
Diktator im Delirium
Hitler glaubte Hellsehern, die Nazis haben das Bernsteinzimmer versteckt, irgendwo lagern noch Wunderwaffen, und Drogen haben alle Nazi-Größen genommen. Verschwörungstheorien verkaufen sich prima, wenn es um das Dritte Reich geht. In "Der totale Rausch" findet Autor Norman Ohler aber nicht nur Belege für die Rauschgiftsucht von Hitler selbst.

Vielmehr argumentiert er anhand der Sichtung historischer Dokumente, dass das Deutsche Reich nicht etwa eine Trutzburg der Tugend war, sondern seit dem Krieg 1870/71 mehr und mehr zur Drehscheibe des legalen, internationalen Handels mit Morphinen und Opiaten. In den 20er Jahren lieferte etwa Peru fast seine gesamte Opium-Produktion nach Deutschland zur Weiterverarbeitung.
Doch die Initialzündung zum Buch ist Ohler im Bundesarchiv in Koblenz gekommen, als er den Nachlass von Theo Morrell durchstöberte. Hitlerrs Leibarzt hatte zahlreiche Notizbücher hinterlassen, aus denen hervorgeht, dass "Patient A" stets Injektionen mit verschiedenen Mitteln und steigender Dosierung erhalten hat. Auch die Drogensucht von Göring ist bekannt. Er wurde bei seiner Verhaftung mit einem Koffer und 50.000 Tabletten aufgegriffen.
Doch die Geschichte der Drogen ist tief in Deutschland verwurzelt. Ausgerechnet in Paderborn gelang es dem Apothekergehilfen Friedrich Wilhelm Sertiner, das für die schmerzstillende Wirkung entscheidende Alkaloid Morphin aus dem Opium zu isolieren. Emmanuel Merck, Bersiitzer der Darmstädter Engel-Apotheke, wurde der erste großindustriell arbeitende Pharma-Unternehmer. Seit Erfindung der Injektionsspritze war Morphium bereits im amerikanischen Bürgerkrieg und später im deutsch-französischen Krieg 1870/1871 im Einsatz.
1879 erfand Felix Hofmann, Chemiker bei Bayer, dann ein sensationelles Mittel: Heroin. Bayer vermarkete die Droge gegen Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein. In den 30er Jahren eroberte dann das aus "Breaking Bad" bekannte Methamphetamin den Markt und wurde insbesondere zur Leistungssteigerung bei der Wehrmacht eingesetzt.
Fazit: Obwohl die NSDAP öffentlich eine strikte Anti-Drogen-Politik fuhr, legt Norman Ohler mit der Kombination und Neuauswertung verschiedener, weitgehend bekannter Dokumente eindrucksvoll dar, dass Drogenmissbrauch in den oberen Nazi-Chargen an der Tagesordnung war. Hitler selbst war ebenfalls offenbar in erheblichem Maße von verschiedenen Stoffen abhängig. Viel faszinierender als der Zusammenhang mit Adolf Hitler ist jedoch Ohlers Darstellung, wie Deutschland ab 1900 mangels Kolonien und natürlicher Drogen der Hauptproduzent von künstlichem Rauschgift geworden ist.
Für wen eignet sich´s? "Der totale Rausch" eignet sich weniger zur generellen Geschichtsaufarbeitung - zu viel ist über das Dritte Reich bereits geschrieben worden. Viel interessanter ist, dass Deutschlands Pharma-Industrie im Grunde auf dem Erfolg ihrer Drogen die Position hat, die sie jetzt weltweit einnimmt. Ein hochspannendes Buch!


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