Almut Tina Schmidt mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet

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Am 29. Juni 2025 wurde in Klagenfurt der 3sat-Preis der 49. Tage der deutschsprachigen Literatur verliehen. Die Auszeichnung, dotiert mit 7.500 Euro, ging an die deutsche Autorin Almut Tina Schmidt für ihren Text Fast eine Geschichte. Der Preis würdigt literarische Beiträge, die beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb durch besondere Qualität auffallen.

Der 3sat-Preis bei den 49. Tagen der deutschsprachigen Literatur geht an Almut Tina Schmidt – für einen Text, der gerade durch seine Stille besticht. Der 3sat-Preis bei den 49. Tagen der deutschsprachigen Literatur geht an Almut Tina Schmidt – für einen Text, der gerade durch seine Stille besticht. ORF Fotograf: Hannah Stangl

Literatur des Tastens und Schweigens

In Fast eine Geschichte folgt man einer Ich-Erzählerin durch ein fragmentiertes Alltagsgefüge. Nichts wird erklärt, wenig ausgesprochen, vieles bleibt angedeutet – und gerade diese Zurückhaltung ist es, die den Text trägt. Zwischen Küchenumbauten, Innenhöfen, Elbwiesen und Gesprächen mit Martina, Alex oder Sibylle entsteht ein feines Gewebe aus Beobachtungen, Erinnerungen und unausgesprochenem Unbehagen. Es ist ein tastendes Erzählen, das die großen Gesten meidet und dabei eine selten gewordene Form literarischer Achtsamkeit entwickelt.

Kein Plot, keine Zuspitzung

Schmidts Text verzichtet bewusst auf klassische Dramaturgie. Es gibt keine lineare Handlung, keine Klimax, keine finale Erkenntnis – stattdessen ein ruhiger, beinahe zäher Fluss von Eindrücken und minimalen Verschiebungen. Der Text lebt von dem, was zwischen den Sätzen steht: Blicke, Pausen, alltägliche Irritationen. „Was wie Zufall wirkt, ist mit feinem Gespür gesetzt“, formulierte Jurorin Brigitte Schwens-Harrant treffend in ihrer Laudatio.

Sprache, die sich zurücknimmt – Figuren, die Raum bekommen

Die Sprache Schmidts ist unprätentiös, manchmal spröde, aber nie kalt. Sie nimmt sich bewusst zurück, um ihren Figuren Raum zu lassen. Diese Zurückhaltung wird nie zum Mangel, sondern zur Methode: Wer bereit ist, sich auf das Tempo und den Rhythmus dieses Textes einzulassen, entdeckt darin eine eindringliche Genauigkeit – fast wie in der Betrachtung eines langsam sich verändernden Bildes. Der Text verlangt Geduld, doch er belohnt sie mit Tiefe.

Eine Stimme aus Wien – mit literarischer Erfahrung

Almut Tina Schmidt wurde 1971 in Göttingen geboren, wuchs in Marburg auf und lebt heute in Wien. Sie studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Politik und arbeitet als Schriftstellerin, Dramaturgin und Hörspielautorin. Neben Theaterstücken und Kinderbüchern hat sie zahlreiche Hörspiele veröffentlicht. Fast eine Geschichte zeigt eine Autorin, die weiß, was sie weglassen kann – und was bleiben muss.

Preis mit Wirkung

Auch wenn der 3sat-Preis nicht die mediale Aufmerksamkeit des Ingeborg-Bachmann-Preises erreicht, setzt er seit Jahren wichtige literarische Akzente. Almut Tina Schmidts Auszeichnung zeigt: Die Tage der deutschsprachigen Literatur bleiben ein Ort, an dem auch das Unauffällige gesehen und gewürdigt wird. Und das ist, in einer oft überhitzten Medienlandschaft, eine kleine literarische Notwendigkeit.

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