Mit „Madame le Commissaire und die gefährliche Begierde“ setzt Pierre Martin seine erfolgreiche Krimireihe rund um Isabelle Bonnet fort – und beweist erneut, dass gemütliche Krimikost keineswegs seicht oder unambitioniert sein muss. Im Gegenteil: In diesem Band wagt sich der Autor an ein hochsensibles Thema – sexuelle Gewalt im Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen – und verwebt es gekonnt mit der gewohnt stimmungsvollen Kulisse der Côte d’Azur.
„Madame le Commissaire und die gefährliche Begierde“ – Ein Provence-Krimi mit Tiefgang, Atmosphäre und gesellschaftlicher Relevanz
Was zunächst wie ein klassischer Wohlfühlkrimi beginnt, entwickelt sich rasch zu einer dichten, spannenden und moralisch ambivalenten Erzählung, die Leser weit über die letzte Seite hinaus beschäftigt.
Rätsel um ein Armband und das Schweigen nach der Nacht
Kommissarin Isabelle Bonnet wird durch einen persönlichen Schock in ihren zwölften Fall geworfen: Ihre Freundin Clodine wird am Strand aufgegriffen – nackt, verwirrt, ohne Erinnerung. An ihrem Arm: ein auffälliges Schmuckstück. Die ersten Ermittlungen zeigen: Clodines Fall ist kein Einzelfall. Auch ein weiteres Opfer – das jedoch nicht überlebt – trug dasselbe Armband.
Bonnets Spur führt in die Welt mondäner Partys, luxuriöser Anwesen und zwielichtiger Kreise. Zusammen mit ihrem unkonventionellen Assistenten Apollinaire gräbt sie sich durch ein Geflecht aus Drogen, Schweigen und sozialer Kälte – und muss erkennen, dass auch in der schönsten Kulisse Frankreichs finstere Abgründe lauern.
Themen und Motive – Gesellschaftskritik unter dem Lavendelduft
Pierre Martin gelingt es in diesem Krimi, ein gesellschaftlich brisantes Thema – sexuelle Gewalt unter Einsatz von Betäubungsmitteln – sensibel, aber klar zu verhandeln. Dabei verzichtet er bewusst auf voyeuristische Schilderungen und nähert sich der Problematik über psychologische Spannung und zwischenmenschliche Dynamik.
Zentrale Motive sind:
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Macht und Ohnmacht: Die Täter nutzen gesellschaftlichen Status, Geld und Schweigen als Waffe – die Opfer bleiben oft ohne Stimme.
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Schuld und Erinnerung: Das verstörende Gefühl, sich nicht erinnern zu können, wird als existenzielle Bedrohung beschrieben.
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Freundschaft und Loyalität: Isabelle Bonnet kämpft nicht nur beruflich, sondern auch persönlich – was den Fall besonders intensiv macht.
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Privilegien und Moral: Martin hinterfragt die moralischen Leerstellen einer Oberschicht, die sich über Gesetz und Anstand stellt.
Charaktere – Zwischen Kontrolle und Verwundbarkeit
Isabelle Bonnet ist keine klassische Ermittlerin: Als ehemalige Leiterin einer Antiterroreinheit trägt sie Narben, nicht nur körperlich. Ihr Rückzug in die Provence wirkt wie ein Versuch der Selbstheilung – der jedoch ständig von der Realität unterlaufen wird. Gerade die Kombination aus Ruhebedürfnis und Gerechtigkeitssinn macht sie zur faszinierenden Figur.
Apollinaire, ihr kongenialer Assistent, bleibt der augenzwinkernde Kontrapunkt – schlau, loyal, ein bisschen exzentrisch. Ihre Beziehung ist inzwischen eingespielt, aber immer wieder überraschend. Im aktuellen Fall zeigt sich: Beide müssen sich auch emotional auf dünnes Eis wagen, wenn sie den Opfern wirklich helfen wollen.
Schauplatz als Spiegel – Die Provence als ambivalente Bühne
Wie in den vorangegangenen Bänden setzt Pierre Martin die südfranzösische Landschaft nicht bloß als Postkartenmotiv ein, sondern als atmosphärischen Resonanzraum. Die Schönheit der Umgebung steht im Kontrast zur inneren Dunkelheit der Geschichte – ein Effekt, der die moralische Spannung zusätzlich steigert.
Der Strand von Pampelonne, pittoreske Marktplätze, verlassene Landgüter: Diese Orte dienen nicht der Dekoration, sondern als Teil der Erzählstruktur. Sie spiegeln Isolation, Dekadenz und Verdrängung – und machen deutlich: Auch unter Lavendelfeldern kann etwas faulen.
Stil und Aufbau – Klar, zugänglich, spannungsgeladen
Martins Sprache ist flüssig, schnörkellos und zugleich poetisch. Ohne je ins Pathetische zu kippen, baut er Spannung auf – nicht über Action, sondern über Nuancen, Verdacht und psychologischen Druck.
Die Kapitel sind kurz gehalten, Perspektivenwechsel sorgen für Dynamik. Die Balance zwischen emotionaler Tiefe und kriminalistischer Stringenz gelingt nahezu mühelos. Dabei bleibt Martin stets respektvoll – sowohl gegenüber den Figuren als auch gegenüber den Leser.
Zielgruppe – Für wen ist das Buch besonders empfehlenswert?
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Krimileser die spannende Handlungen mit gesellschaftlichem Hintergrund schätzen
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Fans der Reihe, die den Figuren über die Bände hinweg treu geblieben sind
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Frankreichliebhaber, die Atmosphäre und Lokalkolorit suchen
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Leser, die sich für psychologisch fundierte Krimis interessieren, ohne auf eine angenehme Leseerfahrung zu verzichten
Über den Autor – Pierre Martin: Ein deutscher Autor mit französischem Herz
Pierre Martin ist das Pseudonym eines deutschen Autors, der sich auf Frankreich-Krimis spezialisiert hat. Mit der Reihe um Madame le Commissaire gelang ihm ein Bestseller-Erfolg, der nicht nur wegen des Lokalkolorits, sondern auch wegen der psychologischen Tiefe und gesellschaftlichen Brisanz seiner Fälle geschätzt wird.
Obwohl über seine Identität wenig bekannt ist, beweist Martin mit jedem Band sein Gespür für stimmige Figuren, atmosphärisches Setting und relevante Themen. Seine Werke vereinen Unterhaltungswert mit Haltung – eine seltene Kombination in einem Genre, das oft auf Routine setzt.
Ein stiller Krimi mit lauter Wirkung
„Madame le Commissaire und die gefährliche Begierde“ ist ein Krimi, der leise beginnt, aber lange nachhallt. Pierre Martin wagt sich an ein heikles Thema – und schafft es, daraus eine spannende, berührende und gesellschaftlich relevante Geschichte zu formen.
Wer in Krimis nicht nur Blut und Ermittlungen, sondern auch psychologische Tiefe, ethische Fragen und glaubwürdige Charaktere sucht, findet hier einen der besten Bände der Serie – und einen Beweis dafür, dass das Genre mehr kann als nur Spannung erzeugen.
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