Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse wurde der Deutsche Jugendliteraturpreis 2025 vergeben – begleitet von politischem Appell, poetischer Bildsprache und einem deutlichen Bekenntnis zur Vielfalt der Erzählformen. Insgesamt 72.000 Euro Preisgeld, gestiftet vom Bundesjugendministerium, wurden in sechs Sparten verliehen. Hinzu kommt die bronzene Momo-Skulptur, die jeder Auszeichnung eine bleibende Form gibt.
Fantasie ohne Worte: Jens Rassmus gewinnt in der Sparte Bilderbuch
Der Sieg in der Kategorie Bilderbuch geht an „Regentag“ von Jens Rassmus, erschienen im Peter Hammer Verlag. Ganz ohne Text, nur mit schwarz-weißen Konturen und leuchtenden Acrylfarben, entwickelt sich ein stilles Schauspiel kindlicher Imagination: Zwei Kinder sitzen drinnen, draußen prasselt der Regen, und plötzlich wird das Kinderzimmer zur Gebirgslandschaft, zur Zwergenwelt, zum Brunnenabenteuer. Die Jury hebt hervor, wie fließend Rassmus zwischen Realität und Fantasie wechselt – ein stiller, aber bildstarker Aufruf zur Mitgestaltung der eigenen Welt.
Himmelwärts und nach innen: Karen Köhlers poetisches Kinderbuch
In der Kategorie Kinderbuch gewinnt Karen Köhler mit „Himmelwärts“ (Hanser), illustriert von Bea Davies. Die Geschichte einer innigen Freundschaft verwebt sich mit der Trauer um die Mutter – ein leiser Nachtbericht, erzählt von Toni, gespickt mit Erinnerungsfragmenten, Sprachspielen, Lautmalereien. Die Jury spricht von einem „Feuerwerk sprachästhetischer Erzählkunst“. Bea Davies’ in Rottönen und Blaublau schwebenden Illustrationen halten die Balance zwischen Aussage und Andeutung – und öffnen Raum für weiterführendes Nachdenken.
Dialog in Echtzeit: Jugendbuchpreis für Sarah Jägers Chat-Roman
Als bestes Jugendbuch wurde „Und die Welt, sie fliegt hoch“ von Sarah Jäger ausgezeichnet (Rotfuchs). Zwei 14-Jährige, Ava und Juri, kommunizieren per Chat aus ihren isolierten Zimmern – sie mit Hausarrest, er mit Panikattacken. Der Roman ist formal konsequent, sprachlich präzise und zugleich offen für Humor. Sarah Maus’ Illustrationen ergänzen den Text um subtile Zwischentöne. Die Jury nennt es ein „bewegendes Annäherungsporträt“, das mit der Form spielt, ohne sich darin zu verlieren.
Survival aus Läuseperspektive: Sachbuchpreis für Berta Páramo
In der Sparte Sachbuch überzeugte „Läuse. Handbuch zum Überleben auf Menschen“ von Berta Páramo (Helvetiq). Ein augenzwinkerndes Sachbuch, das sich direkt an Läuse richtet – inklusive Überlebenstipps auf menschlicher Haut. Bild- und sprachästhetisch raffiniert, informativ ohne pädagogischen Zeigefinger. Die Übersetzung von Stefanie Kuballa-Cottone trifft exakt den Ton zwischen Scherz und Sachlichkeit.
Klima, Radikalität und Verantwortung: Jugendjury-Preis für Dirk Reinhardt
Die Jugendjury wählte „No Alternative“ von Dirk Reinhardt (Gerstenberg) – ein Roman über Klimaaktivismus, Gruppendruck und moralische Konflikte. Ohne moralisierend einzugreifen, überlässt Reinhardt den Jugendlichen ihre Stimme. Figurenzeichnung und Erzählstruktur schaffen Nähe, aber auch Reibung. Der Preis der Jugendjury ist ein Statement für politisches Erzählen, das nicht vereinnahmt, sondern öffnet.
Sonderpreis Illustration: Maren Amini für „Ahmadjan und der Wiedehopf“
Der Sonderpreis Neue Talente ging an Maren Amini für die Graphic Novel „Ahmadjan und der Wiedehopf“ (Carlsen), entstanden in Zusammenarbeit mit ihrem Vater Ahmadjan Amini. Die Jury hebt die „poetische Verwebung von persönlicher Biografie und persischer Mystik“ hervor. Amini verbindet karikaturistische Leichtigkeit mit mystischen Symbolen, psychedelischen Farben und einem Erzählsog, der zwischen Afghanistan und Deutschland pendelt. Visuelle Anklänge an persische Miniaturen öffnen den Blick für historische Tiefe und kulturelle Verbindungen.
Sonderpreis Gesamtwerk für Antje Damm
Der mit 12.000 Euro dotierte Sonderpreis Gesamtwerk Illustration wurde Antje Damm verliehen. Ihre Bücher, so die Jury, zeugen von einer seltenen Nähe zum Kinderalltag. Sie schnitzt, klebt, zeichnet, aquarelliert – und bleibt dabei immer offen für Unvollkommenheit. Mit „Frag mich“ schuf sie ein Format, das Kinder zum Fragen einlädt. Ihr gelingt, was pädagogisch oft nur behauptet wird: Sie traut Kindern etwas zu. Oder, wie die Jury es formuliert: Sie versteht es, „die großen Themen unserer Existenz herunterzubrechen“.