht nur Informationen etwa zu Personen der Zeitgeschichte, sondern beispielsweise auch dazu, wie man einen Joint baut.

Das Buch ist auch eine Reise durch die Zeitgeschichte und überspannt zahlreiche einschneidende Ereignisse der letzten 50 Jahre, von der Sturmflut in Hamburg 1962 über den 11. September 2001 in New York bis in den Iran im Jahre 2020. Die Erlebnisse, an denen Markus Eulig uns in seinem charakteristisch schnörkellosen Stil teilhaben lässt, sind dabei ebenso abwechslungsreich wie die Standorte und die beteiligten Personen. So decken die autobiografischen Kurzgeschichten das gesamte Spektrum von Emotionen ab, die andere Menschen in uns wecken können - vom amüsierten Schmunzeln über Momente der Nachdenklichkeit bis hin zur traurigen Erinnerung oder Wehmut über vielleicht verpasste Chancen. Über 150 Seiten zeigt "Die obskure Leichtigkeit des Zufalls" so in locker erzählten und zum Teil mit trockenem Humor gewürzten Geschichten die aus menschlichen Begegnungen entstehende Bedeutung für unser aller Leben auf.

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