Der Herr der Ringe – Die zwei Türme (J. R. R. Tolkien): Wenn Wege sich trennen – und die Welt größer wird

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„Die zwei Türme“ ist der Band, in dem Der Herr der Ringe seinen Pulsschlag verändert. Nachdem „Die Gefährten“ die Gemeinschaft geformt hat, zerlegt Tolkien sie nun in getrennte Erzählstränge: Krieg hier, Heimlichkeit dort; Schlachtfeld und Schleichpfad. Das Ergebnis ist kein bloßer Brückentext, sondern ein zweiter Anfang – dunkler, politischer, weitläufiger. Wer wissen will, wie aus einer Reisegeschichte ein Weltendrama wird, findet die Antwort in diesen Kapiteln.

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Der Herr der Ringe. Bd. 2 - Die zwei Türme (Der Herr der Ringe. Ausgabe in neuer Übersetzung und Rechtschreibung, Bd. 2): In der überarbeiteten ... der Übersetzung von Wolfgang Krege

Handlung von „Die zwei Türme“: Drei Wege, ein Auftrag

Nach der Zerstreuung der Gemeinschaft verfolgen wir drei Linien:

  • Aragorn, Legolas, Gimli jagen die Entführer ihrer Freunde durch das Grasland und treffen auf Rohan, ein Reitervolk, das zwischen Pflicht und Furcht zerrieben wird. Intrige und Mut entscheiden, ob es standhält.

  • Merry und Pippin geraten in den uralten Wald von Fangorn – und begegnen einer Macht, die so langsam denkt wie Bäume wachsen, aber, wenn es darauf ankommt, handelt.

  • Frodo und Sam schleichen Richtung Osten, begleitet von Gollum, dessen gespaltene Loyalität die heikelste Waffe der Reise ist. Der Weg führt näher an den Feind – mit Landschaften, die nicht nur gefährlich, sondern verführend sind.

    Ohne das Ende zu verraten: Die Linie Rohan kulminiert in einer Entscheidungsschlacht, die Standhaftigkeit und Bündnisse prüft; auf dem Schleichpfad verschärft sich das moralische Gewicht, das der Ring auf seine Träger legt.

Themen & Motive: Macht, Treue, Versuchung

  • Politik der Bündnisse: „Die zwei Türme“ zeigt, wie Völker und Herrscher unter Druck reagieren – wer zaudert, wer wächst. Freundschaft wird zur Außenpolitik im Kleinen.

  • Zweite Chancen: Gollum ist kein Monster-Klischee, sondern eine Warnung: Was bleibt von einem Selbst, das zu lange am Falschen festhält?

  • Natur als Akteur: Der Wald von Fangorn und die Ents sind keine Kulisse, sondern handlungsfähige Erinnerung. Gegen die Zerstörung steht nicht Nostalgie, sondern Gegenwehr.

  • Rittertum ohne Pathos: Tolkien interessiert, wie Pflicht aussieht, wenn Ruhm aussichtslos scheint – an Toren, in Hallen, auf Mauern.

Kriegserfahrung ohne Gleichnis

Tolkien hat Allegorien abgelehnt – doch die Erfahrung von Front, Kameradschaft und Erschöpfung ist spürbar. „Die zwei Türme“ setzt stärker auf Kollektive (Heer, Haus, Stamm), ohne die intime Mission zu verlieren. Aufstieg und Fall von Anführern, die Müdigkeit ganzer Länder, der Preis später Hilfe – all das klingt wie Kriegsliteratur, bleibt aber Mythus: Es geht um Haltung vor dem Abgrund.

Von Reitersturm bis Flüsterton

Der Band ist zweistimmig: Hohe Rede in Hallen und auf Wällen, leise, nervöse Prosa in Schluchten und an Grenzpfaden. Tolkien variiert Ton und Tempo: Schlachtpassagen sind klar, kartenfest und taktisch; die Frodo/Sam-Kapitel atmen Ahnung und das stetige Zuziehen der Schlinge. Lieder und Namen bleiben Speicher der Welt, doch hier werden sie öfter zu Signalfeuern als zu Pausen.

Figuren im Fokus: Gollum, Théoden, Éowyn

  • Gollum ist der dramaturgische Motor: Führer, Verräter, Spiegel – selten wurde innere Zerrissenheit so hörbar.

  • König Théoden steht für Verjüngung durch Verantwortung: Alter, Ränke, Last – und dann die Entscheidung, trotzdem aufzustehen.

  • Éowyn bringt ein anderes Heldentum ins Spiel: Mut im Schatten der Hallen, ein Wille, der noch keinen Ort findet.

Für wen eignet sich „Die zwei Türme“?

