Am 21. April 2025 starb Peter von Matt im Alter von 87 Jahren in Zürich. Der Literaturwissenschaftler, Essayist und scharfsichtige Kommentator des kulturellen Lebens hinterlässt ein Werk, das weit über akademische Grenzen hinausreicht.
Vom Stanser Tal in die weite Welt der Literatur
Geboren am 20. Mai 1937 in Luzern, aufgewachsen in Stans, war Peter von Matt ein Kind der Buchstaben. Sein akademischer Weg führte ihn nach Zürich und Nottingham, sein Denken jedoch blieb stets eigenwillig, präzise und auf eigentümliche Weise schweizerisch. Bei Emil Staiger promovierte er über Franz Grillparzer, später habilitierte er sich mit einer Studie zu E.T.A. Hoffmann. Ein früher Beweis dafür, wie tief von Matts Blick in die literarischen Mechanismen, die psychologischen Subtexte und das ästhetische Kalkül der Texte hineinreichen konnte – und wie er gleichzeitig das Groteske und das Abgründige in der Literatur zu fassen vermochte, ohne es je zu banalisieren.
Ein gegenwärtiger Professor
Von 1976 bis 2002 lehrte von Matt Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich. Ein Professor mit Autorität, aber ohne autoritären Gestus. 1980 zog es ihn kurzzeitig als Gastprofessor an die Stanford University – ein Ortswechsel, der seinen Horizont nicht nur geografisch erweiterte. Von Matt blieb nie beim Text allein: Literatur war ihm stets auch ein Mittel zur Durchdringung gesellschaftlicher und politischer Wirklichkeit. Seine Essays zeigen das mit seltener Klarheit.
Schreiben als Widerstand gegen Gedankenlosigkeit
Wer „Liebesverrat. Die Treulosen in der Literatur“ (1989) liest, erkennt von Matts Grundhaltung: Literatur ist ein Ort der moralischen Ambiguität, der Entscheidungsspielräume und der stillen Zumutungen. In „Die Intrige. Theorie und Praxis der Hinterlist“ (2006) dekonstruiert er nicht nur narrative Machinationen, sondern auch politische Mechanismen des Täuschens. Und in „Das Kalb vor der Gotthardpost“ (2012) – ausgezeichnet mit dem Schweizer Buchpreis – verhandelt er mit ironischer Genauigkeit die Schweiz als kulturellen Mythos, als Projektionsfläche, als Ort zwischen Pathos und Provinz.
Sein Stil: funkelnd ohne Eitelkeit, gelehrt ohne Prätention, stets auf den Punkt. Wenn er schrieb, schien der Satz selbst zu denken.
Ein öffentlicher Intellektueller
Peter von Matt war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Künste in Berlin. Er war ein Intellektueller, der das Gespräch suchte, kein Ideologe, kein Poseur. Seine gelegentlichen Auftritte in Debatten waren stets von einem Ethos des genauen Hinsehens getragen, nie von Effekthascherei. Reich-Ranicki nannte ihn den „besten Schriftsteller der deutschsprachigen Schweiz“ – eine Zuschreibung, die von Matts Essays vielleicht mehr Geltung beanspruchen können als viele belletristische Werke jener Zeit.
Peter von Matt hat kein System hinterlassen, keine Schule gegründet, keinen Ismus befördert. Was bleibt, ist etwas Schwierigeres: ein Werk, das zum Weiterdenken einlädt. Ein Denken in Bewegung, das Literatur ernst nimmt, weil es den Menschen ernst nimmt. Und eine Sprache, die immer wusste, dass sie gerade dort am stärksten ist, wo sie sich ihrer eigenen Grenzen bewusst bleibt.
Topnews
Ein Geburtstagskind im November: Astrid Lindgren
Geburtstagskind im Oktober: Benno Pludra zum 100. Geburtstag
Das Geburtstagskind im September: Roald Dahl – Der Kinderschreck mit Engelszunge
Ein Geburtstagskind im August: Johann Wolfgang von Goethe
Hans Fallada – Chronist der kleinen Leute und der inneren Kämpfe
Ein Geburtstagskind im Juni: Bertha von Suttner – Die Unbequeme mit der Feder
Ein Geburtstagskind im Mai: Johannes R. Becher
Ein Geburtstagskind im April: Stefan Heym
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
Aktuelles
Goreng – 33 urdeutsche Gerichte von Horst Kessel – Wenn die Küche Beige trägt (und wir trotzdem lachen)
Winter mit Jane: Über Bücher, Bilder und das alljährliche Austen-Gefühl
Benno Pludras Lütt Matten und die weiße Muschel
Spuren im Weiß – Ezra Jack Keats’ „The Snowy Day“ als stille Poetik der Kindheit
Der Mann im roten Mantel – The Life and Adventures of Santa Claus von L. Frank Baum
Die Illusion der Sicherheit – wie westliche Romane den Frieden erzählen, den es nie gab
Beim Puppendoktor – Ein Bilderbuch über das Kind und sein Spiel
Denis Scheck über Fitzek, Gewalt und die Suche nach Literatur im Maschinenraum der Bestseller
Die Frauen von Ballymore von Lucinda Riley- Irland, eine verbotene Liebe und ein Geheimnis, das nachhallt
Katrin Pointner: Willst du Liebe
Geschenktipp zu Weihnachten: Otfried Preußlers Die kleine Hexe
Zwischen Fenster und Flug – Nikola Huppertz’ Gebrannte Mandeln für Grisou
Die stille Heldin von Hera Lind – Eine Mutter hält die Welt zusammen
Winnetou: Die besten Karl-May-Bände
Kiss Me Now von Stella Tack – Prinzessin, Personenschutz, Gefühlsernst
Rezensionen
Kiss Me Twice von Stella Tack – Royal Romance mit Sicherheitsprotokoll
Kiss Me Once von Stella Tack – Campus, Chaos, Bodyguard: eine Liebesgeschichte mit Sicherheitslücke
Die ewigen Toten von Simon Beckett – London, Staub, Stille: Ein Krankenhaus als Leichenschrein
Totenfang von Simon Beckett – Gezeiten, Schlick, Schuld: Wenn das Meer Geheimnisse wieder ausspuckt
Verwesung von Simon Beckett – Dartmoor, ein alter Fall und die Schuld, die nicht verwest
Leichenblässe von Simon Beckett – Wenn die Toten reden und die Lebenden endlich zuhören
Kalte Asche von Simon Beckett – Eine Insel, ein Sturm, ein Körper, der zu schnell zu Staub wurde
Die Chemie des Todes von Simon Beckett– Wenn Stille lauter ist als ein Schrei
Knochenkälte von Simon Beckett – Winter, Stille, ein Skelett in den Wurzeln
Biss zum Ende der Nacht von Stephenie Meyer – Hochzeit, Blut, Gesetz: Der Schlussakkord mit Risiken und Nebenwirkungen
Das gute Übel. Samanta Schweblins Erzählband als Zustand der Schwebe
Biss zum Abendrot von Stephenie Meyer – Heiratsantrag, Vampirarmee, Gewitter über Forks