Rebecca von Daphne du Maurier: Manderley, Erinnerung – und eine Ehe unter einem fremden Schatten

Vorlesen

„Rebecca“ (1938) ist Daphne du Mauriers berühmtester Roman – ein gothischer Spannungs-Klassiker über eine junge zweite Ehefrau, die in das Herrenhaus Manderley einzieht und dort der allgegenwärtigen Erinnerung an die erste Frau ihres Mannes begegnet. Der Text verbindet Psychologie, Gesellschaftsporträt der 1930er und eine unheimliche Haus-Symbolik, die bis heute wirkt. Das Buch gilt als Dauerbestseller und ist nie vergriffen gewesen; weltbekannt wurde es auch durch Alfred Hitchcocks Verfilmung (1940).

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Rebecca: Roman | Eines des meistgelesenen Bücher der Welt | Vielfach ausgezeichnet und verfilmt (insel taschenbuch)

Handlung: Die zweite Mrs. de Winter und das Nachleben einer Abwesenden

Erzählt wird aus der Ich-Perspektive einer namenlosen jungen Frau. Sie lernt den wohlhabenden Witwer Maxim de Winter an der Riviera kennen, heiratet überraschend – und findet sich wenig später auf Manderley wieder, wo Haushälterin Mrs. Danvers jeden Raum, jede Gewohnheit, jeden Gegenstand auf die verstorbene Rebecca hin ordnet. Die Erzählerin fühlt sich klein und fehl am Platz; jedes Missgeschick scheint Rebeccas Glanz nur zu bestätigen.

Nach und nach häufen sich Irritationen: Rebeccas Zimmer bleibt unangetastet wie ein Schrein; Danvers pflegt eine fanatische Loyalität; Verwandte und Bekannte erinnern Rebecca als makellose Gastgeberin. Ein Maskenball, ein Boot in der Bucht, amtliche Nachforschungen – all das bringt Widersprüche ans Licht und zwingt Maxim wie seine neue Frau, Wahrheiten über Rebecca und über sich selbst zu konfrontieren. Die späten Enthüllungen und das Ende verraten wir hier nicht; die Spannung von „Rebecca“ entsteht gerade daraus, was im Haus gewusst wird, was verschwiegen und wieErinnerung Wirklichkeit formt.

Identität, Klasse, Macht der Erinnerung

  • Identitätskampf im Spiegel eines Hauses: Die Erzählerin muss eine Rolle finden, die nicht Rebeccas Echo ist. Manderley wird zur Bühne, auf der Selbstbild und Fremdblick ringen.

  • Klasse & Respektabilität: Du Maurier zeigt, wie Rang, Geld und Etikette Wahrheiten kaschieren – und wie Status Loyalitäten strukturiert (von der Dienerschaft bis zum Landadel).

  • Trauer, Begehren, Kontrolle: Rebeccas posthume Präsenz ist erotisch, sozial und politisch – sie ordnet Beziehungen, Regeln und Räume. Mrs. Danvers verkörpert jenen obsessiven Häuser-Geist, der Erinnerung in Herrschaft verwandelt.

  • Gothic-Motive: einsames Herrenhaus, Küste, Nebel, Geheime Kammern – aber psychologisch gebrochen, ohne Übernatürliches.

England der 1930er – und ein Stoff, der Filmgeschichte schrieb

Als gothischer Roman der Zwischenkriegszeit verhandelt „Rebecca“ die Fragilität sozialer Ordnungen: alte Häuser, alte Namen – und dahinter moderne Unsicherheit. 1940 adaptierte Alfred Hitchcock den Roman; der Film gewann den Oscar als Bester Film (insgesamt 2 Oscars, 11 Nominierungen) – bis heute Hitchcocks einziger Best-Picture-Gewinn. 2020 folgte eine neue Adaption (Regie: Ben Wheatley, mit Lily James, Armie Hammer, Kristin Scott Thomas), die bewusst nicht als Hitchcock-Remake vermarktet wurde.