Für Leserinnen und Leser, die Wechsel der Register lieben: Taktische Schlacht und stillen Marsch, Politik und Psychologie. Für Buchclubs liefert der Band Fragen zu Führung, Treue, Verführbarkeit – und zur Rolle der Natur als Grenze der Macht.

Kritische Einschätzung – Stärken & mögliche Schwächen

Stärken

  1. Erzählarchitektur: Getrennte Stränge steigern Spannung und Weltweite – ohne den roten Faden zu verlieren.

  2. Gollum-Psychologie: Der innere Dialog dieser Figur ist literarisch riskant und gelungen.

  3. Topografie als Dramaturgie: Wege, Mauern, Pässe – die Geografie erzählt mit.


Schwächen

  1. Tonwechsel: Vom Kriegsgesang zum Flüstern – wer nur eines davon liebt, stolpert.

  2. Tempoempfinden: Der Schleichpfad verlangt Geduld; die Belohnung liegt in innerer Spannung, nicht im Spektakel.

  3. Exposition: Politische Zusammenhänge werden teilweise feierlich vermittelt – für manche Lesarten schwerfällig, für andere identitätsstiftend.


Verfilmung: „Die zwei Türme“ (2002) – Schlacht, Stimmen, Schatten

Peter Jacksons zweite Filmadaption verschiebt Akzente geschickt:

  • Helms Klamm wird zur Nacht-Oper aus Regen, Stein und Stahl – eine der prägendsten Filmschlachten des Genres.

  • Gollum (Performance-Capture von Andy Serkis) ist die Revolution der Trilogie: eine digitale Figur mit menschlicher Mimik, deren innerer Streit hör- und sichtbar wird.

  • Rohan bekommt ein eigenes Farb- und Klangbild (Bernard Hill als Théoden; Howard Shores Rohan-Thema), das Politik und Melancholie trägt.

  • Abweichungen zum Buch sind bewusst: Faramir ringt im Film stärker mit dem Ring (Osgiliath-Episode), um die Verführungskraft greifbarer zu machen; die Ents erhalten mehr Rampenlicht im finalen Gegenschlag.

    Der Film gewann 2 Oscars (u. a. Beste Visuelle Effekte) und zeigt, wie man eine mittlere Erzählung groß erzählt: nicht als Transit, sondern als Prüfung.


Drei kurze Leseimpulse für mehr Tiefe

  • Was ist Mut in einem System, das bereits verloren scheint? (Théoden/Éowyn)

  • Wie funktioniert Vertrauen, wenn der Führer Gollum heißt?

  • Wo endet Naturbeschreibung – und beginnt moralische Geografie?

Häufige Fragen (spoilerarm, kompakt)

Muss man Band 1 kennen?

Es ist sehr sinnvoll: „Die zwei Türme“ setzt direkt an „Die Gefährten“ an; Figurenbeziehungen und Wegmarken werden vorausgesetzt.

Was sind „die zwei Türme“?

Tolkien ließ die Bezeichnung mehrdeutig; häufig genannt werden Orthanc (Isengart) und Barad-dûr (Mordor). In späteren Texten nannte er auch Orthanc und Cirith Ungol – die Idee bleibt: Machtpole des Bösen.

Wie unterscheidet sich der Film vom Buch?

Wesentlich: Faramirs Umgang mit dem Ring ist im Film konfliktreicher; dramaturgisch sinnvoll für Spannung, im Buch dagegen standhafter.

Ausblick auf Band 3 – Die Rückkehr des Königs (ohne Spoiler)

Der dritte Band hebt an, wo dieser endet: Entscheidungsschlachten im Westen, heimlicher Marsch im Osten. Was hier vorbereitet wurde – Bündnisse, Mut, das Maß der Versuchung – entscheidet darüber, wer am Ende noch selbst über sich verfügt. Erwartet größere Räume, höhere Einsätze und die endgültige Frage: Was kostet Erlösung – und wer darf sie fordern?

Über den Autor: J. R. R. Tolkien – Philologe mit Weltbau-Kompass

J. R. R. Tolkien (1892–1973) lehrte in Oxford und dachte Literatur von Sprache her. Der Herr der Ringe (1954/55) ist das Ergebnis eines Sprach- und Mythenprojekts, das mit dem „Hobbit“ begann und in den nachgelassenen Schriften („Silmarillion“ u. a.) weiterklingt. Seine Stärke ist nicht nur Erfindung, sondern Haltung: Die Würde kleiner Figuren gegen große Systeme.

Kein Durchgang, sondern der Prüfstein

„Die zwei Türme“ ist das Herzstück des Epos: Hier entscheidet sich, ob Pathos trägt oder leer ist, ob Freundschaft Strategie sein kann, ob Versuchung überlebbar ist. Wer sich auf den Tonwechsel einlässt, bekommt einen Band, der lange nachhallt – und den Schritt in den dritten Teil zwingend macht.

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