Erste-Person-Sog, Traumbilder, Haus-Topografie

Du Maurier arbeitet mit naher Innenperspektive und bildhaften Wiederkehr-Motiven (Träume, Wege durch Manderley, Küstenlandschaft). Die Prosa ist atmosphärisch, ökonomisch: Dialoge und Räume tragen Subtext, Rhythmus und Andeutung führen die Lesenden. Die berühmte Eröffnung (ein Traum von Manderley) setzt den Ton – Erinnerung als Ort, der heraufbeschworen wird. Die Spannung entsteht weniger aus Action als aus psychologischen Verschiebungen und sozialen Riten.

Für wen eignet sich „Rebecca“?

  • Leser klassischer Spannungsliteratur, die Psychologie vor Blut bevorzugen.

  • Buchclubs, die gern über Rollenbilder, Klasse, Begehren und Wahrheitsregime diskutieren (der Roman bietet reiche Projektionsflächen).

  • Fans von Schauplatz-Literatur: Wer Häuser als Figuren und Landschaft als Dramaturgie schätzt, ist hier richtig.

Kritische Einschätzung – Stärken & mögliche Schwächen

Stärken

  1. Zeitloses Setting als Sinnbild: Manderley ist Symbol und System; das macht den Roman auch heute lesbar und diskutierbar.

  2. Vielschichtige Antagonistin: Mrs. Danvers ist mehr als „die Böse“ – sie macht Loyalität zur Waffe und Erinnerung zur Ordnungsmacht.

  3. Erzählkunst: Die Ich-Stimme erlaubt Ambivalenz und lädt zur Mitlese-Interpretation ein – jede Szene ist doppeldeutig.

Mögliche Schwächen

  1. Tempo im Mittelteil: Wer rasante Plots erwartet, könnte die ritualisierte Gesellschaft als langsam empfinden.

  2. Klassensicht: Die Perspektive bleibt stark im Oberschicht-Kosmos; soziale Außenwelt tritt zurück – als bewusste Rahmung, nicht als Fehler.

  3. Melodram-Ton: Einzelne Wendungen tragen bewusst Gothic-Pathos; das polarisiert je nach Lesevorliebe.

Häufige Fragen

Ist die Erzählerin wirklich namenlos?

Ja. Der Roman nennt ihren Namen nie – ein Kunstgriff, der ihr Status-Defizit in Manderley spiegelt.

Ist „Rebecca“ Horror?

Nein. Es ist Gothic-Suspense/psychologischer Thriller: unheimliche Atmosphäre, soziale Bedrohung, moralische Dilemmata – kein Übernatürliches.

Welche Verfilmung lohnt sich besonders?

Die Hitchcock-Version (1940) ist ein Filmklassiker und gewann Best Picture; die Netflix-Adaption (2020) setzt andere Akzente und wurde gemischt aufgenommen.

Über die Autorin: Daphne du Maurier – Cornwall, Klassiker, Kino

Daphne du Maurier (1907–1989) schrieb neben „Rebecca“ u. a. „Jamaica Inn“ und „My Cousin Rachel“; ihre Kurzgeschichte „The Birds“ wurde ebenfalls von Hitchcock verfilmt. 1969 wurde sie zur Dame Commander of the Order of the British Empire (DBE) ernannt. Ihre Werke verbinden starke Schauplätze, psychologische Spannung und oft ambivalente Frauenfiguren.

Warum „Rebecca“ heute noch wirkt

Du Maurier erzählt, wie Erinnerung zur Herrschaftsform werden kann – und wie ein Haus Menschen ordnet. Wer atmosphärische Spannung, gesellschaftliche Lesbarkeit und präzise Figurenpsychologie schätzt, bekommt einen Roman, der nicht altert, sondern weiterarbeitet: in Kopf, Gespräch – und in den eigenen Räumen. „Rebecca“ ist kanonisch, weil es mehr ist als eine Liebes- oder Kriminalgeschichte: Es ist eine Anatomie von Blick, Macht und Begehren.

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